LW-I-1: Verschiebung agrarphänologischer Phasen

Das Bild zeigt mit Eis umhüllte Blüten eines Apfelbaums.zum Vergrößern anklicken
Verschiebungen der agrarphänologischen Phasen wirken sich auf landwirtschaftliche Kulturen aus.
Quelle: Mariusz Świtulski / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

LW-I-1: Verschiebung agrarphänologischer Phasen

Veränderungen des jahreszeitlichen Witterungsverlaufs bringen neue Herausforderungen für die landwirtschaftliche Bewirtschaftungsplanung. Apfel und Winterraps blühen aufgrund der höheren Wärmesummen im Frühjahr immer früher.

Das Liniendiagramm LW-I-1 "Verschiebungen agrarphänologischer Phasen" zeigt den beobachteten mittleren Zeitpunkt des Blühbeginns von Winterraps und vom frühreifenden Apfel als kalendarischen Tag ab Jahresbeginn. Beide Zeitreihen zwischen von 1970 bis 2021 zeigen mit jährlichen Schwankungen einen signifikant fallenden Trend. Während der Blühbeginn des Winterrapses und des frühreifenden Apfels 1970 noch um den 140. Tag des Jahres eintraten, lag der Zeitpunkt 2021 etwa beim 120. kalendarischen Tag.
LW-I-1: Verschiebung agrarphänologischer Phasen

Das Liniendiagramm LW-I-1 "Verschiebungen agrarphänologischer Phasen" zeigt den beobachteten mittleren Zeitpunkt des Blühbeginns von Winterraps und vom frühreifenden Apfel als kalendarischen Tag ab Jahresbeginn. Beide Zeitreihen zwischen von 1970 bis 2021 zeigen mit jährlichen Schwankungen einen signifikant fallenden Trend. Während der Blühbeginn des Winterrapses und des frühreifenden Apfels 1970 noch um den 140. Tag des Jahres eintraten, lag der Zeitpunkt 2021 etwa beim 120. kalendarischen Tag. Dies entspricht dem 30. April beziehungsweise in Schaltjahren dem 29. April.

Quelle: DWD (Phänologisches Beobachtungsnetz)

Frühjahrskulturen starten immer früher

Die landwirtschaftliche Nutzung ist wie kaum eine andere Nutzung in die natürlichen jahreszeitlichen Rhythmen eingebunden. Die in der Landwirtschaft Tätigen müssen mit der Bewirtschaftung der jeweiligen Kulturen auf die jährlich wechselnden Witterungsbedingungen und die jeweils aktuellen Wetterverhältnisse reagieren. Witterungsveränderungen können sich sowohl positiv als auch negativ auf die Kulturen auswirken. So fördern höhere Wärmesummen bei ausreichender Wasserversorgung das Wachstum bestimmter Kulturarten. Zu hohe Temperaturen oder Trockenheit wiederum können Ertrags- oder Qualitätseinbußen beispielsweise durch ein zu frühes Abreifen von Getreide zur Folge haben.
Der ⁠Klimawandel⁠ hat Auswirkungen auf den jahreszeitlichen Witterungsverlauf und dies wiederum beeinflusst den jahreszeitlichen Entwicklungsgang landwirtschaftlicher Kulturen. Für das Frühjahr werden steigende Temperaturen erwartet, die Sommer können trockener und heißer werden, die Winter sind bereits wärmer und feuchter. Vereinfachte Rückschlüsse auf die Höhe, Qualität und Stabilität von Erträgen lassen sich daraus nicht ziehen, denn je nach landwirtschaftlicher Kultur und Fruchtfolge können die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen unterschiedlich sein. Vor allem gibt es auch große regionale Unterschiede.
Die Veränderung natürlicher jahreszeitlicher Rhythmen und die damit verbundenen zeitlichen Verschiebungen in der Entwicklung von Pflanzen werden seit vielen Jahren anhand sogenannter phänologischer Beobachtungen dokumentiert. Erfasst wird dabei bundesweit das Eintreten bestimmter periodisch wiederkehrender biologischer Erscheinungen wie Blatt- und Knospenaustrieb, Blüte, Fruchtreife oder Blattfall. Das phänologische Beobachtungsnetz des ⁠DWD⁠ schließt neben Wildpflanzen auch landwirtschaftliche Kulturen und Bewirtschaftungsgänge ein und gibt damit Hinweise auf die Folgen für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung, denn aus den Veränderungen der jahreszeitlichen Witterungsverläufe ergeben sich neue Herausforderungen für die Landwirtschaft. Die Betriebe müssen die Wahl der Fruchtart und -sorte, die Fruchtfolgen und die Terminierung der Bewirtschaftungsgänge auf die neuen Verhältnisse abstimmen.

Der Beginn der Blüte von Apfel und Winterraps markiert in Deutschland den Frühlingsbeginn. Beide Blühzeitpunkte sind unabhängig von vorherigen Einflüssen der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung wie beispielsweise dem Zeitpunkt der Aussaat. Äpfel sind Dauerkulturen, und der Winterraps wird bereits im Vorjahr, spätestens Anfang September, gesät. Der Blühzeitpunkt steht daher in unmittelbarem Zusammenhang mit klimatischen Faktoren, vor allem den Wärmesummen, die in den ersten Monaten des neuen Jahres erzielt werden.
Je nach Witterungsverlauf schwanken die Zeitpunkte des Blühbeginns von Apfel und Winterraps von Jahr zu Jahr teilweise erheblich. Die Unterschiede zwischen den Jahren können bis zu drei Wochen betragen. Über die letzten etwas mehr als fünfzig Jahre hinweg betrachtet zeigt sich aber bei beiden Kulturen ein signifikanter Trend zu einem früheren Blühbeginn. Im Vergleich zu den 1970er-Jahren blühten im Mittel der letzten zehn Jahre der Winterraps um 18 Tage, der Apfel um 15 Tage früher.
Im Obstbau kann die frühe Blüte das Risiko von Spätfrostschäden erhöhen: Wenn durch warme Frühjahrstemperaturen die Blüte und Fruchtbildung bereits weit vorangeschritten sind und es dann zu spätem Frost kommt, können die Frostschäden zu erheblichen Ernteausfällen bis hin zu Totalverlust führen. Im Jahr 2016 kam es in den letzten Apriltagen zu einem nochmaligen und sehr heftigen Wintereinbruch mit Schneefall von Südskandinavien bis in den Alpenraum. Auch wenn dieses Jahr mit Blick auf die phänologische Zeitreihe der Apfelblüte nicht als extrem hervortritt, waren die Schäden dennoch aufgrund des sehr späten Spätfrostes immens. Auch im darauffolgenden Jahr 2017 erfasste zwischen dem 17. April und dem 10. Mai 2017 späte Kälte mit zahlreichen Frostnächten große Teile Europas. Aufgrund der vorausgegangenen warmen ⁠Witterung⁠ von März bis Anfang April war in diesem Frühjahr die Vegetation schon vergleichsweise weit entwickelt. Im Obstbau waren in diesem Jahr weniger die Blüten betroffen, die teilweise bereits abgeblüht waren, als vielmehr die jungen Früchte, die allerdings noch deutlich frostempfindlicher sind als die Blüten. Beim Baumobst nahm das Schadenausmaß regional ein katastrophales Ausmaß an. Zu Spätfrösten und Ertragsausfällen kam es auch im Jahr 2020 durch einen frostigen Mai und in 2021 durch mehrere aufeinanderfolgende Frostnächte im April 2021.
Vielerorts reagieren die Obstbaubetriebe bereits auf diese Entwicklung und führen vermehrt Frostschutzberegnungen durch, bei denen die Pflanzen gezielt mit sehr feinen Wassertröpfchen besprüht werden. Beim Gefrieren des Wassers wird Kristallisationswärme freigesetzt, die Blätter und Blüten vor Frostschäden schützt. Allerdings werden für die Frostschutzberegnung mit 30.000 Liter pro Hektar und Stunde sehr große Wassermengen benötigt, für die riesige Vorratsspeicher angelegt werden müssen. Dies setzt der Frostschutzberegnung auch aus Nachhaltigkeitserwägungen Grenzen. Nachhaltiger ist die Pflanzung weniger frostempfindlicher Sorten in den gefährdeten Lagen.
Beim Winterraps stellt sich die Situation hingegen anders dar. Hier kann die frühe Blüte mit Vorteilen für das Management von Schadorganismen und die Fruchtfolge verbunden sein. Der Befall von Winterraps mit dem Rapsglanzkäfer kann aufgrund der steigenden Winter- und Frühjahrstemperaturen zunehmen (siehe ⁠IndikatorLW-I-4). Der Einsatz frühblühender Sorten kann ein Instrument sein, um dem Befall im empfindlichen Knospenstadium vorzubeugen. Auch aus diesem Grunde werden in der Landwirtschaft zunehmend die frühblühenden Winterrapssorten bevorzugt. Da bei den phänologischen Beobachtungen aber die jeweilige Sorte nicht berücksichtigt werden kann, schlagen sich die Effekte von Veränderungen bei der Sortennutzung auch in den im Rahmen der phänologischen Beobachtungen erfassten Blühzeitpunkten nieder. Der Indikator ist damit Impact- und Response-Indikator zugleich. Er bildet inzwischen deutlich die beschriebenen kombinierten Effekte ab.