Überlegungen zur Akteurseinbindung nach Corona

Überlegungen zur Akteurseinbindung nach Corona: oder - Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! In den ersten Tagen des Shutdowns wegen der Corona-Pandemie machte in den sozialen Medien in Deutschland ein „Bonmot“ die Runde. „Heute helfen die Jungen den Alten“, indem sie auf Feiern verzichten und zu Hause bleiben. „Morgen (nach der Pandemie) helfen die Alten den Jungen“.

Überlegungen zur Akteurseinbindung nach Corona: oder - Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!

Blogartikel von Dr. Harald Ginzky

In den ersten Tagen des Shutdowns wegen der Corona-Pandemie machte in den sozialen Medien in Deutschland ein „Bonmot“ die Runde. „Heute helfen die Jungen den Alten“, indem sie auf Feiern verzichten und zu Hause bleiben. „Morgen (nach der Pandemie) helfen die Alten den Jungen“, indem sie – endlich – ihre Lebensweise den Herausforderungen des Klimawandels anpassen.

Dieser witzig gemeinte Spruch enthält aber einen wichtigen Gedanken: Nur im Tun liegt die Chance auf Lösung und auf Veränderung. Das klingt trivial, ist aber wichtig. Denn bislang thematisiert die wissenschaftliche und politische Debatte oftmals zu sehr das „Was“ und vernachlässigt etwas das „Wer“ und das „wie“.

Neben der Frage nach dem „was“, also ob etwa grüner und/oder blauer Wasserstoff die Lösung bringt und welche Techniken negative Emissionen sicherstellen, braucht es mehr systematisches Nachdenken darüber, wie, mit welchen Akteuren, mit welchen Handlungen, mit welchen Allianzen eine sozial-ökologische Wende zu erreichen ist.

Nachfolgend werden fünf erste Überlegungen genannt, um diese Perspektive in den Blick nehmen.

  • Handlungsmächtige staatliche Institutionen

Es muss sichergestellt sein, dass die öffentliche Verwaltung handlungsmächtig ist. Ein Beispiel: Förderprogramme können oftmals nicht abgerufen werden, weil auf kommunaler Ebene nicht hinreichend Kapazitäten zur Abwicklung der Förderprogramme und zur Betreuung etwaiger Zulassungsverfahren von Projekten zur Verfügung stehen. Das spricht sehr dafür, dass Förderprogramme so gestaltet sein sollten, dass die Ausstattung der öffentlichen Hand (konsumtive Ausgaben) entsprechend der angedachten Projektförderungen sichergestellt ist.

  • Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Bewegungen

Die verschiedenen zivilgesellschaftlichen Bewegungen in Deutschland und weltweit agieren oftmals getrennt voneinander, obwohl sie gemeinsame (Teil-) Ziele verfolgen. Zentrale Personen kennen sich oftmals nicht einmal, geschweige denn, dass sie miteinander sprechen. Zivilgesellschaftliche Bewegungen – etwa Gewerkschaften, Umwelt – und Klimabewegung, Kirchen, Anti-Rassismus- und Friedensbewegung, Frauenbewegung – sollten sich besser vernetzen und abstimmen, um sich gemeinsam für eine sozial-ökologische Transformation einsetzen zu können. Verschiedentlich gibt es bereits Ansätze, wie jüngst das Zusammenwirken der Anti-Rassismus- und der Klimabewegung. Diese Ansätze gilt es zu stärken.

  • Veränderungen kommen aus der Mitte der Gesellschaft

Es bedarf einer geänderte n Grundhaltung bei den staatlichen Institutionen. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass der Staat zwar den Rahmen setzen kann und muss. Ohne eine engagierte Gesellschaft hätte das Krisenmanagement aber nicht funktioniert. Das gilt auch für die Bekämpfung des Klimawandels. Es ist also nicht der Staat, der die Krise löst und/oder die Transformation erreicht. Die notwendigen Veränderungen bezüglich der technischen Lösungen, aber auch der Werte und Verhaltensweisen können nur aus der Mitte der Gesellschaft kommen. Der Staat und seine Institutionen können also nur den Rahmen setzen. Die Umsetzung kann daher nur in Kooperation mit den und durch die gesellschaftlichen Kräften selbst – Wirtschaft, Wissenschaft und zivilgesellschaftliche Organisationen (hoffentlich dann besser vernetzt) erfolgen.

Staatliche Organe sind dabei gut beraten, vor allem auf diejenigen Akteure in der Wirtschaft und der Gesellschaft insgesamt zuzugehen, die lösungsbereit und -gewillt sind – oftmals zum Beispiel eher einzelne fortschrittliche Unternehmen, denn die Verbände.

  • Mehr Einbeziehung von Menschen mit Migrationshintergrund

Des Weiteren sind Ansätze erforderlich, Menschen mit Migrationshintergrund gezielt und verstärkt in die Transformation einzubeziehen. Es ist leider festzustellen, dass diese Gruppe der Gesellschaft wenig bis gar nicht einbezogen ist und/oder Ihre Stimme erhebt.

  • Akteursorientierung in der Transformationsforschung

Zuletzt muss auch die Transformationsforschung mehr das Know-how, die Anliegen und die Problemlösungskompetenzen der zivilgesellschaftlichen Akteure thematisieren. Es reicht also gerade nicht, nur Lösungen zu erarbeiten, die von staatlichen Institutionen umgesetzt werden können. Transdisziplinäre Ansätze, also die Entwicklung von Lösungskonzepten mit den Betroffenen zusammen und mit Blick auf deren Problemlösungsoptionen, sollten eher die Regel denn die Ausnahme sein.

Ferner bedarf es eigenständiger wissenschaftlicher Untersuchungen, wie sich Transformation unter Berücksichtigung der verschiedenen Akteure vollzieht. Daraus können und sollten dann Hinweise für die Politikgestaltung abgeleitet werden.

Fünf erste Punkte, es bleiben viele weitere zu sichten und zu analysieren: Etwa die Rolle von Kirchen oder Gewerkschaften (diese repräsentieren in einigen Gebieten Deutschlands etwa 25 % der Beschäftigten). Denn nur durch ein systematisches Nachdenken in Wissenschaft und Politik kann eine ausreichende Mobilisierung der Akteure erreicht werden, die wiederum Voraussetzung für eine echte und tiefgreifenden Transformation hin zur ⁠Nachhaltigkeit⁠ ist.

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Autor:

Dr. Harald Ginzky ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Umweltbundesamt. Er bearbeitet die Themen Climate Geo-Engineering, Meeresumweltschutz, Tiefseebergbau sowie Gewässer- und Bodenschutz aus rechtlicher Perspektive.

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