Wir brauchen eine Wertschätzung vom Acker bis ins Glas.
Die Neumarkter Lammsbräu startet die regionale Agrarwende: Ab der nächsten Anbauperiode bezahlt der Bio-Bier-Pionier seine 180 Landwirtinnen und Landwirte der Erzeugergemeinschaft für ökologische Braurohstoffe (EZÖB) für ihre Gemeinwohlleistungen. Dafür wendet der Bio-Getränkeproduzent ein Prozent seines jährlichen Umsatzes von zuletzt 31,7 Millionen Euro auf. Der Inhaber Johannes Ehrnsperger erklärt, warum.
Oekolandbau.de: Warum bezahlen Sie Ihren Landwirtinnen und Landwirten mehr? Bio-Rohstoffe sind doch ohnehin schon teurer.
Johannes Ehrnsperger: Ja, das stimmt. Schon jetzt zahlen wir unseren Bio-Betrieben 20 Prozent mehr als für Bio-Verbandsware üblich und doppelt oder dreifach so viel wie der konventionelle Handel. Wir pflegen traditionell enge Beziehungen zu unseren Landwirtinnen und Landwirten und schließen Fünf-Jahres-Verträge ab.
Bei der Preisfindung zählt bei uns seit langem nicht der anonyme Marktpreis. Wir nehmen stattdessen den Betrag als Basis, den ein Hof braucht, um langfristig zukunftsfähig zu sein. Künftig entlohnen wir die Landwirtinnen und Landwirte darüber hinaus zusätzlich für ihre Leistungen für die Gesellschaft. Denn diese Leistungen erbringen alle Landwirtinnen und Landwirte bisher größtenteils umsonst. Das führt zu viel Frust, wie wir bei den Bauernprotesten sehen konnten.
Oekolandbau.de: Für welche Leistungen konkret bekommen die Bio-Betriebe Geld?
Ehrnsperger: Es geht um Nachhaltigkeit auf allen Ebenen. Die Regionalwert Leistungen GmbH hat gemeinsam mit Menschen aus der Wissenschaft und Praxis einen Kriterienkatalog entwickelt, den wir in Pilotstudien getestet haben und jetzt anwenden. Der Katalog enthält ökologische Kriterien wie Maßnahmen zum Klima- und Wasserschutz oder für die Biodiversität, zum Beispiel Blühstreifen oder Hecken.
Außerdem gibt es soziale Kriterien wie eine Festanstellung von Mitarbeitenden oder Bildungsmaßnahmen. Ökonomisch kann der Betrieb mit vielen Betriebszweigen oder einer guten regionalen Vernetzung punkten. Dieser Mehraufwand muss sich für die Bäuerinnen und Bauern finanziell lohnen. Schulterklopfen allein reicht nicht.
Oekolandbau.de: Wie viel Geld macht das aus?
Ehrnsperger: Das hängt vom Engagement ab. Damit die Bewertung objektiv ist, müssen die Betriebe aussagefähige Daten in ein Online-Tool eingeben. Das Programm errechnet anhand von 500 Kennzahlen einen Nachhaltigkeitsgrad zwischen null und hundert Prozent. Je höher der Wert, desto mehr Prämie gibt es. Die meisten Betriebe liegen so um die 70 Prozent. Nach ersten Berechnungen beträgt die Durchschnittsprämie pro Betrieb rund 2500 Euro im Jahr. Das zahlen wir übrigens ganz unabhängig von der Liefermenge. Davon profitieren besonders kleine Betriebe, die bei Flächenprämien sonst immer zu kurz kommen.
Wichtig ist uns, das Geld nicht mit der Gießkanne auszuschütten, sondern individuell Anreize zu setzen, nachhaltig zu arbeiten.
Oekolandbau.de: Höhere Preise muss sich ein Unternehmen auch leisten können. Was macht Sie optimistisch, das zu schaffen?
Ehrnsperger: Die Gesellschaft muss umdenken. Wir denken schon immer vom Landwirt beziehungsweise der Landwirtin aus: Was brauchen sie für einen Preis, um ihren Hof an die nächste Generation weitergeben zu können? In der Realität läuft es meist andersherum. Da lautet die Frage: Welchen Preis sind die Endverbraucherinnen und Endverbraucher bereit für ein Produkt zu bezahlen? Dann geht die Preisdrückerei los: vom Handel auf die Brauerei bis zu den Landwirtinnen und Landwirten. Die produzieren dann auf Kosten der Natur. Die stellt zwar keine Rechnung, aber wir bekommen bald die Quittung.
Wir wünschen uns faire Preise und eine Wertschätzungsgemeinschaft vom Acker bis zum Glas. Und wir haben das Zutrauen, dass das auch klappt.