Spitzenkräfte. Mit Frauen ganz nach vorn
„Sie hätten lieber Hauswirtschaft wählen sollen“ oder „Sie sind einfach noch nicht so weit“ – vielen Unternehmerinnen und ambitionierten Frauen begegnen solche Phrasen in ihrer Karriere. Auch Rachel Andalaft kann ein Lied davon singen: „Ich habe diese Sätze im Laufe meines Berufslebens tatsächlich gehört“, sagt die Wirtschaftsingenieurin.
Frauen treiben die Wirtschaftstransformation
Andalaft sieht, dass sich in solchen Aussagen eine größere Problematik ausdrückt: Festgefahrene Glaubenssätze, patriarchales Denken, aber auch Angst vor Veränderung hemmen die Innovationskraft von Frauen. Das gefährde auch den Erfolg von Unternehmen in wichtigen Wirtschaftssektoren der Zukunft. „Um die großen Veränderungsprojekte der Wirtschaft meistern zu können, werden wir zweifellos besser abschneiden müssen. Denn Innovation erfordert neue Denkmuster“, betont die Unternehmerin mit Blick auf das Geschäft mit erneuerbaren Energien. 2016 gründete die Finanzexpertin das Unternehmen REA Consult . Mit Sitz in Köln sowie in São Paulo berät sie Unternehmen und Investor:innen zu nachhaltigen internationalen Investitionen. Ob Energie aus Sonne, Wind oder Wasserstoff, ob Brasilien oder Chile, ihr Unternehmen hat bisher nachhaltige Projekte in Höhe von rund vier Milliarde US-Dollar ermöglicht.
Frauen sind für die grüne, sozial-gerechte Transformation der Wirtschaft enorm wichtig – als Unternehmerinnen, als Gründerinnen sowie als Führungs- und Fachkräfte. „Zukunftsthemen wie die Energiewende sind Frauenthemen“, sagt die Gründerin und präsentiert Fakten: „Untersuchungen belegen, dass Frauen in sozialprogressiven Bereichen wie Umwelt- und Klimabewegungen überdurchschnittlich engagiert sind und darüber hinaus maßgeblich zum nachhaltigen Erfolg von Unternehmen beitragen. Firmen mit vielfältigen Führungsteams, zu denen Frauen gehören, sind mit 21 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit erfolgreicher als der Durchschnitt.“
Frauenquoten sind nicht genug
Eine Trendanalyse von Investors4Diversity für den Zeitraum 2020 bis 2022 zeigt, dass Investor:innen zunehmend erwarten, dass Unternehmen mehr tun als die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten. Sie fordern ein, Diversität in den Führungsetagen zu verankern.
Unternehmen sollten also unbedingt einen Blick auf die Geschlechterverteilung in den eigenen Reihen werfen: Denn Frauen arbeiten am liebsten da, wo Diversität und Gleichberechtigung die Arbeits- und Führungskultur prägen. Sie wünschen sich, dass Vorgesetzte ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg wertschätzen. Wenn Unternehmen Gender Diversity nicht leben, schwächen sie die eigene Wettbewerbsposition und laufen Gefahr, in der Konkurrenz um die besten Köpfe zum Arbeitgeber zweiter Wahl zu werden.
Chancen für Frauen in der Energiebranche
Nichtsdestotrotz sind Frauen in Führungspositionen und als Fachkräfte immer noch oft in der Minderheit.
Frauen stoßen häufig auf geschlechtsspezifische Hindernisse und kulturelle Barrieren. Beispielsweise seien ihre Möglichkeiten zu gründen und einflussreiche Positionen zu erreichen, eingeschränkt, sagt Andalaft. So beträgt der Frauenanteil im Energiesektor weltweit durchschnittlich 22 Prozent, bei den erneuerbaren Energien liegt er höher – bei 32 Prozent. Das sei vor allem auf den hohen Frauenanteil in der Photovoltaik-Industrie zurückzuführen, stellt Rachel Andalaft fest. „Bei genauerer Betrachtung dieses Ergebnisses wird jedoch klar: Während Frauen 58 Prozent der Verwaltungsstellen ausfüllen, sind sie nur zu 38 Prozent in technischen Positionen tätig.“ Gerade für die wachsende Energiebranche wären Frauen aber wichtig: „Fähigkeiten und Arbeitskräfte in diesem Bereich sind dringend gefragt“, betont Andalaft.
So kommen mehr Frauen in Führungspositionen
Wie also kommen Frauen in Führungspositionen? Wie lassen sich patriarchale Strukturen aufweichen?
„Ein Bewusstsein für geschlechtsspezifische Fragen ist von entscheidender Bedeutung. Wir, Unternehmen, Finanzinstitutionen, Entscheidungsträger:innen, müssen ein Umdenken fördern und voranbringen“, sagt Andalaft und fügt hinzu: „Auch wir Frauen sollten uns daran gewöhnen, das Bild der ambitionierten Frau zu verkörpern, die die Gleichstellung der Geschlechter vorantreibt, Machtpositionen innehat und die Entscheidungsprozesse sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor beeinflusst.“
Dazu gehöre auch, Mädchen bereits in der Schulzeit Lust auf MINT-Fächer zu machen, meint Andalaft. Denn ansonsten bleiben später wertvolle Talente von Frauen ungenutzt und Unternehmen müssten auf qualifizierte Arbeitskräfte verzichten. „Es geht nicht nur um Chancengleichheit, sondern auch darum, die Ausbildung und Karriere in Branchen, die bisher hauptsächlich von Männern dominiert wurden, attraktiver für Frauen zu gestalten“, sagt Andalaft.
Netzwerke junger Führungskräfte und Veranstaltungsreihen mit Speakerinnen, Mentoring für Frauen in Führungspositionen oder gezielte Bildungsangebote können Frauen stärken und ihre Sichtbarkeit erhöhen.
Transparenz sei in diesem Zusammenhang ein wichtiges Stichwort für Unternehmen, stellt Rachel Andalaft heraus. Sie sollten mit handfesten Statistiken untermauern, wie die Führungspositionen auf Geschlechter verteilt sind und welche Erfolge erzielt wurden. So könne die ungerechte Verteilung der Fach- und Führungspositionen aufgedeckt und behoben werden. Schließlich müssten Unternehmen, Entscheider:innen und Politiker:innen an einem Strang ziehen: „Gemeinsames Handeln von Menschen aller Geschlechter ist gefragt, um Frauen den leichteren Einstieg zu ermöglichen und um ihre beruflichen Perspektiven und Aufstiegschancen zu fördern“, sagt Andalaft.
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