DAS-Handlungsfeld Landwirtschaft

Das Bild zeigt eine trockene Ackerfläche, über die ein Traktor fährt. Aufgrund der Trockenheit wirbelt das Fahrzeug große Staubwolken auf. Im Hintergrund ist eine bewaldete Hügelkette zu erkennen.zum Vergrößern anklicken
DAS-Handlungsfeld Landwirtschaft
Quelle: Johan Larson / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

Inhaltsverzeichnis

 

Zur Bedeutung des Handlungsfelds

Mehr als die Hälfte der Fläche Deutschlands wird landwirtschaftlich genutzt. Das bedeutet, dass die Landwirtschaft schon allein aufgrund des Flächenumfangs ein immenses Potenzial hat, die Landschafts- und Biotopstrukturen im Sinne einer „guten“ Klimawandelanpassung zu gestalten. Zugleich sind die Landwirtschaft und die damit verbundenen Vorleistungen und Investitionen sowie die an die landwirtschaftliche Produktion gebundene Ernährungsindustrie und Bioökonomie von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung. Im globalen Maßstab ist der ⁠Klimawandel⁠ inzwischen zu einem relevanten Risikofaktor für die Ernährungssicherheit geworden. In vielen Ländern des Südens kämpfen die Landwirtschaft Betreibenden mit ausgeprägten Dürren und anderen Extremereignissen. Aber auch in Deutschland gibt es inzwischen Regionen, in denen eine produktive und nachhaltige Landwirtschaft möglicherweise nicht mehr wie bisher möglich ist.
Um auch unter Klimawandelbedingungen die Produktionsleistung der Landwirtschaft aufrechtzuerhalten, ist Anpassung in vielen Bereichen der Landwirtschaft, aber auch im Ernährungsverhalten und in der Lebensmittelverarbeitung erforderlich.
Aufgrund der engen Verflechtungen zwischen Landwirtschaft, (hochwertiger) Ernährung und Gesundheit propagieren die ⁠UN⁠ Organisationen für Gesundheit (⁠WHO⁠), Tiergesundheit (WOAH), Umwelt (⁠UNEP⁠) sowie Ernährung und Landwirtschaft (FAO) das „One Health Konzept“. Es gilt inzwischen als handlungsleitendes Prinzip in der globalen Gesundheitspolitik und soll auch dazu dienen, sowohl die landwirtschaftliche Produktion als auch die Ernährung im globalen Maßstab nachhaltiger zu gestalten.

 

DAS-Monitoring – was im Klimawandel passiert

Die landwirtschaftliche Bewirtschaftung ist in erheblichem Maße von der europäischen und deutschen Agrarpolitik sowie den internationalen Agrar- und Inputmärkten beeinflusst. Daher lassen sich beobachtbare und mit Daten erfassbare Veränderungen in diesem Sektor in der Regel nicht eindeutig mit dem ⁠Klimawandel⁠ in ursächlichen Zusammenhang bringen. Monitoringdaten müssen stets vor dem Hintergrund der agrarpolitischen Rahmen- und Marktbedingungen und einzelbetrieblicher Entscheidungen interpretiert werden.
Dass der Klimawandel für die Landwirtschaft relevant ist, zeigt sich unmittelbar an der Veränderung der agrarphänologischen Phasen (siehe ⁠IndikatorLW-I-1). So trat die Blüte des Winterraps in den zurückliegenden zehn Jahren im bundesweiten Durchschnitt um rund 18 Tage früher ein als im Mittel des Zeitraums 1971–1980, die des Apfels um rund 15 Tage. Auch der Wein treibt früher im Jahr aus. Die ⁠Vegetationsperiode⁠ wird länger. Diese Veränderungen bergen für die Landwirtschaft und den Gartenbau Risiken und Chancen zugleich.
In der Landwirtschaft „arbeitet“ man seit jeher mit der ⁠Witterung⁠ und versucht, sich bestmöglich an die aktuellen Bedingungen und beobachteten Veränderungen anzupassen. Auch im Klimawandel gibt es zahlreiche Anpassungsmöglichkeiten, um Beeinträchtigungen von Kulturen zu vermeiden oder zu verringern, Risiken zu senken oder auch neue Chancen zu nutzen. Viele Entwicklungen von Klimawandelfolgen in der Landwirtschaft, die mit den Impact-Indikatoren des ⁠DAS⁠-Monitorings beschrieben werden, sind daher bereits das Ergebnis vorbeugender und umsichtiger Anpassungsbemühungen, beschreiben also nicht allein die isolierten Klimawandeleffekte. Dass die versicherten (um Inflationseffekte und steigende Versicherungssummen bereinigten) Hagelschäden in sensiblen landwirtschaftlichen Kulturen zwischen 1980 und 2021 nicht angestiegen sind (siehe Indikator LW-I-3), kann daran liegen, dass schwere Hagelereignisse in diesem Zeitraum nicht zugenommen haben oder die Hagelzüge landwirtschaftliche Kulturen nicht getroffen haben, aber auch daran, dass die Betriebe Schutzmaßnahmen (wie die Etablierung von Hagelschutznetzen) ergriffen haben, um die Schäden effektiv vermeiden oder verringern zu können.
Es sind vor allem die Unberechenbarkeiten der jährlichen Witterungsverhältnisse, die es den Landwirtschaftsbetrieben schwer machen, sich ausreichend oder auch rechtzeitig anzupassen. Extremereignisse oder auch unerwartete Witterungskonstellationen können selbst eine solide und vorsorgende betriebliche Planung überfordern. Mittel- und langfristig absehbare Trends wie steigende Temperaturen, zunehmende Trockenheit im Frühjahr oder auch die Begünstigung bestimmter Schadorganismen durch eine sich verändernde Witterung (siehe Indikator LW-I-4) lassen sich durch die Wahl besser angepasster Sorten und Fruchtarten in die betrieblichen Strategien integrieren. Bei einigen Fruchtarten steigen die Erträge – auch infolge der weiterhin zunehmenden Intensivierung in der Landwirtschaft und als Ergebnis eines vorausschauenden betriebswirtschaftlichen Handelns – nach wie vor an. Es gibt allerdings inzwischen auch Fruchtarten, deren Erträge stagnieren. Immer wieder gibt es mehr oder weniger starke Schwankungen in der Ertragshöhe und -qualität (siehe Indikator LW-I-2). In einem Jahr kommt es durch überraschend günstige Witterungsverhältnisse zu unerwartet hohen Erträgen, im anderen Jahr durch Extremwetterereignisse zu erheblichen Ertragseinbußen. Beides bringt Herausforderungen für die landwirtschaftlichen Betriebe mit sich und macht die Abläufe (zunehmend) schwer planbar.

 

Die künftigen Klimarisiken – Ergebnisse der KWRA

Die Untersuchungen im Rahmen der Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 im Handlungsfeld „Landwirtschaft“ ergaben bereits zur Mitte des Jahrhunderts ein hohes Risiko für abiotischen Stress und Ertragsausfälle. Bis zum Ende des Jahrhunderts wird zusätzlich ein hohes Risiko für eine hitzebedingte Minderung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Nutztieren erwartet. Die Risiken für eine Qualitätsverschlechterung der Ernteprodukte, Stress durch Schädlinge und Krankheiten sowie die Verschiebung von Anbaugebieten und der agrophänologischen Phasen werden bis zur Mitte und zum Ende des Jahrhunderts als mittel (in einem Bewertungsraster gering – mittel – hoch) eingeschätzt. Die Gewissheit bei der Risikobewertung von fast allen Klimawirkungen ist mittel bis hoch, nur die Einschätzungen zum Stress durch Schädlinge und Krankheiten und zu den Ertragsausfällen sind mit größeren Unsicherheiten verbunden.
In Zukunft werden vor allem auch Flächen- und Wassernutzungskonflikte die Rahmenbedingungen der landwirtschaftlichen Produktion bestimmen.

 

Wo haben wir Daten- und Wissenslücken?

Mit den ⁠DAS⁠-Monitoringindikatoren lassen sich viele relevante Auswirkungen des Klimawandels auf Landwirtschaft und Gartenbau bisher nicht hinreichend beschreiben. Trotz regelmäßiger agrarstruktureller Erhebungen ist die Datengrundlage in einigen Themenfeldern nicht ausreichend. Viele betriebliche Daten unterliegen zudem dem Datenschutz (hierzu gehören unter anderem auch Versicherungsdaten), oder Daten ließen sich nur mit einem sehr großen Aufwand auswerten (wie die Dokumentationen der Betriebe zur Pflanzenschutzmittelanwendung).
Landwirtschaftliche Schäden infolge von Hochwasser, Stürmen, ⁠Dürre⁠ und Spätfrost lassen sich bisher nicht systematisch und bundesweit erfassen, weil in der Forschung hoch aufgelöste, flächendeckende Ertragsdaten fehlen und die Versicherungsdichte in der landwirtschaftlichen Mehrgefahrenversicherung bundesweit noch zu gering ist, um repräsentative Aussagen aus Versicherungsdaten ableiten zu können. Selbst bei einer deutlich steigenden Versicherungsdichte wird es noch mehrere Jahre dauern, um statistisch gesicherte Aussagen treffen zu können.
Wissenslücken bestehen auch im Hinblick auf die Qualität von Ernteprodukten, die durch Klimawandelfolgen beeinflusst werden kann. Neben Hitze und Trockenheit spielt auch die ⁠CO2⁠-Konzentration eine Rolle. Sie könnte den Nährwert der Pflanzen verringern. Beim Weizen hat sie vermutlich auch Einfluss auf die Backqualität. Das Thema rückt zunehmend in das wissenschaftliche Interesse. Die Besondere Ernteermittlung und Qualitätsermittlung wird in jedem Jahr auf landwirtschaftlichen Betrieben durchgeführt. Bei Getreide und Raps werden in diesem Rahmen auch Beschaffenheitsmerkmale wie Inhaltsstoffe und Verarbeitungseigenschaften ermittelt. Für eine Interpretation solcher Daten im Klimawandelzusammenhang sind aber ein besserer Datenzugang für die Forschung und noch mehr Wissen notwendig.
Eine besonders große Kenntnislücke gibt es bezüglich der Klimawandelfolgen für die Nutztierhaltung. Datenquellen auf Bundesebene fehlen vor allem zur Tiergesundheit. Daten der Veterinärämter, der Schlachthöfe oder auch Tierbeseitigungsanlagen lassen sich nicht zentral abrufen und auswerten. Leistungsparameter wie die erzeugten Milchmengen sind in Abhängigkeit besonderer Wetterereignisse und Witterungsverhältnisse nur dann interpretierbar, wenn Details zu den Haltungsbedingungen bekannt sind. So zeigten Analysen im Rahmen der KWRA 2021, dass die Anzahl der Tage mit ⁠Hitzestress⁠ für Milchkühe, Schweine und Geflügel in Zukunft deutlich zunehmen könnte. Vor allem bei den in Ställen gehaltenen Tieren lassen sich keine Aussagen zu den tatsächlichen Auswirkungen treffen, da viele Stallanlagen klimatisiert sind. Ferner können Bemühungen um eine Verbesserung des Tierwohls den nachteiligen Auswirkungen von Hitze entgegenwirken.

 

Was getan wird – einige Beispiele

Die Landwirtschaft hat zahlreiche Möglichkeiten, auf den ⁠Klimawandel⁠ zu reagieren. Entscheidend sind die Wahl der Kulturarten und Sorten (siehe Indikatoren LW-R-2 + LW-R-3 und LW-R-4) und die Form der Bewirtschaftung (siehe Indikatoren LW-R-1 und LW-R-5). Schwieriger ist eine kurzfristige Anpassung bei Dauerkulturen, da hier länger vorausschauende betriebliche Entscheidungen getroffen werden müssen. Vergleichbares gilt auch für einjährige Kulturarten, wenn diese spezifische Bewirtschaftungstechniken und damit verbundene Investitionen voraussetzen oder an bestimmte Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen gebunden sind. Auch der Aufbau einer Bewässerungsinfrastruktur (siehe ⁠IndikatorLW-R-6) setzt wohlüberlegte Investitionen sowie die Verfügbarkeit von und den Zugang zu Wasserressourcen voraus.
Auf Bundesebene zielen Anpassungsaktivitäten darauf ab, die Wissensgrundlagen für die landwirtschaftlichen Betriebe zu verbessern. Mit dem Aufbau von Bundesbodeninformationssystemen und der Verbesserung der agrarmeteorologischen Beratung (unter anderem mit der Agrarmeteorologischen Beratungssoftware AMBER) sollen Landwirtschaftsbetriebe differenzierte Informationen erhalten, um ihre Bewirtschaftung gezielter an die sich verändernden Bedingungen anpassen zu können. Die Anfang 2023 von der Bundesregierung verabschiedete „Zukunftsstrategie Forschung und Innovation“ legt in Mission 2 „Klimaschutz, Klimaanpassung, Ernährungssicherheit und Bewahrung der ⁠Biodiversität⁠ voranbringen“ einen besonderen Fokus auf die Förderung der Pflanzenforschung. Resistente und auch unter ⁠Trockenstress⁠ ertragssichere Sorten sind erforderlich, um die globale Ernährung zu sichern106 106. Mit der Förderinitiative „Agrarsysteme der Zukunft“ unterstützt das ⁠BMBF⁠ die Entwicklung neuer Wege für eine nachhaltige Gestaltung der Agrarproduktion unter Bedingungen des Klimawandels107.
Ein wichtiger Hebel auf Bundes- und auch Länderebene ist die Agrarförderung. Die neue Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) startete nach zwei Übergangsjahren 2021 und 2022 im Januar 2023. Gemäß der GAP-Strategieplan-Verordnung musste erstmals jeder EU-Mitgliedstaat unter Berücksichtigung des auf EU-Ebene gesetzten Rahmens einen Nationalen GAP-Strategieplan erstellen, der festlegt, wofür die Geldmittel verwendet werden. Das ⁠BMEL⁠ hat diesen in enger Abstimmung mit den Bundesressorts, den Ländern sowie Verbänden und Interessengruppen ausgearbeitet. Für die aktuelle GAP-Förderperiode wurde eine neue Konditionalität eingeführt. Bei der Konditionalität handelt es sich um allgemeine Grundanforderungen, die alle landwirtschaftlichen Betriebe erfüllen müssen, um Agrarförderung zu erhalten. Zu diesen Grundanforderungen gehört die Einhaltung der Standards für einen guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ-Standards). Diese sollen verstärkt zum ⁠Klimaschutz⁠, zur ⁠Anpassung an den Klimawandel⁠, zur Bewältigung zahlreicher Probleme im Bereich Wasser, zum Schutz des Bodens sowie der Bodenqualität und zur Stärkung der Biodiversität beitragen.
Auch die Förderung des ökologischen Landbaus kann die Anpassung unterstützen, da die im Ökolandbau praktizierten Bewirtschaftungsformen wie diversifizierte Pflanzenbausysteme, vielfältige Fruchtfolgen und kontinuierliche Bodenbedeckung die Widerstandsfähigkeit und ⁠Resilienz⁠ der Agrarökosysteme stärken können. Zum Umgang mit Klimarisiken in der Landwirtschaft bedarf es aber auch weitreichender Veränderungen der Märkte und der Veränderungsbereitschaft auf der Nachfrageseite hinsichtlich Produktwahl und Preisen, nicht zuletzt da Betrieben höhere Kosten entstehen können.
Ein Ansatz zur Minderung des wirtschaftlichen Risikos in der Landwirtschaft sind die Entwicklung und das Angebot angemessener Versicherungslösungen. Mit der Gewährung eines stark ermäßigten Steuersatzes von nur noch 0,3 Promille der Versicherungssumme wurden 2013 bereits attraktivere Bedingungen für landwirtschaftliche Mehrgefahrenversicherungen geschaffen, indem zusätzlich zum Hagel auch die Risiken Sturm, Starkfrost, ⁠Starkregen⁠ und Überschwemmungen in die Begünstigung einbezogen wurden. Anfang 2020 wurde die Regelung um die Elementargefahr ⁠Dürre⁠ erweitert. Da die Prämien für Mehrgefahrenversicherungen aber überwiegend sehr hoch sind, werden in mehreren EU-Staaten an Landwirtschaftsbetriebe inzwischen Zuschüsse für die Versicherung gezahlt. Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen fördern aktuell aus Landes- und / oder EU-Mitteln Mehrgefahrenversicherungen vornehmlich bei Sonderkulturen, indem ein Teil der Versicherungsprämien durch öffentliche Zahlungen übernommen wird. Niedersachsen plant zusammen mit Bremen und Hamburg die Einführung einer Förderung ab 2024.

 

106 - BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung 2023: Zukunftsstrategie Forschung und Innovation. https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/zukunftsstrategie-forschung-innovation-2163454

106 - BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung 2023a: Zukunftsstrategie Forschung und Innovation. https://www.bmbf.de/bmbf/de/forschung/zukunftsstrategie/zukunftsstrategie.html

107 - Informationen des BMBF zum Vorhaben „Agrarsysteme der Zukunft – gemeinsam gestalten“: https://agrarsysteme-der-zukunft.de

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