Pflanzenkohle: Einsatzmöglichkeiten im Öko-Landbau

Pflanzenkohle: Einsatzmöglichkeiten im Öko-Landbau

Über Pflanzenkohle und ihren Einsatz in der Landwirtschaft wird bereits seit einigen Jahren viel diskutiert. Wie zahlreiche Metastudien zeigen, bringt Pflanzenkohle viele Vorteile mit sich: Mit ihr kann Kohlenstoff gespeichert und das Klima geschützt werden. Fachkundig eingesetzt kann sie sich außerdem gut auf Boden und Pflanzenwachstum auswirken.

Erhitzt man pflanzliche Biomasse unter Luftabschluss bei Temperaturen über 400 Grad Celsius – diesen Vorgang nennt man Pyrolyse –, entsteht daraus nach einer gewissen Zeit ein poröses kohlenstoffreiches Material, dem in vielerlei Hinsicht ein großes Potenzial zugesprochen wird: Die Rede ist von Pflanzenkohle.

Potenzial als Negativemission

Eine bedeutende Eigenschaft von Pflanzenkohle ist ihre Fähigkeit, Kohlenstoff zu speichern. Bis zu 50 Prozent des in den Pflanzen enthaltenen Kohlenstoffs können durch die Umwandlung in Pflanzenkohle in festen molekularen Strukturen gebunden und damit über viele Jahrhunderte der Atmosphäre entzogen werden. Pflanzenkohle wird daher als vielversprechende Negativemissionstechnologiediskutiert, mit der unvermeidliche Restemissionen ausgeglichen werden können, die auch dann noch anfallen, wenn Deutschland im Jahr 2045 treibhausgasneutral ist, das heißt alle vermeidbaren Emissionen vermieden werden.

Eine Negativemission ist ein Prozess oder eine Technologie, die aktiv Kohlendioxid (CO₂) aus der Atmosphäre entfernt und dauerhaft speichert, um den Netto-CO₂-Gehalt in der Atmosphäre zu reduzieren.

Soll Pflanzenkohle zukünftig in größerem Ausmaß als Negativemission genutzt werden, muss allerdings hinreichend geklärt werden, in welchem Umfang geeignete Biomasse verfügbar ist, die pyrolisiert werden kann, und inwiefern die Pyrolyse zu Pflanzenkohle eine Konkurrenz zu alternativen Verwendungsformen von Biomasse (z. B. energetische Nutzung, stoffliche Nutzung, Humusaufbau) darstellt.

Potenzial von Pflanzenkohle für die landwirtschaftliche Anwendung

Laut zahlreicher Studien scheint Pflanzenkohle darüber hinaus ein vielversprechender Bodenhilfsstoff für Landwirtschaft und Gartenbau zu sein. Eine bedeutende Studie in diesem Zusammenhang ist die Studie des Schweizer Forschungsinstituts Agroscope aus dem Jahr 2021, die im Auftrag des Schweizerischen Bundesamts für Landwirtschaft erstellt wurde. Forschende haben darin den Stand von 30 Meta-Analysen aus den Jahren seit 2015 zum Thema Pflanzenkohle zusammengefasst und bewertet. Dabei wurden verschiedenste Böden, Klimazonen und Landwirtschaftssysteme berücksichtigt.

Die Autorinnen und Autoren der Agroscope-Studie kommen zu dem Schluss, dass über alle betrachteten Meta-Analysen "für sämtliche untersuchten Parameter eine im Durchschnitt positive Auswirkung von Pflanzenkohle festgestellt" werden kann.

Danach ist Pflanzenkohle aufgrund ihrer porösen Struktur und ihrer gewaltigen inneren Oberfläche sehr gut in der Lage, Wasser und Nährstoffe zu speichern und Schadstoffe zu binden. Sie stimuliert das Wurzelwachstum, unterstützt den Humusaufbau und lockert feste Böden auf. Darüber hinaus besitzt sie die Fähigkeit, die Verfügbarkeit von Schwermetallen im Boden, sowie Lachgas-Emissionen und Nitratauswaschungen zu verringern.

Insbesondere auf tropischen Böden, so ein weiteres Fazit der Studie, führt der Einsatz von Pflanzenkohle zu Ertragssteigerungen, wenn sie zuvor mit Nährstoffen "beladen" wird. Hierzulande sind Ertragssteigerungseffekte aufgrund der zum Teil sehr guten Böden und der sehr hohen Bewirtschaftungsintensitäten insgesamt jedoch deutlich geringer oder gar nicht vorhanden.

Einer weitere umfangreiche Literaturstudie vom Institut für Ländliche Strukturforschung e.V. (IfLS) an der Goethe-Universität Frankfurt am Main von 2023 kommt zu ähnlichen Ergebnissen wie die Agroscope-Studie.

    Wissenschaftlicher Beirat mahnt mehr und praxisnähere Langzeitforschung an

    Im März 2024 veröffentlichte der Wissenschaftliche Beirat für Düngungsfragen (WBD) beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) einen Standpunkt zu "Biokohle in der Pflanzenproduktion". Darin bewertet der WBD den Nutzen sowie die Grenzen und Zielkonflikte des Einsatzes von Pflanzenkohle.

    Der WBD benennt in seiner Analyse in weiten Teilen die Erkenntnisse der Agroscope- und der IfLS-Studie, bemängelt aber, dass die dazu durchgeführten Versuche teilweise zu variablen, verschiedentlich sogar widersprüchlichen Ergebnisse führten. Außerdem fehle es an Informationen über Langzeitversuche unter praxisähnlichen Bedingungen. Dem müsste in Forschung und Versuchswesen künftig mehr Beachtung geschenkt werden. Im Zusammenhang mit der Verwendung von Pflanzenkohle als Negativemission "sollte dringend eine Modellierung unterschiedlicher Nutzungspfade von Biomasse und deren Effekten auf die Emission klimarelevanter Gase durchgeführt werden", so der WBD.

      So wird Pflanzenkohle erzeugt

      Den Prozess der Verkohlung von pflanzlicher Biomasse zu Pflanzenkohle nennt man Pyrolyse. Dabei wird die Biomasse unter Ausschluss von Sauerstoff in einem speziellen Pyrolyseofen zwischen 350°C und 750°C (seltener bis zu 900°C oder 1.000°C) erhitzt. Als Nebenprodukte entstehen Pyrolyseöl und Pyrolysegas, die in der Regel verbrannt werden, um die Prozesswärme für die Pyrolyse bereitzustellen (selbsterhaltender Prozess). Eventuell anfallende Wärmeüberschüsse können zum Beispiel über Nahwärmenetze vermarktet werden.

      Als mögliche Ausgangsstoffe kommen neben Holzhackschnitzeln insbesondere Grünschnitt sowie biogene Reststoffe aus Holzverarbeitung, Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion infrage.

      Wie kann Pflanzenkohle in der ökologischen Landwirtschaft eingesetzt werden?

      Damit Pflanzenkohle ihre positive Wirkung als Bodenhilfsstoff bestmöglich erfüllen kann, sollte sie wurzelnah in den Boden eingearbeitet werden. Vorher ist es jedoch wichtig, sie mit Nährstoffen – insbesondere Stickstoff – "aufzuladen". Denn andernfalls würde die Pflanzenkohle mit ihrem hohen Speichervermögen die Nährstoffe aus dem Boden binden und könnte damit sogar hemmend auf das Pflanzenwachstum wirken.

      Terra Preta

      Bereits die Ureinwohner Südamerikas erzeugten Pflanzenkohle und brachten diese gemeinsam mit Küchenabfällen, Fäkalien und Asche auf ihre Felder aus. Durch das Zusammenspiel dieser Komponenten entstand über die Zeit eine tiefschwarze und sehr fruchtbare Erde – die Terra Preta.

      Zur "Aufladung" mit Nährstoffen wird Pflanzenkohle häufig zur Güllebehandlung, als Zusatz zu Komposten oder als Stalleinstreu verwendet. Die von der Pflanzenkohle aufgenommenen Nährstoffe werden später im Boden nach und nach wieder an die Bodenlösung abgegeben und stehen den Pflanzen zur Verfügung. Nach Angaben des Instituts für Ländliche Strukturforschung (IfLS), sind folgende Anwendungsbereiche zur "Aufladung" von Pflanzenkohle zu empfehlen:

      • Einstreu: Zugabe von bis zu 10 Prozent Pflanzenkohle zur üblichen Einstreu. Der Vorteil einer solchen Anwendung ist, dass Hufkrankheiten, Gerüche und Nährstoffverluste reduziert werden. In Tiefstreulaufställen ausgebracht, fördert die Pflanzenkohle an feuchten Stellen die Verrottung und hemmt zudem die Entwicklung von Fliegenlarven.
         
      • Zugabe zu Gülle: Zugabe von rund einem Volumenprozent Pflanzenkohle mindestens vier Wochen vor der Ausbringung der Mischung. Auch hier wird berichtet, dass Gerüche und Verluste flüchtiger Nährstoffe reduziert werden.
         
      • Zugabe zu Komposten: Empfohlen wird eine Zugabe von etwa zehn Volumenprozent. Die Pflanzenkohle sollte nach Möglichkeit von Anfang an im Kompostprozess eingesetzt werden, um sich ausreichend mit Nährstoffen aufladen zu können und gleichzeitig die Kompostemissionen und Nährstoffverluste zu senken.

      Hinweis: Die Anwendungsempfehlungen verschiedener Pflanzenkohle-Anbieter können zum Teil von den oben genannten abweichen.

      Unterschied zwischen Pflanzenkohle und Biokohle

      Anstelle von Pflanzenkohle wurde früher häufig der Begriff Biokohle verwendet. Dieser ergibt sich aus der wörtlichen Übersetzung des in der englischen Literatur verwendeten "biochar". Auch heute noch ist Biokohle im deutschsprachigen Raum als unspezifischer Sammelbegriff für verschiedene Verkohlungsprozesse (u. a. HTC-Kohlen) geläufig. In Abgrenzung dazu verwendet man den Begriff Pflanzenkohle seit 2011 jedoch nur noch für nicht energetisch genutzte Pyrolysekohlen mit einer stabilen Kohlenstofffraktion.

      So ist der Einsatz von Pflanzenkohle rechtlich geregelt

      Rechtlich wurde die Verwendung von Pflanzenkohle in Deutschland lange Zeit allein durch die Düngemittelverordnung (DüMV) geregelt. Nach DüMV sind nur Pflanzenkohlen aus unbehandeltem Holz mit einem Kohlenstoffanteil von mindestens 80 Prozent als Dünger und Bodenhilfsstoff zulässig.

      Mit Inkrafttreten der EU-Düngeproduktverordnung (VO 2019/1009) im Juli 2023 hat sich die Situation jedoch geändert. Danach dürfen außer Holz auch biogene Reststoffe zu Pflanzenkohle pyrolysiert werden. Das heißt, es sind zum Beispiel auch Ernterückstände oder Rückstände aus der Lebensmittelverarbeitung als Ausgangsstoffe zugelassen. Nach den EU-Regularien zugelassene Pflanzenkohle darf EU-weit als Düngeprodukt oder Bodenhilfsstoff gehandelt und verwendet werden und ist somit auch für den Einsatz in Deutschland zulässig.

      Welche Regeln gelten für den Öko-Landbau?

      Pflanzenkohle wurde 2020 als Bodenverbesserer in den Anhang II der EU-Öko-Verordnung aufgenommen und ist seither auch im Öko-Landbau zulässig. Seit Juli 2023 gelten die Bestimmungen der EU-Düngeproduktverordnung für Pflanzenkohle als Bodenhilfsstoff auch für den Öko-Landbau. Auch die großen Öko-Anbauverbände Bioland und Naturland erlauben in ihren Richtlinien den Einsatz von Pflanzenkohle.

      In der Betriebsmittelliste des FiBL sind aktuell 15 Pflanzenkohleprodukte aufgelistet (Stand Juni 2024), die für den ökologischen Landbau zugelassen sind. Es handelt es sich dabei vor allem um Gülle- und Mistzusätze, Zusätze zur Biogaserzeugung, Substratkomponenten, organische Substratzuschlagstoffe und Einstreumaterialien für Ställe.

      Anders als in der konventionellen Landwirtschaft ist die Anwendung von Pflanzenkohle als Zusatz zum Tierfutter im Öko-Landbau nicht gestattet.

      Worauf sollte man beim Einkauf von Pflanzenkohle achten?

      German Biochar e. V., der Fachverband für das Thema Pflanzenkohle, sowie das Umweltbundesamt (UBA) empfehlen den Kauf von EBC-zertifizierter Pflanzenkohle. Das Europäische Pflanzenkohle-Zertifikat (EBC, European Biochar Certification) ist ein freiwilliger Industriestandard. Es bietet laut Ithaka Institut, dem Herausgeber des Zertifikats, eine transparente und nachvollziehbare Kontrolle und Qualität – insbesondere bezüglich Schadstoffbelastungen. Außerdem soll es sicherstellen, dass die Herstellung nachhaltig erfolgt. Das heißt, dass nach Möglichkeit biogene Reststoffe verwendet werden und eine Abwärmenutzung erfolgt.

      Die EBC-Richtlinien werden regelmäßig an neue wissenschaftliche Erkenntnisse, technische Entwicklungen und Einsatzbereiche angepasst und sind Grundlage für die Zertifizierung von Pflanzenkohlen in Europa und der Welt, so das Ithaka Institut. Die Stufe "AgroBio" des EBC-Zertifikats ist in der Schweiz inzwischen anerkannte Voraussetzung, damit Pflanzenkohle in der Landwirtschaft eingesetzt werden darf.

      Wie teuer ist Pflanzenkohle?

      Laut German Biochar ist der Preis für Pflanzenkohle nur schwer zu bestimmen, da neben marktbedingten Preisschwankungen eine Vielzahl von Faktoren die Preisbildung beeinflussen. Aktuell liegt die Preisspanne für Pflanzenkohlen, die als Bodenverbesserer in Landwirtschaft und Gartenbau verwendet werden, zwischen 400 und 600 Euro pro Tonne.

      CO2-Zertifikate und Pflanzenkohle

      Als Kohlenstoffsenke (CO2-Senke) bietet Pflanzenkohle Vorteile gegenüber anderen CO2-Senken wie Wald oder Humus: Solange man Pflanzenkohle nicht verbrennt, bleibt sie zusammen mit dem in ihr gespeicherten Kohlenstoff über lange Zeit stabil. Wald hingegen kann durch Brand unabsichtlich vernichtet werden oder Humus kann bei falscher Bewirtschaftung abgebaut werden. Beides mit der Folge, dass der gebundene Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre gelangt.

      Inzwischen gibt es verschiedene Unternehmen (z. B. Carbonfuture, Puro.Earth), die pflanzenkohlebasierte Kohlenstoffsenken-Zertifikate anbieten. German Biochar empfiehlt die Zertifizierung nach dem EBC-Senken-Standard.

      Für Landwirtinnen und Landwirte, die Pflanzenkohle in ihren Betrieben anwenden, bedeutet das, dass sie vom Hersteller entweder günstigere Pflanzenkohle erhalten, da der Verkauf von C-Senken-Zertifikaten den Preis verringert. Oder aber sie kaufen das C-Senken-Zertifikat zusammen mit der Pflanzenkohle und verkaufen das Zertifikat dann selbst weiter oder behalten es als Ausgleich unvermeidbarer Restemissionen.


      Letzte Aktualisierung 22.07.2024

      Nach oben
      Nach oben