VE-I-4: Wetter- und witterungsbedingte Straßenverkehrsunfälle
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Stark winterliche Straßenverhältnisse sowohl in Januar und Februar als auch im Dezember waren im Jahr 2010 die Ursache für eine außergewöhnlich hohe Zahl von Unfällen, die durch Schnee- und Eisglätte mitverursacht wurden. Ein signifikanter Trend zeichnet sich hier nicht ab, ebenso wenig für Unfälle mit Personenschaden in den Monaten Juni bis August. Glätte durch Regen nahm als mitverursachender Faktor von Unfällen signifikant ab.
Die Verkehrssicherheit und das Unfallgeschehen auf Deutschlands Straßen hängen von zahlreichen Einflussfaktoren ab. Dazu zählen neben der vorhandenen Infrastruktur, der Dichte und der Struktur des Verkehrs und dem Verhalten der Verkehrsteilnehmenden auch Wetter und Witterung. Regen und Schnee sowie Eis und Hagel beeinflussen die Straßenverhältnisse und sorgen für widrige Fahrbahnbedingungen wie etwa Aquaplaning oder Glätte, auch auf Geh- und Radwegen. Niederschlag und Nebel trüben die Sichtverhältnisse. Die Unfallgefahr ist daher in den Herbst- und Wintermonaten in der Regel höher als im Frühjahr und Sommer. Es kommt insgesamt zu mehr Unfällen. Da die Verkehrsteilnehmenden ihre Geschwindigkeit aber den schlechten Bedingungen anpassen, sind Unfälle mit Personenschaden im Verhältnis seltener als in den warmen Monaten. Dazu trägt auch die durch das schlechte Wetter beeinflusste Verkehrsmittelwahl bei: Die Menschen nutzen bevorzugt den Pkw oder öffentliche Verkehrsmittel, sodass sich weniger ungeschützte und besonders verletzliche Personen im Straßenverkehr bewegen.
In der warmen Jahreszeit sind gegenläufige Verhaltensmuster zu beobachten. Die Menschen nutzen die angenehmen Temperaturen und die längeren Tage. Sie sind mehr im öffentlichen Raum unterwegs und erledigen mehr Wege zu Fuß, mit dem Fahrrad oder E-Bike oder mit dem Motorrad. Das Verkehrsgeschehen wird insgesamt komplexer, der Anteil der schwächeren Verkehrsteilnehmenden ist höher. Zudem fahren motorisierte Verkehrsteilnehmende bei guter und trockener Witterung schneller als bei rutschiger oder nasser Fahrbahn und provozieren damit auch folgenschwerere Unfälle. Obwohl also in den Sommermonaten die Unfallzahlen im Jahresvergleich eher durchschnittlich sind, ist der Anteil von Unfällen mit Personenschaden, bei denen Personen verletzt oder getötet werden, in diesem Zeitraum besonders hoch.
Das Unfallgeschehen des Jahres 2010 zeigt einer Auswertung des Statistischen Bundesamts zufolge168 beispielhaft, in welcher Weise Wetter und Witterung die Verkehrssicherheit beeinflussen können. In den Monaten Januar, Februar und Dezember herrschten jeweils stark winterliche Straßenverhältnisse. Schnee- und Eisglätte waren infolgedessen Mitursachen von annähernd doppelt so vielen Unfällen mit Personenschaden wie in den anderen Jahren des betrachteten Zeitraums. Insgesamt gab es in diesen Monaten (und auch im gesamten Jahr 2010) aber vergleichsweise wenige Unfälle mit Personenschaden, sodass der relative Anteil der Unfälle mit Personenschaden in diesen Monaten auf dem niedrigsten Stand seit 1991 lag. Insgesamt ereigneten sich also mehr Unfälle, wegen einer grundsätzlich vorsichtigen Fahrweise blieb es aber in vielen Fällen bei Sachschäden. Demgegenüber war der Anteil der Unfälle mit Personenschaden in den Sommermonaten in den Jahren 2010 und 2013 überdurchschnittlich hoch. Für das Jahr 2010 kann eine „Teilschuld“ daran der Witterung zugeschrieben werden, denn der Juni und der Juli waren in diesem Jahr insgesamt sehr sonnig und die ersten Juliwochen zudem sehr heiß. Im Jahr 2013 haben sich im Vergleich der letzten zehn Jahre insgesamt wenige Unfälle mit Personenschaden ereignet. Der relativ heiße Juli 2013 war allerdings der unfallträchtigste Juli im betrachteten Zeitraum und ist der Grund für den hohen Anteil an Unfällen in den Sommermonaten in diesem Jahr. Der Anstieg in den Jahren 2020 und 2021 ist als ein Nebeneffekt der Covid-19-Pandemie einzustufen: Aufgrund der in den Sommermonaten gelockerten Regelungen gab es in den Monaten Juni bis August keinen so ausgeprägten Rückgang im Vergleich zur Vor-Pandemie-Zeit wie in den meisten Monaten dieser Jahre. Dies spiegelt sich im höheren Anteil der Sommermonate am jährlichen Unfallgeschehen wider.
In Anbetracht der Einflüsse, die Wetter und Witterung auf das Unfallgeschehen haben, wird diskutiert, dass der Klimawandel möglicherweise relevante Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit und das Unfallgeschehen hat. Für die winterlichen Gefahren wird dabei für die Zukunft allgemein von einer Abnahme ausgegangen, während es in Frühjahr, Sommer und Herbst unter anderem infolge größerer Hitze und vermehrter Starkregen häufiger zu Unfällen kommen könnte. Regional sind in den vergangenen Jahren auch Staub- und Sandstürme als Unfallursachen in Erscheinung getreten. Auch dies könnte bei zunehmender sommerlicher Bodentrockenheit künftig häufiger auftreten. Bislang zeichnet sich in den abgebildeten Zeitreihen bei den Verkehrsunfällen mit einer Mitverursachung durch Schnee- und Eisglätte kein signifikanter Trend ab. Gleiches gilt für die Zahl der Verkehrsunfälle in den Sommermonaten, wobei hier die durch den Pandemie-Effekt beeinflussten Werte der Jahre 2020 und 2021 nicht in der Trendanalyse berücksichtigt wurden. Die Unfälle mit einer Mitverursachung durch Glätte durch Regen nehmen seit 1998 mit einem signifikanten Trend ab.
Es liegt in der Verantwortung der Verkehrsteilnehmenden, sich über bestehende Gefahren zu informieren, Warnhinweise zu beachten und sich in extremen Situationen richtig und angemessen zu verhalten. Sie sind aber grundsätzlich darauf angewiesen, dass Verkehrsinfrastrukturen auch unter extremen Bedingungen funktionieren und keine witterungsbedingten Schäden entstehen. Zu den Aufgaben von Bund und Ländern gehört es, die Verkehrsinfrastrukturen an die sich ändernden klimatischen Verhältnisse anzupassen. Um hierfür die notwendigen Grundlagen zu schaffen, wurde in der Bundesanstalt für Straßenwesen mit Start im Jahr 2011 das Forschungsprogramm „Adaptation der Straßenverkehrsinfrastruktur an den Klimawandel (AdSVIS)“ aufgelegt. In einer ersten Phase wurde unter anderem im Projekt „RIVA – Risikoanalyse wichtiger Verkehrsachsen des Bundesfernstraßennetzes im Kontext des Klimawandels“ eine Methodik entwickelt, um Klimarisiken für das Bundesfernstraßennetz einfacher ermitteln zu können.169 Seit 2016 sind die klimawandelbezogenen Aktivitäten der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) in das Themenfeld 1 „Klimafolgen und Anpassung“ des BMDV-Expertennetzwerks „Wissen – Können – Handeln“ eingebettet.
168 - StBA –Statistisches Bundesamt (Hg.) 2011: Unfallentwicklung auf deutschen Straßen 2010. Begleitmaterial zur Pressekonferenz am 6. Juli 2011 in Berlin. Wiesbaden, 38 S. https://www.destatis.de/DE/Methoden/WISTA-Wirtschaft-und-Statistik/2011/07/unfallentwicklung-2010-072011.pdf.
169 - Korn M., Leupold A., Mayer S., Kreienkamp F., Spekat A. 2017: RIVA. Risikoanalyse wichtiger Verkehrsachsen des Bundesfernstraßennetzes im Kontext des Klimawandels. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen – Straßenbau, Band S 109. Bremen, 131 S. https://www.bast.de/DE/Publikationen/Berichte/unterreihe-s/2017-2016/s109.html;jsessionid=565EAF6B0BE53884F9FB579153DBCFE4.live21304?nn=1836812.