DAS-Handlungsfeld Menschliche Gesundheit

Das Bild zeigt das Gesicht einer Frau mit Schweißperlen in der Sommerhitze. Die Frau hält die Hand an die Stirn. Links im Bild ist ein Thermometer abgebildet, das 40 °C Lufttemperatur anzeigt.zum Vergrößern anklicken
DAS-Handlungsfeld Menschliche Gesundheit
Quelle: Jürgen Fälchle / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

Inhaltsverzeichnis

 

Zur Bedeutung des Handlungsfelds

Die Weltgesundheitsorganisation (⁠WHO⁠) bezeichnet den ⁠Klimawandel⁠ als „die größte Gesundheitsbedrohung für die Menschheit“: In vielen Ländern des globalen Südens verschärft der Klimawandel die ohnehin bestehenden Probleme von Hunger und unzureichendem Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels werden aber auch in Deutschland größer und treffen aufgrund des demographischen Wandels auf eine alternde Gesellschaft.
Daher hat sich der Klimapakt Gesundheit in 2022 in einer gemeinsamen Erklärung zu seiner gemeinsamen Verantwortung bekannt, den negativen gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels zu begegnen und das Gesundheitswesen einschließlich der Pflege im Sinne von Klimaanpassung, ⁠Klimaschutz⁠ und ⁠Nachhaltigkeit⁠ weiterzuentwickeln.9

 

DAS-Monitoring – was im Klimawandel passiert

Extreme ⁠Wetter⁠- und Witterungssituationen haben unmittelbaren Einfluss auf die Gesundheit. Seit den 1980er-Jahren zeichnet sich ein Trend zunehmender Hitzeextreme ab (siehe ⁠IndikatorGE-I-1). Im Extremfall können Hitzewellen tödlich sein. So gab es in Deutschland allein zwischen 2018 und 2020 geschätzte 19.300 Tote infolge von Hitze (siehe Indikator GE-I-2). In den letzten drei Dekaden lässt sich ein leichter Rückgang des Effekts von hohen Temperaturen auf die Mortalität feststellen.
Neben den hitzebedingten Gesundheitsschäden gehören auch Pollenallergien, Erkrankungen wie Hautkrebs infolge von UV-Strahlung sowie Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen durch Luftschadstoffe zu den (nichtinfektiösen) Krankheiten, die mit dem ⁠Klimawandel⁠ in Zusammenhang stehen. Allergien zählen heute zu den am häufigsten auftretenden chronischen Erkrankungen in Deutschland. Dabei sind Pollenallergien besonders bedeutsam. Klimatische Veränderungen haben Einfluss auf die Pollensaison und die Intensität der Pollenbelastung. Birkenpollen führen neben den Gräserpollen die „Hit-Liste“ der Sensibilisierungen in der deutschen Bevölkerung an. Für die Birke sind die Zusammenhänge mit dem Klimawandel inzwischen auch intensiver erforscht worden. Vor allem im östlichen Teil Deutschlands ist die Pollenkonzentration seit Beginn der Messungen im Jahr 1995 angestiegen (siehe Indikator GE-I-3). Die Pollenkonzentration der eingeschleppten, hochallergenen Ambrosie (siehe Indikator GE-I-4) zeigt bisher keinen Trend, im östlichen Deutschland werden aber immer wieder bedenkliche Spitzenwerte erreicht, unter anderem durch Ferntransporte aus den südöstlichen Nachbarländern und / oder durch regionale Pflanzenbestände.
In den Fällen von UV-Strahlung (siehe Indikator GE-I-8) und Luftschadstoffen – hier insbesondere dem bodennahen Ozon (siehe Indikator GE-I-9) – sind die Zusammenhänge mit dem Klimawandel komplex und noch nicht vollständig verstanden. In beiden Fällen spielen aber die veränderten Strahlungsverhältnisse beziehungsweise die veränderte Strahlungsintensität eine relevante Rolle: Das Gesundheitsrisiko durch UV-Strahlung erhöht sich mit vermehrter Einstrahlung deutlich. Die photochemische Ozonbildung wird vor allem während langanhaltenden Schönwetterperioden angeheizt. Beide Themen wurden vor diesem Hintergrund nun erstmalig in den Monitoringbericht aufgenommen.
Auch für Infektionskrankheiten werden Zusammenhänge mit dem Klimawandel beschrieben. Für tierische Überträger von Infektionserregern wie Stechmücken, Zecken oder Nagetiere können sich unter veränderten Klimabedingungen unter Umständen die Lebensbedingungen verbessern. Dies gilt auch für die Infektionserreger selbst, sodass die Infektionsrisiken für Mensch und Tier steigen. Ein Beispiel sind Tigermücken, die gefährliche Krankheitserreger übertragen können. Sie breiten sich mit der wärmeren ⁠Witterung⁠ zunehmend aus und sind in der Lage, zu überwintern und Populationen aufzubauen (siehe Indikator GE-I-5).
Analog zum Indikator Belastung mit ⁠Cyanobakterien⁠, der die Gefahren beim Baden in Seen beschreibt (siehe Indikator GE-I-6), wird nun im ⁠Monitoring⁠ auch ein Indikator zur Gesundheitsgefährdung durch Vibrionen für Badende im Meer (siehe Indikator GE-I-7) präsentiert. Vor allem in Jahren mit langanhaltenden Hitzewellen kommt es zu bemerkenswert hohen Belastungen, die die Risiken für die Badegäste deutlich erhöhen.

 

Die künftigen Klimarisiken – Ergebnisse der KWRA

Den Ergebnissen der Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 zufolge besteht bei den gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Hitze bereits heute ein hohes Risiko. Bis zur Mitte des Jahrhunderts werden hohe Risiken auch für gesundheitliche Beeinträchtigungen durch luftgetragene Allergene und UV-Belastung erwartet. Bis zum Ende des Jahrhunderts wird zusätzlich ein hohes Risiko für Atembeschwerden infolge von Luftverunreinigungen gesehen, wobei diese Einschätzung mit geringer Gewissheit verbunden ist.
Die KWRA 2021 analysierte auch die Auswirkungen auf das Gesundheitssystem. Bis zum Ende des Jahrhunderts wird auch hier ein hohes Risiko erwartet. Dies bedeutet, dass vermutlich, aber mit geringer Gewissheit, ein deutlich erhöhter Anpassungsbedarf auf das System zukommt.
Das Risiko für die (weitere) Verbreitung von Vektororganismen sowie von potenziell schädlichen Mikroorganismen und Algen wird bis zur Mitte des Jahrhunderts als mittel (in einem Bewertungsraster gering – mittel – hoch) bewertet, mit geringer Gewissheit bei dieser Einschätzung. Dieses Risiko könnte zu einem Ansteigen der Inzidenz von bestimmten (vektorübertragenen) Infektionskrankheiten führen.
Das Risiko für die Zunahme von Verletzungen und Todesfällen infolge von Extremereignissen wird – mit geringer Gewissheit – bis zum Ende des Jahrhunderts als mittel bewertet.

 

Wo haben wir Daten- und Wissenslücken?

Mit dem Monitoringbericht 2023 konnte das Spektrum der für das Handlungsfeld „Menschliche Gesundheit“ dargestellten Themen deutlich erweitert werden. Es bleibt aber nach wie vor schwierig, die tatsächliche Betroffenheit umfassend abzubilden. Mit den Hitzetoten sind nur die extremsten Folgen von Hitzewellen erfasst, die sehr viel häufigeren hitzebedingten Erkrankungen können mangels Daten nicht quantifiziert werden. Im Falle anderer nichtinfektiöser und infektiöser Krankheiten ist es schwierig, unmittelbare kausale Zusammenhänge mit Klimawandelfolgen aufzuzeigen, oder die verfügbaren Daten lassen sich nicht kausal zuordnen. Deshalb liegt der Fokus der ⁠Monitoring⁠-Indikatoren auf der Impact-Ebene auf der Beschreibung der potenziellen Risiken.
Trotz der thematischen Erweiterungen können mehrere relevante Klimarisiken im ⁠DAS⁠-Monitoring noch nicht angesprochen werden, weil es noch Forschungslücken gibt und geeignete Datenquellen für die Indikatorentwicklung fehlen. Aber auch für die angesprochenen Themen sind Verbesserungen der Datengrundlagen erforderlich. So sieht der Hitzeschutzplan des Bundesministeriums für Gesundheit (⁠BMG⁠) vom Juli 2023 die Verbesserung der Evidenz zur gesundheitlichen Auswirkung von Hitzewellen vor. Dies bezieht sich auf die hitzebezogene Mortalität und Morbidität. Des Weiteren mangelt es beispielsweise an systematisch und bundesweit erhobenen Daten zum Vorkommen und zur Verbreitung von Vektoren wie Mücken und Zecken und deren Durchseuchung mit Erregern.
Forschungsthema ist nach wie vor, wie und in welchem Umfang der ⁠Klimawandel⁠ die Qualität von Trinkwasser und Nahrungsmitteln beeinflusst und in Zukunft beeinflussen wird. Aktuell gearbeitet wird auch zum Thema Pilzinfektionen und deren Beeinflussung durch den Klimawandel10. Die Zusammenhänge zwischen dem Klimawandel und einer Zunahme von Antibiotikaresistenzen sind ebenfalls im Forschungsfokus.
Der Klimawandel und die Katastrophen, die in seiner Folge vermehrt und / oder verstärkt auftreten, bringen nicht nur Risiken für die physische Gesundheit (inklusive Verletzungen) mit sich, sondern können auch zu psychischen Belastungen und Störungen führen. Die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und psychischer Gesundheit sind jedoch noch nicht ausreichend erforscht, um hierzu schon konkrete Zahlen und Fakten präsentieren zu können.
Nicht zuletzt kann der Klimawandel hohe Kosten und neue fachliche und organisatorische Anforderungen für das Gesundheitswesen, beispielsweise das Gesundheitspersonal, Krankenhäuser, Rettungsdienste oder Krankenkassen bedeuten. Auch hier besteht weiterer Forschungsbedarf.

 

Was getan wird – einige Beispiele

Im Zentrum von Anpassungsbemühungen im Bereich Gesundheit stehen auf Bundesebene die Vernetzung von Akteursgruppen, geeignete politische Rahmensetzungen, die Unterstützung der Kommunen, das ⁠Monitoring⁠ sowie die Forschung und ein Wissenschaft-Praxis-Transfer. Zudem engagiert sich der Bund stark für Information und Aufklärung, um die Bürger*innen und insbesondere die vulnerablen Gruppen wie Ältere oder Vorerkrankte zu einem adäquaten Selbstschutz zu motivieren und zu befähigen.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) informiert seit 2021 über das Internetportal klima-mensch-gesundheit.de zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit. Auf der Website finden Bürger*innen auch qualitätsgeprüfte Verhaltens- und Handlungsempfehlungen zu Hitze- und UV-Schutz. Das ⁠UBA⁠ informiert, unter anderem zusammen mit dem ⁠DWD⁠, insbesondere zu den Themen Hitze11 sowie Luft- und Wasserverunreinigungen. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) informiert zu UV-Strahlung, deren Wirkung und Beeinflussung durch den ⁠Klimawandel⁠ sowie zu möglichen Schutzmaßnahmen. Von zunehmender Bedeutung sind Apps und gezielt versandte Newsletter, die über Risiken informieren (siehe ⁠IndikatorGE-R-1) und zusätzlich individuell zugeschnittene Handlungsempfehlungen geben (siehe Indikator GE-R-3). Die intensive Öffentlichkeitsarbeit zeigt bereits Wirkung. So ist das Bewusstsein in der Bevölkerung, dass Hitze die Gesundheit und das Wohlbefinden beeinträchtigen kann, gestiegen (siehe Indikator GE-R-2).
Monitoring und die systematische, kontinuierliche Beobachtung des Krankheitsgeschehens (Surveillance) sind wesentlich, um aktuelle und künftige Gesundheitsrisiken besser einschätzen zu können. Der DWD leistet mit seinem Schwerpunkt Klimamonitoring und Wetterbeobachtung sowie Klimaprojektionen wichtige Beiträge. Das BfS koordiniert die Überwachung der UV-Strahlung, das UBA erhebt Daten zur Luftqualität und führt diese mit Länderdaten zusammen. Zudem untersucht das UBA die Auswirkungen des Klimawandels auch auf Zecken, Nagetiere und Stechmücken und die durch diese übertragbaren Krankheitserreger. Das UBA stellt dabei ein Modell zur bundesweiten Hantavirusprognose zur Verfügung und erarbeitet außerdem Maßnahmen zum nachhaltigem Management von Vektoren. Das Robert Koch-Institut (⁠RKI⁠) monitort seit 2023 im Sommer wöchentlich die hitzebezogene Übersterblichkeit, ist verantwortlich für die Umsetzung des Meldewesens nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) und entwickelt die Surveillance nichtübertragbarer Krankheiten und gesundheitsbezogene Risikoprofile weiter. Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) ist im Monitoring von Vektororganismen aktiv und betreibt zusammen mit dem Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) den Mückenatlas (siehe Indikator GE-R-4).
Das RKI gibt im 2023 veröffentlichten Sachstandsbericht „Klimawandel und Gesundheit“ einen umfassenden wissenschaftlichen Überblick über die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels und die Möglichkeiten, diesen entgegenzutreten. Dabei sind Beiträge einer großen Zahl von (behördlichen) Institutionen, Universitäten und Forschungseinrichtungen zusammengeflossen.12
Neben Information und Aufklärung bedarf es aber auch der Unterstützung von Gesundheitseinrichtungen. Hierfür hat das ⁠BMUV⁠ 2020 das Förderprogramm „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“ aufgelegt. Es unterstützt soziale Einrichtungen dabei, sich gegen die Folgen des Klimawandels wie Hitze, ⁠Starkregen⁠ oder Hochwasser zu wappnen. Die Laufzeit war zunächst bis 2023 begrenzt, die Förderung ist nun aber aufgrund der enormen Resonanz über 2023 hinaus bis 2026 verlängert worden. Ein Überblick über weitere Fördermöglichkeiten für Gesundheitseinrichtungen im Bereich Klimaanpassung, ⁠Klimaschutz⁠ und Ressourceneffizienz wurde im Auftrag des ⁠BMG⁠ für Deutschland erstellt13.
Großer Handlungsbedarf wird auf allen Ebenen, vom Bund bis zu den Kommunen, gesehen. Eine hohe Priorität besteht für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen, um Hitze- und UV-bedingten Auswirkungen sowie Erkrankungen vorzubeugen und Todesfälle zu reduzieren. Die vom BMUV geleitete Bund/Länder Ad-hoc Arbeitsgruppe „Gesundheitliche Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ hat unter der Federführung des UBA im Jahr 2017 Handlungsempfehlungen für die Ausarbeitung kommunaler Hitzeaktionspläne entwickelt. Das BMUV hat im März 2022 ein Sofortprogramm zur Klimaanpassung für Kommunen auf den Weg gebracht, mit dem auch die Entwicklung und Umsetzung von Hitzeaktionsplänen gefördert wird. Auf Wunsch der Länder und der kommunalen Spitzenverbände startet das im Auftrag des BMUV gegründete Zentrum für KlimaAnpassung (ZKA) zudem ein Beratungsprogramm zu Hitzeaktionsplänen. Mit dem HitzeService-Portal (hitzeservice.de) wurde im Auftrag des BMG eine Plattform geschaffen, die Kommunen zur Planung und Umsetzung von Hitzeschutzmaßnahmen konkret informiert und unterstützt.

 

9 - BMG – Bundesministerium für Gesundheit (Hg.) 2022: Klimapakt Gesundheit – gemeinsam für Klimaanpassung und Klimaschutz im Gesundheitswesen eintreten. Gemeinsame Erklärung des Bundesministeriums für Gesundheit, der Spitzenorganisationen im Gesundheitswesen sowie der Länder und kommunalen Spitzenverbände. Berlin, 7 S. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/G/Gesundheit/Erklaerung_Klimapakt_Gesundheit_A4_barrierefrei.pdf

10 - Rickerts V. 2019: Climate change and systemic fungal infections. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 62(5): 646–651. doi: 10.1007/s00103-019-02931-z

11 - Mücke H.-G., Matzarakis A. 2019: Klimawandel und Gesundheit: Tipps für sommerliche Hitze und Hitzewellen. Dessau-Roßlau, 10 S. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/klimawandel-gesundheit-tipps-fuer-sommerliche-hitze

12 - Adrian G., Dietrich M., Esser B., Hensel A., Isermeyer F., Messner D., Mettenleiter T.C., Paulini I., Riewenherm S., Schaade L., Tiesler R., Wieler L.H. 2023: Auswirkungen des Klimawandels auf Infektionskrankheiten und antimikrobielle Resistenzen – Teil 1 des Sachstandsberichts Klimawandel und Gesundheit 2023. Journal of Health Monitoring S3/2023. doi: 10.25646/11390

13 - Überblick über Fördermöglichkeiten zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung: https://www.pd-g.de/aktuell-im-fokus/nachhaltigkeit-im-gesundheitswesen

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