Krisenhotline - Hilfe in der Krise
Die Sorge um den Betrieb, Stress am Arbeitsplatz, Konflikte in der Familie, kritische Lebensereignisse – irgendwann wird es einfach zu viel, um mit Belastungen alleine fertig zu werden. Wir unterstützen Sie in solchen Situationen mit einer Krisenhotline.
Das Team unseres Kooperationspartners IVPNetworks, das aus erfahrenen Psychologen und psychiatrischen Fachpflegekräften zusammengesetzt ist, steht Ihnen rund um die Uhr mit einer telefonischen Krisenhotline beratend und anonym zur Seite.
Konkrete Hilfen sind möglich
Das Angebot der Krisenhotline geht über ein „Sorgentelefon“ weit hinaus.
Sie als SVLFG-Versicherter werden durch einen Mitarbeiter der Krisenhotline in Ihrer aktuellen Situation unterstützt. Zusammen besprechen Sie individuelle Lösungen, um eine möglichst langfristige Verbesserung zu erreichen.
Wenn Sie möchten, können Sie auch in geeignete Angebote Ihrer SVLFG weitervermittelt werden oder Sie entscheiden sich für ein Hilfsangebot einer regionalen Beratungsstelle.
Podcasts zum Thema
BR-Podcast
Hilfe, wenn die Seele streikt!
Interview mit Frau Heidi Perzl und dem Bayerischen Rundfunk.
Aktuelle Interviews - Gespräche mit Hintergrund
Hilfe, wenn die Seele streikt - Gespräch mit Heidi Perzl, Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau
BR: Was tun, wenn eine schwierige Situation auf einem Hof eintritt?
Da gibt es ja leider genügend Möglichkeiten, die man sich ausmalen kann: Krankheit, Depressionen, Tod von Angehörigen, Trennungen, Streit.
Und wer schon einmal in so einer Situation war, der weiß, wie es wichtig ist, dass man sich Rat von außen holt, dass man Hilfe bekommt.
In der Stadt, da gibt es Therapeuten, da gibt es Beratungsstellen. Aber auf dem Land ist es schwieriger Hilfe zu bekommen. Genau hier setzt die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Gartenbau an. Für die arbeitet Heidi Perzl, mit der bin ich jetzt verbunden.
Grüß Gott, Sie sind oft die erste Ansprechpartnerin, wenn ein Landwirt, eine Landwirtin in Not zum Hörer greift, Frau Perzl.
Perzl: Ja, ein herzliches Grüß Gott aus Landshut. Ja, wir sind oft die erste Stelle und so, wie Sie gesagt haben, die Gründe sind sehr unterschiedlich. Ganz oben steht der Generationskonflikt. Also zusammenleben und arbeiten auf dem Betrieb ist nicht immer einfach. Schwiegermutter, Schwiegertochter – da gibt es nach wie vor viel Streit. Da ruft die Schwiegertochter schon mal bei uns an und die Gespräche beginnen in etwa so: Vor 18 Jahren habe ich auf dem Betrieb eingeheiratet, ich habe Geld mitgebracht, ich bin fleißig, ich habe gesunde Kinder zur Welt gebracht und trotzdem kann ich nie was recht machen.“ Dann die Steigerung vom Ganzen: Die Schwiegermutter wird auch noch zum Pflegefall. In der Landwirtschaft ist es üblich, dass sehr häufig zu Hause gepflegt wird. Und dann wird erwartet, dass die Schwiegermutter zu Hause gepflegt wird und dann kommen die jungen Frauen schon mal an ihre Grenzen.
BR: Da ist ja quasi Leben und Arbeiten und Pflegen alles unter einem Dach. Da kommt man nie raus, da mehr Probleme an, als bei Menschen, die zum Arbeiten außer Haus gehen.
Perzl: Ja, aber für die sind wir, wie gesagt, Anlaufstelle. Wenn die Seele leidet, kann sich jeder Landwirt, oder Landwirtin oder egal wer aus der grünen Branche an uns wenden, da mit man dagegen wirken kann, damit jemand da ist, der zuhört und sich um einen kümmert. Weil es gibt Fälle, da leidet jemand schwer an Depression und es gibt einen Fall, da hat ein Landwirt einen schweren Unfall bei der Waldarbeit erlitten und kommt als Pflegefall nach Hause, die Frau muss sich jetzt alleine um den Betrieb, um die Schwiegereltern und die Kinder kümmern. Dass die Frauen dann viel Hilfe brauchen, das ist klar.
BR: Frau Perzl, da prasselt ja einiges auf Sie ein. Sie sitzen im Telezentrum der SVLFG, ist das eine telefonische Anlaufstelle, wo sich Leute hinwenden können?
Perzl: Ja, es ist eine erste Anlaufstelle, wo wir dann unsere Landwirte und Landwirtinnen erstmal beraten zu den unterschiedlichen Angeboten, die wir so haben.
BR: Gibt es denn eine Scheu sich bei Ihnen zu melden? So wie Sie das vorhin beschrieben haben, erinnert das ja fast ein bisschen an das 19. Jahrhundert, an die großen Tragödien von Ludwig Thoma, der alte Bauer wollte nicht übergeben, und ich kann mir nicht vorstellen, dass zu Thoma´s Zeiten jemand zur Beratung gegangen ist, hat sich da auch nicht viel geändert?
Perzl: Es ist schon so, dass die Scheu sehr groß ist, gerade zum Thema Psyche, zum Thema seelische Gesundheit in unserer Gesellschaft immer noch Tabuthemen sind, über die nicht so offen gesprochen wird.
Frauen tun sich mit diesem Schritt schon oft leichter oder Frauen sind da, die sich um Sorge um ihre Söhne und Ehemänner an uns wenden und sagen: Mein Mann, der ist leicht depressiv oder überarbeitet, der könnte unsere Hilfe gebrauchen.
BR: Also haben Sie tatsächlich Fälle, in denen Frauen anrufen und sagen: Ich möchte Ihnen kurz meinen Mann geben, der möchte mit Ihnen reden?
Perzl: Ja, so ungefähr. Und bei den Männern ist die Angst ziemlich groß als schwach zu gelten, was sehr schade ist. Wenn man sie aber erstmal am Telefon hat oder wenn es die Frau geschafft hat anzurufen, dann merkt man am Ende eines jeden Telefonats, wenn sie ihre Lebensgeschichte erzählt haben, so ein Telefonat dauert schon oft eine Stunde, anderthalb Stunden, es wird auch mal geweint, auch bei den Männern dann sind sie am Ende des Telefonats erleichtert, dass sie Hilfe geholt haben und können es kaum erwarten, dass ein Psychologe sich bei Ihnen meldet und sie ein Stück durch das Leben begleitet.
BR: Frau Perzl, wie läuft das denn überhaupt nach diesem Erstkontakt da, wenn Sie mit jemandem intensiv geredet haben und gemerkt haben, da ist viel Beratungsbedarf, da muss man jemanden begleiten, vielleicht wiederaufbauen, Selbstbewusstsein stärken und dergleichen. Wie geht es dann weiter?
Perzl: Also, wir sind die erste Anlaufstelle und die Vermittler für unsere Angebote. Dann kommt es darauf an, wo das Problem oder die Sorge liegt. Wir haben zum einen Vorortseminare zu den Themen Betriebsnachfolge, gesunder Umgang mit Stress oder mehrere Angebote für pflegende Angebote.
Relativ neu – seit ungefähr drei Jahren – haben wir Angebote für seelische Belastungen, die man bequem und auch anonym von zu Hause aus in Anspruch nehmen kann. Weil viele sich nicht trauen psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, aus Angst in einer psychologischen Praxis gesehen oder erkannt zu werden.
BR: Also es gilt immer noch als Schwäche in diesem Milieu?
Perzl: Ja, leider. Und da haben wir eben unterschiedliche Angebote. Das eine wäre ein Online-Seminar am Computer, in dem man sich seinen Kummer, seine Sorgen lieber von der Seele schreibt. Und dann haben wir auch die, die lieber telefonieren und sich ihre Sorgen lieber von der Seele sprechen möchten, ein intensives Einzelfallcoaching, wo quasi unser Landwirt ein bis zweimal in der Woche über einen längeren Zeitraum hinweg angerufen wird. Und unsere Psychologen sagen dann schon, dass die Landwirte oft vom Traktor aus telefonieren, weil manchmal ja nicht einmal die eigene Familie weiß, dass die Landwirte sich psychologische Hilfe holen und deshalb die Anonymität auf Feld – heimlich telefonieren - nutzen. Aber es ist ja egal.
BR: Man muss dazu sagen, Frau Perzl, es ist ein Angebot, welches allen Mitgliedern der SVLFG zukommt, es könnte auch jeder in Anspruch nehmen. Es ist nicht nur für einen elitären Kreis. Wie man an die Telefonnummern kommt, das werden wir nachher noch genauer klären.
Perzl: Genau, einfach anrufen, wir beraten gerne und was ich jetzt noch sagen wollte: Für akute Krisensituationen haben wir auch eine Krisenhotline. Die ist wirklich 24 Stunden, sieben Tage die Woche von Psychologen besetzt und wenn mal einmal einen ganz schweren Moment hat und wenn man niemanden hat, der gerade erreichbar ist – drei Uhr morgens oder so - dann kann man diese Nummer wählen und sich seinen Kummer von der Seele sprechen.
BR: Was passiert denn, wenn Sie oder Ihre Berater merken: Hoppla, da gehts ja weiter, da kommen wir mit Telefonberatung am Traktor nicht mehr weiter, da muss sich mal jemand in die Klinik oder anderweitig zurückziehen. Wie geht es dann weiter?
Perzl: Ja, also wir haben schon gemerkt, der Leidensdruck in der Landwirtschaft ist relativ hoch und es dauert oft lang, bis sich jemand überwindet und bei uns meldet. Aber mittlerweile haben wir ein weiteres Angebot für schwer belastete Personen und wir können durch ein weiteres Angebot begleiten. Oder, wie Sie es gerade sagen, wenn jemand einen Therapie- oder Rehaplatz sucht, auch da können wir begleiten, bis er den bekommen hat und eine Reha antritt.
BR: Vielen Dank das war Heidi Perzl von der LSV, die die verschiedenen Hilfsangebote vorgestellt hat. Falls Sie diese Anlaufstellen nochmal nachschauen möchten, vielleicht selber oder für einen Angehörigen anrufen möchte, Sie finden die Telefonnummern, die Adressen usw. im Internet auf den Seiten der SVLFG oder, noch einfacher, auf der Seite des Notizbuches des BR 2.
Vielen Dank Frau Perzl.
Perzl: Danke, Wiederhören.
SWR Aktuell
Viele Bauern in Deutschland überlastet: Krisen-Hotline bietet Hilfe an
Stefan Adelsberger von der SVLFG im Interview mit SWR Aktuell-Moderator Florian Rudolph
Viele Bauern in Deutschland überlastet: Krisenhotline bietet Hilfe an
Rudolph: Herr Adelsberger, zunächst einmal, wie hoch ist überhaupt die psychische Belastung in der Landwirtschaft?
Adelsberger: Die psychische Belastung in der Landwirtschaft ist schwer messbar. Ich kann hier von Anrufen von Versicherten, die sich an uns wenden, berichten und da ist das Spektrum sehr sehr breit.
Es gibt die eine oder andere Statistik dazu, die inzwischen nachweist, dass die psychische Belastung in der Landwirtschaft überproportional hoch liegt, im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen, aber wie gesagt, ich kann von Anrufen berichten, die uns erreichen.
Rudolph: Lassen Sie uns darauf mal genau schauen, mit welchen Problemen melden sich denn die Menschen beispielsweise an Sie?
Adelsberger: Ganz häufig hat das mit Arbeitsüberbelastungen, oder persönlichen Überlastungssituationen zu tun, das begründet sich mit den saisonbedingten Arbeitsspitzen, die für die Landwirtschaft ganz typisch sind. Zum Beispiel in der Ernte, in der viel Arbeit innerhalb sehr kurzer Zeit kommt, und das die Menschen sehr stressbelastet, aber auch Betriebsabläufe wie z. B. bei tierhaltenden Betrieben, wo es einfach erforderlich ist, sieben Tage die Woche zur Verfügung zu stehen. Längerer Urlaub ist da häufig nicht möglich, weil die Kühe gemelkt und versorgt werden müssen und das ist auch ein Problem, was wir sehen.
Rudolph: Hat das zugenommen in letzter Zeit, lässt sich das irgendwie sagen?
Adelsberger: Also wir stellen das bei uns in den Anrufen schon fest, dass es stetig mehr wird. Auf was es zurückzuführen ist, ist schwierig und daher stellen wir auf alle Fälle Zunahme fest.
Rudolph: Erzählen Sie ein bisschen mehr über die Angebote, wie können Sie da helfen?
Adelsberger: Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, die Hilfe auf die Betriebe zu bringen. Sie haben jetzt vorhin die Krisenhotline angesprochen, da bedienen wir uns einem Dienstleister, einem Psychologenteam was zur Verfügung steht, rund um die Uhr, wo Landwirte unsere Krisenhotline anrufen können.
Rudolph: Wenn jetzt jemand anruft, beispielsweise, weil die Arbeitsbelastung so groß ist, weil gerade Erntesaison ist. – Was können Sie denn da tun? Sie schicken ihm doch dann nicht zusätzliche Arbeitskräfte, oder was machen Sie?
Adelsberger: Nein, zusätzliche Arbeitskräfte können wir ihnen nicht schicken. Gerade mit den Angeboten zur seelischen Gesundheit oder zur Stärkung der seelischen Gesundheit können wir schauen, dass wir die persönlichen Ressourcen wieder aktivieren und schauen, dass sich wieder ein besserer Umgang mit der Situation findet.
Rudolph: Jetzt mag es da manchmal auch Fälle geben, wo sie nicht helfen können, was machen Sie da?
Adelsberger: Dann haben wir eben wie gesagt Dienstleister an der Hand, z.B. Psychologen, die in der Krisenhotline rund um die Uhr verfügbar sind, wo man anrufen kann. Die Anrufe sind da ganz allgemein. Wir haben festgestellt: Gespräche tun den Landwirten und Landwirtinnen da häufig sehr sehr gut, einfach mal über das Problem sprechen, das ich habe.
Rudolph: Haben Sie da auch Tipps, wie man vorsorgen kann als Betroffener?
Adelsberger: Ganz allgemein: unsere Angebote zu nutzen, es sind ja präventive Hilfsangebote. Vielleicht noch ein weiteres Beispiel: Was macht unseren Landwirten noch zu schaffen? – Das Thema Betriebsübergabe ist ein sehr einschneidender Prozess. Man hat mehrere Kinder und will das alles richtig gestalten. Wir wissen auch: Wenn so eine Betriebsübergabe nicht richtig läuft oder nicht gut läuft, dass es im Nachgang zu zwischenmenschlichen Konflikten kommt. Zwischen den Generationen, zwischen Jung und Alt. Und deswegen appellieren wir, dass man sich frühzeitig über das Thema Betriebsübergabe Gedanken macht, wie das Ganze gestaltet werden kann und soll und dazu bieten wir zum Beispiel unsere Betriebsübergabeseminare an, wo wir einer Gruppe von mehreren Landwirten - das ist auch die Besonderheit von diesem Übergabeseminar, das Ganze ist unter der Leitung einer Sozialpädagogin – und da wollen wir Tipps geben, die Betriebsübergabe nicht nur rechtlich, das wäre zu kurz gesprungen, sondern auch auf der emotionalen zwischenmenschlichen Ebene richtig zu gestalten.
Rudolph: Herr Adelsberger, Lassen Sie uns abschließend nochmal darüber sprechen, was die Gesellschaft tun kann. Die Landwirtschaft liefert ja im Sinne des Wortes unser täglich Brot. Brauchen Landwirte und Landwirtinnen da auch mehr Wertschätzung?
Adelsberger: Das Thema Imageproblem taucht bei uns auch immer wieder auf, dass von außen her die Landwirtschaft sehr kritisch beäugt wird. Landwirte produzieren unsere Lebensmittel und stehen öffentlich extrem im Fokus und das ist für viele sehr belastend.
TV-Dokumentation zum Thema
Unser Land: Doku - Ein problematisches Tabu-Thema: Bauern in der Psychokrise
Immer mehr Bäuerinnen und Bauern sind frustriert, haben keine Lust mehr, wollen zusperren. Manche haben ernsthafte psychische Probleme, sind suizidgefährdet. Die Ursachen sind vielfältig, sagen Betroffene und Beratungsstellen.
Die Autorinnen Cornelia Benne und Rebecca Reinhard haben Betroffene besucht und unter anderem mit Mitarbeitern der SVLFG über das Thema geredet.
Die 29-minütige Dokumentation wurde erstmals am 4. Februar 2022 um 19.00 Uhr im BR ausgestrahlt und steht Ihnen hier zur Verfügung.