"Was trägst Du denn da am Handgelenk?", wurde ich mehrmals gefragt, als ich bei warmen Sommerwetter ohne Hemdsärmel rumlaufe. Diese Uhr fällt einfach auf, knapp fünf Zentimeter im Durchmesser und dick wie mein Zeigefinger: die neue "Marq Expedition" von Garmin.
Sie fällt auch ins Gewicht, ist mit 87 Gramm fast so schwer wie eine Tafel Schokolade (mit Silikonarmband sogar 94 Gramm) und klobiger als eine Smartwatch. Allerdings kann sie auch mehr. Diese "Tool Watch" ist eine von fünf verschiedenen Ausführungen der Marq-Kollektion, mit denen sich die US-Firma Garmin an spezielle Zielgruppen richtet: die "Aviator" an Piloten, die "Athlete" an Sportler oder die "Expedition" an Outdoor-Enthusiasten.
Der Hingucker im Titangehäuse mit braunem Vacchetta-Lederarmband "ist dazu gemacht, dich höher und weiter zu bringen - selbst unter extremen Bedingungen", heißt in der beiliegenden Broschüre. "Perfekt für alle, die sich ungern dabei aufhalten lassen, die Welt zu erobern." Das muss man sich aber kosten lassen: Für den schicken Zeitmesser verlangt Gramin stolze 1750 Euro. Billiger im Netz kaufen, ist nicht. Die Uhr ist nur beim Hersteller und in Uhren-Boutiquen zu bekommen.
Dann nichts wie los
In den Alpen wollen wir die Hightech-Uhr einem Dauertest beim Wandern und Bergsteigen unterziehen. Doch zunächst heißt es ran an die Steckdose, den Akku per USB aufladen und die Grundeinstellungen festlegen. Letzteres ist in wenigen Minuten erledigt, denn in der beigelegten Mini-Broschüre wird die Funktionsbelegung der Bedienknöpfe kurz erklärt. Die Steuerung erfolgt klassisch über die Knöpfe - nicht per Touch-Display.
Auch das Menü erscheint beim ersten Durchgang logisch aufgebaut, mit diversen Widgets wie Timer, Alarm, Bezahlfunktion und den Apps und Aktivitäten wie Mountainbiken, Snowboarden, Navigation, Karte. Doch ich erahne bereits die Fülle der Möglichkeiten wie Pulsoximeter, Herzfrequenzen, Wetterdaten, Barometer und GPS-Aufzeichnungen. Schon bald verheddere mich in der Tiefe des Menüs und suche eine Gebrauchsanweisung: Die ist der schweren Metallverpackung des Geräts nicht beigelegt. Ich muss sie erst im Internet als PDF-Download suchen und stoße auf 50 engbeschriebe DIN-A4-Seiten.
Erst dann finde ich erstmals den Hinweis auf die Garmin Connect App, damit ich die "Expedition" mit dem Smartphone koppeln und später die Daten übertragen kann. Doch verflixt: Auf dem Display meiner Uhr fehlt ausgerechnet das in der Anleitung gezeigte Widget mit dem Telefon-Piktogramm, um es mit meinem bereits vom Fitness-Tracker angelegten Garmin-Konto zu koppeln. Als ich es längst aufgeben habe, erscheint wider Erwarten das Telefonsymbol – und das Koppeln per Bluetooth gelingt.
Ab in die Natur
Raus in die Praxis zu einer fünftägigen Tour in einem einsamen Gebiet in den Schweizer Bergen, ohne dabei eine Hütte, ein Tal oder Dorf mit Stromversorgung zu besuchen. Im Tessiner Centovalli steige ich aus dem Zug und gebe die am Bahnhof angeschriebene Höhe über Meeresspiegel in die Uhr ein: 552 Meter. Ich aktive den Wander-Modus und sehe Dank des integrierten Höhenmessers den kontinuierlichen Höhengewinn.
Abends kann ich auch die Summe von Anstiegen und Abstiegen sowie die maximale Herzfrequenz ablesen. Apropos Ablesen: Das Display erweist sich an allen Tagen – im Gegensatz zu mancher Smartwatch – als optimal, egal ob in der Dämmerung oder im grellen Sonnenlicht auf dem Gletscher. Nie zu hell oder zu dunkel. Mit 240 mal 240 Pixel ist es scharf genug.
Als ich am nächsten Tag den Bergsteigen-Modus aktiviere, merke ich, wie die GPS-Funktion Energie frisst. Am Ende des zweiten Tages zeigt mir Akku-Stand nur noch 50 Prozent an. Am dritten Tag muss ich nachts die "Expedition" an die im Rucksack mitgeführte Powerbank anschließen. Wer die Anzeige des Sekundenzeigers deaktiviert oder auf den Expedition-Modus umschaltet, spart Energie und kann angeblich seine Route über Wochen hinweg tracken.
Mitten im Nirgendwo: hilfreiche Navigation
Mehr aus Spaß drücke ich an einem Morgen die Funktion "around me", als ich aus dem Zelt oberhalb der Baumgrenze schlüpfe. Weit und breit nichts als Berge, Wälder und Wiesen. Nach einer Minute ist der Standort bestimmt, das Display zeigt den richtigen Kartenausschnitt und zur Überraschung ein Symbol mit Messer und Gabel: Knapp zwei Kilometer sind es bis zu einer Hütte.
Die erweist sich als menschenleer und unbewirtschaftet, hat aber offene Türen und eine Küche für Selbstversorger. Hier kann sich jeder mit Getränken versorgen, die man gegen eingeworfenes Bargeld in die Hüttenkasse erwerben kann. Die findige Navigation der Garmin mit vorinstallierter Europakarte erweist sich als Volltreffer, obwohl ich nicht einmal das Zusatzpaket mit der detaillierten "Topo Schweiz Pro" für 359 Euro erworben habe.
Fülle von Möglichkeiten
In der Navigation liegt eine der Stärken der Hightech-Uhr: Es lassen Strecken erstellen und Wegpunkte markieren. Im Display werden auch die aktuelle Position per Live-Tracking und das Ziel angezeigt. Pfeile weisen in die richtige Himmelrichtung. Hat man das Ziel verfehlt, vibriert es am Handgelenk. Ich hatte die Funktion einmal nicht abgeschaltet und wusste erst nicht, warum die Uhr rüttelnd so viel Aufmerksamkeit einforderte.
Zurück in der Zivilisation ließen sich die digital gesammelten Daten schnell aufs Handy übertragen. Die Auswertung mit der Connect-App zeigt mir allerdings kaum mehr Infos im Vergleich zum Vivosmart-Armband von Garmin. Dafür aber Lustiges: An einem Tag legte ich den Bergen 351 Stockwerke bergauf und 381 Etagen bergab zurück.
Fazit: Die "Garmin Marq Expedition" ist ein schwerer Tausendsassa beim Trekking in den Bergen. Was die Uhr drauf hat, erfährt man erst beim Durchlesen der Liste mit den technischen Daten auf der Homepage.
Kein Wunder, dass ich mich im verschachtelten Menü mehr und mehr verliere. Statt einer beigelegten Werbe-Hochglanzbroschüre habe ich aber eine grafische Übersicht der Menü-Struktur und eine Anleitung vermisst, die auf die spezifischen Bedürfnisse von Wanderern, Mountainbiker oder Triathleten zugeschnitten ist. Zum stolzen Preis von 1750 Euro könnte man das verlangen.
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