RO-R-4: Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für besondere Klimafunktionen

Das Bild zeigt über einen Wald hinweg die Skyline von Frankfurt am Main. Wolkenkratzer und der Fernsehturm erheben sich aus der Landschaft. Im Hintergrund sind die Höhenzüge des Taunus zu erkennen.zum Vergrößern anklicken
Auch in Regionen wie dem Rhein-Main-Gebiet sind Flächen wichtig, die kühle Luft produzieren.
Quelle: A. Emson / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

RO-R-4: Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für besondere Klimafunktionen

Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für besondere Klimafunktionen sind ein noch junges Instrument der ⁠Raumordnung⁠. Diese Gebietskategorie kommt daher bislang deutschlandweit erst in sechs Planungsregionen zur Anwendung.

Eine Linie stellt die Fläche der Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für besondere klimatische Funktionen in Form von indexierten Werten dar. Das Jahr 2009 ist auf 100 gesetzt. Insgesamt zeigt die Zeitreihe die Jahre 2009 bis 2021. Sie weist keinen Trend auf. Bis 2011 gibt es einen deutlichen Anstieg, danach bleiben die Werte bei 300, ab 2017 etwas darunter.
RO-R-4: Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für besondere Klimafunktionen

Eine Linie stellt die Fläche der Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für besondere klimatische Funktionen in Form von indexierten Werten dar. Das Jahr 2009 ist auf 100 gesetzt. Insgesamt zeigt die Zeitreihe die Jahre 2009 bis 2021. Sie weist keinen Trend auf. Bis 2011 gibt es einen deutlichen Anstieg, danach bleiben die Werte bei 300, ab 2017 etwas darunter. Zusätzlich sind in einer Säulenreihe die Anteile der Planungsregionen mit Vorrang- und Vorbehaltsgebieten für besondere klimatische Funktionen in Prozent abgebildet. Diese Zeitreihe weist einen signifikant steigenden Trend auf. Die Werte lagen von 2011 bis 2019 unverändert bei 4,4, Prozent, danach sind sie auf 5,3 Prozent gestiegen.

Quelle: Bundesinstitut für Bau- Stadt- und Raumforschung (ROPLAMO - Raumordnungsplan-Monitor)

Fläche sichern für ein gutes lokales Bioklima

In Städten beziehungsweise Ballungsräumen mit einer hohen Siedlungsdichte und einem hohen Versiegelungsgrad werden oft deutlich höhere Durchschnittstemperaturen und höhere Spitzentemperaturen gemessen als im umgebenden Umland – ein Effekt, der auch als städtische ⁠Wärmeinsel⁠ bezeichnet wird (siehe ⁠IndikatorBAU-I-2). Die Intensität des städtischen Wärmeinseleffekts hängt eng unter anderem mit der Größe und Dichte einer Stadt zusammen. In Städten mit einer Bevölkerung von rund 100.000 Menschen beträgt der Temperaturunterschied zwischen Stadt und Umland bis zu 6 °C. In Abhängigkeit von den natürlichen bioklimatischen Bedingungen (wie der geografischen Lage und der Höhenlage) kann es durch diesen Effekt in Städten in den Sommermonaten zu verstärkten Wärmebelastungen im Vergleich zum Umland kommen, die sich durch den ⁠Klimawandel⁠ zukünftig verstärken können. Insbesondere die langsamere Abkühlung des Stadtraums abends und in der Nacht im Vergleich zum Umland – für die Millionenstadt Köln wurde 2012 am Ende einer Strahlungsnacht eine Differenz von über 10 °C nachgewiesen – kann für die Bevölkerung Schwierigkeiten bedeuten, wenn aufgrund hoher Temperaturen keine erholsame Nachtruhe möglich ist (siehe Indikatoren GE-I-1 und BAU-I-1).

Die Regionalplanung kann dieser projizierten Zunahme von bioklimatischen Belastungssituationen entgegenwirken, indem sie zum einen klimatisch bedeutsame großräumige Freiflächen, auf denen sich Kalt- und Frischluft sammeln und in die städtischen Räume gelangen kann, als Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für besondere Klimafunktionen ausweist und mit lokalen Grünflächen vernetzt. Sie kann dadurch Flächennutzungen verhindern, die dieser Zielstellung zuwider laufen. Zum anderen können Gebiete ausgewiesen werden, in denen aufgrund der lokalen Verhältnisse ein besonderer Handlungsbedarf besteht, bioklimatische Belastungen zu verringern.

Bislang erfolgt die Ausweisung von Vorrang- und Vorbehaltsgebieten für besondere Klimafunktionen nur in sehr wenigen Regionen. Ein Grund hierfür ist, dass die Planungskategorie noch relativ neu ist, Planwerke der Landes- und Regionalplanung aber in der Regel über längere Zeiträume Bestand haben. Neuerungen können sich daher erst nach und nach in den Plänen etablieren. Ein weiterer Grund liegt darin, dass die Regionalplanung auch andere raumordnerische Instrumente des Freiraumschutzes wie regionale Grünzüge zur Sicherung klimatisch bedeutsamer Freiflächen nutzt oder beispielsweise bioklimatisch relevante Luftleitbahnen symbolisch darstellt, ohne einzelnen Flächen konkrete Aufgaben zuzuweisen. Welche Instrumente zum Einsatz kommen und wie sie angewendet werden, hängt zudem von der Ausweisungspraxis im jeweiligen Bundesland ab. Ein zusätzlicher Bedarf an Flächenausweisungen ist daher mitunter gar nicht gegeben.

In den Planungsregionen in Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen, die bislang Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für besondere Klimafunktionen ausgewiesen haben, werden damit beide oben genannten Zielrichtungen verfolgt: die Freihaltung klimatisch bedeutsamer Freiflächen und die Ausweisung bioklimatisch belasteter Gebiete mit hohem Handlungsbedarf. In Hessen geht es in den verschiedenen Regionalplänen um eine nachhaltige Sicherung von Gebieten als klimatische Ausgleichsräume oder als Luftleitbahnen. In den Regionalplänen für Mittelhessen und Südhessen werden im Detail Flächen der Kalt- und Frischluftentstehung sowie des Kalt- und Frischluftabflusses benannt, die gesichert und gegebenenfalls wiederhergestellt werden sollen. Diese Gebiete sollen von Bebauung und anderen Maßnahmen, die die Entstehung und den Transport von frischer und kühler Luft behindern können, freigehalten werden. Planungen und Maßnahmen, die die Durchlüftung von klimatisch oder lufthygienisch belasteten Ortslagen verschlechtern können, sind in diesen Gebieten zu vermeiden. Sie dürfen nur realisiert werden, wenn nachgewiesenermaßen keine erheblichen nachteiligen klimatischen Auswirkungen entstehen.

Die oben skizzierte zweite Anwendungsrichtung der Planungskategorie wird im Regionalplan Mittelrhein-Westerwald und im Regionalen Flächennutzungsplan Frankfurt /Rhein-Main verfolgt. Hier sind thermisch belastete Räume und klimatisch sensible Tallagen als Vorbehaltsgebiete unter anderem mit dem Ziel festgelegt, die klimatischen Bedingungen nach Möglichkeit zu verbessern. Dazu sollen etwa klimatische Ausgleichsflächen erhalten oder erweitert werden, außerdem sind Siedlungsvorhaben zu vermeiden, die den Frischlufttransport behindern.