"Bio-Botschafter*innen" begeistern für Bio

"Bio-Botschafter*innen" begeistern für Bio

Auszubildenden in den grünen Berufen fehlen häufig Berührungspunkte zum Öko-Landbau. Das sollen die "Bio-Botschafter*innen" ändern: Im gleichnamigen Projekt vermitteln junge Fachleute aus der Praxis ihre Begeisterung und Erfahrungen an Berufsschulklassen und Lehrkräfte. Im Interview berichtet Projektleiterin Johanna Biegelmaier von der abgeschlossenen Pilotphase.

In einem Forschungsprojekt wurde 2021 deutlich, dass der Anteil von Lerninhalten zum Öko-Landbau in den Berufsschulen zu niedrig ist – auch wenn laut Rahmenlehrplan 80 Stunden für "alternative Landwirtschaft" vorgesehen sind. Dieser Lehrplan ist allerdings von 1994. Gleichzeitig wächst bei Auszubildenden das Interesse an der ökologischen Wirtschaftsweise.

Im Rahmen des Projekts "Bio-Botschafter*innen" soll dieses Interesse gefördert – oder natürlich erstmal geweckt – werden. Dafür führen junge Fachleute, die sogenannten "Bio-Botschafter*innen", mit Schulklassen und ihren Lehrkräften Projekttage auf Bio-Betrieben durch. Mit ihrer Praxiserfahrung sollen sie den Auszubildenden den ökologischen Landbau und seine Vorteile auf Augenhöhe näherbringen und sie im besten Fall dafür begeistern.

Johanna Biegelmaier vom jungen Bioland e.V. koordiniert das Projekt. Die studierte Agrarwissenschaftlerin plant die praktische Umsetzung und steht im engen Austausch mit den beiden Trägerorganisationen junges Bioland e.V. und dem Landkreis Heidenheim. Das Projekt wird auf Seiten des Junges Bioland e.V. von Christian Gadenne und dem Vorstand betreut, auf Seiten des Landkreises Heidenheim von Antonia Kotschi, Referentin der Bio-Musterregion Heidenheim.

Das BioBotschafter*innen-Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau (BÖL).
Mehr Informationen über die Förderrichtlinie RIGE

Oekolandbau.de: Um was geht es bei den "Bio-Botschafter*innen"?

Johanna Biegelmaier: Wir wollen Auszubildende in den Bereichen Landwirtschaft, Garten- und Weinbau sowie ihre Lehrkräfte über den Öko-Landbau und regionale Wertschöpfungsketten informieren und ihnen praxisnahe Einblicke gewähren. Hierfür laden wir Berufsschulklassen und ihre Lehrkräfte ein, an einem Projekttag auf einem ökologisch wirtschaftenden Betrieb teilzunehmen.

Von zentraler Bedeutung im Projekt sind die sogenannten "BioBotschafter*innen": Personen im Alter von 18 bis 36 Jahren, die bereits umfängliche praktische Erfahrungen im Öko-Landbau gesammelt haben. Sie agieren bei den Projekttagen als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, führen die Auszubildenden durch das Programm und vermitteln dabei Fachwissen und Praxiserfahrungen. Mit diesem Lehr-Lernkonzept, dem sogenannten "Peer-to-Peer-learning", möchten wir eine Plattform für den Austausch zwischen jungen Fachleuten und Auszubildenden schaffen.

Oekolandbau.de: Welche Ziele sollen sie erreichen?

Biegelmaier: Die Projekttage zielen darauf ab, den Öko-Landbau erlebbar und möglichst greifbar zu machen. Ein zentrales Anliegen dabei ist, das Verständnis für Betriebskonzepte und -abläufe auf ökologisch wirtschaftenden Betrieben bei den Auszubildenden zu vertiefen und mögliche Vorurteile gegenüber der ökologischen Wirtschaftsweise abzubauen. Dabei sollen sowohl die Chancen als auch die Herausforderungen von Öko-Betrieben und regionalen Wertschöpfungsketten aufgezeigt und diskutiert werden. Durch die Kombination aus Interaktion, Austausch auf Augenhöhe und Praxisnähe verfolgen wir das Ziel, Motivation und Begeisterung für ökologische und regionale Wirtschaftsweisen zu wecken und für nachhaltige Landwirtschaftspraktiken zu sensibilisieren.

Oekolandbau.de: Was ist die Aufgabe der "Bio-Botschafter*innen" im Projekt? Was bedeutet es, Fachwissen und Praxiserfahrungen authentisch zu vermitteln?

Biegelmaier: Während die Organisation der Projekttage bei den Trägerorganisationen und mir als Projektkoordinatorin liegt, übernehmen die "BioBotschafter*innen" die Verantwortung, die Berufsschulklassen durch das vielfältige Programm zu führen und den Tag zu moderieren. Nach einer Vorstellungs- und Kennlernrunde mit den Betriebsleiterinnen und -leitern geht es zu verschiedenen Stationen zu Themen wie Kreislaufwirtschaft, Bodenfruchtbarkeit oder Tierhaltung – also beispielsweise eine Tierbeobachtung im Stall oder auf der Weide. Es wird aber auch eine Spatenprobe auf einer betriebseigenen Wiese oder einem Acker durchgeführt.

Durch den direkten Bezug der "BioBotschafter*innen" zur Praxis, bei einigen durch ihre tägliche Arbeit als Landwirtinnen und Landwirte, sind sie in der Lage, Fachwissen sehr praxisnah und anschaulich zu vermitteln. "Authentisch", weil einige der "BioBotschafter*innen" noch am Morgen des Projekttags im Stall standen, um ihre Tiere zu füttern oder zu melken.

Zu den Aufgaben der "BioBotschafter*innen" zählt darüber hinaus auch die vorausgehende Entwicklung der Stationskonzepte. Im Frühjahr erarbeiteten die "BioBotschafter*innen" im Rahmen von zwei Workshops unter fachlicher und didaktischer Begleitung Inhalte und Methoden der ersten drei Module. Anschließend erhielten die "BioBotschafter*innen" eine pädagogische und didaktische Schulung von Martin Hermle, der im Projekt als Coach fungiert, um gut für die Projekttage vorbereitet zu sein.

Oekolandbau.de: Was sind die besonderen Herausforderungen in diesem Projekt?

Biegelmaier: Eine der größten Herausforderungen des Projekts besteht darin, komplexe Themen der ökologischen Landwirtschaft und regionalen Wirtschaftsweisen innerhalb eines einzelnen Tages verständlich, praxisnah und ansprechend zu vermitteln. Unser Ziel ist es nicht, eine reine Betriebsführung zu organisieren oder den Berufsschulunterricht zu ersetzen, sondern Schwerpunkte des Öko-Landbaus auf pädagogisch und didaktisch sinnvolle Weise von jungen Menschen an in etwa Gleichaltrige weiterzugeben. Da ein solches Projekt in dieser Form bisher einzigartig ist, müssen wir alle Stationen eigenständig entwickeln. Die Schwierigkeit der Pilotphase lag folglich bisher darin, entsprechende Konzepte zu entwerfen, diese zu erproben und kontinuierlich anzupassen. Diese Erarbeitung war beziehungsweise ist mit einigem Aufwand verbunden, welchen die "BioBotschafter*innen" als ehrenamtliche Tätigkeit bewältigen – und wie wir wissen, ist die Zeit in der Landwirtschaft meist knapp bemessen.

Eine weitere Herausforderung im Projekt besteht in der aufwendigen Planung und Koordination. Trotz der begrenzten zeitlichen Ressourcen der Beteiligten müssen wir sicherstellen, dass alle Teilnehmenden umfassend betreut werden und wir dabei stets ein hohes Maß an Professionalität und Qualität gewährleisten. Gleichzeitig gilt es, den Zeitplan und die Projektmeilensteine stets im Blick zu behalten. Trotz eines gewissen Zeitdrucks haben wir das bisher gut hinbekommen.

Oekolandbau.de: Welche Erfahrungen haben die "BioBotschafter*innen" bereits gesammelt?

Biegelmaier: Im Juni und Juli 2024 haben die "BioBotschafter*innen" erfolgreich die ersten drei Projekttage der Pilotphase im Landkreis Heidenheim mit Berufsschulklassen unterschiedlicher Lehrjahre umgesetzt. Dabei konnten sie Inhalte und Methoden erproben. Das Feedback der Berufsschulklassen war überwiegend positiv, was unsere Projektidee und Stationskonzepte bestärkt. Die Auszubildenden zeigten großes Interesse an den praxisnahen Inhalten und schätzen die abwechslungsreiche Erfahrung auf den ökologischen Betrieben. Auch der Spaß kam bei den Meisten nicht zu kurz. 

Eine wichtige Lernerfahrung bei der Durchführung aller drei Projekttage war, dass die Wissensstände der Auszubildenden abhängig vom Lehrjahr und den persönlichen Hintergründen sehr unterschiedlich sind. Dies gilt es für die weitere Ausgestaltung der Stationsarbeit zu berücksichtigen. So könnte beispielweise bei Lehrjahr zwei schon tiefergehendes Fachwissen anstelle von Grundlagenwissen vermittelt werden.

Außerdem wurde bei den Projekttagen deutlich: Je stärker der Praxisbezug, desto größer die Motivation bzw. das Interesse der Berufsschülerinnen und -schüler.

Oekolandbau.de: Was sind die nächsten Schritte innerhalb des Projektes?

Biegelmaier: Nach der erfolgreichen Durchführung der ersten drei Projekttage dürfen wir alle einmal etwas durchschnaufen und uns über die bislang erreichten Meilensteine freuen. Im September 2024 wird dann die Evaluation und der damit einhergehende Abschluss der Pilotphase erfolgen.

Einer der nächsten Schritte ist es nun, die gesammelten Erfahrungen aufzuarbeiten und die Konzepte entsprechend der Evaluationsergebnisse für die zweijährige Hauptphase des Projekts weiterzuentwickeln. Diese beginnt ab Herbst und umfasst die Ausweitung des Projekts auf zwei weitere Regionen Deutschlands, bei der zusätzliche "Bio-Botschafter*innen" und Berufsschulklassen gewonnen werden sollen. Im Rahmen der Hauptphase werden auch vier neue Module zu den Themen regionale Wertschöpfungsketten, Technikeinsatz, Biodiversität und Betriebswirtschaft entwickelt. Das Ziel ist es, diese Module in mindestens zehn weiteren Projekttagen zu integrieren und damit noch mehr Auszubildende und Lehrkräfte zu erreichen.

Das erste Jahr des "BioBotschafter*innen"-Projekts hat deutlich gemacht, dass das Potenzial vorhanden ist, junge Menschen für nachhaltige und ökologische Landwirtschaft zu begeistern. Die bevorstehende Hauptphase verspricht, dieses Potenzial weiter auszubauen und noch mehr junge Menschen für die Themen der ökologischen Landwirtschaft zu sensibilisieren. Wir sind alle schon sehr gespannt auf den weiteren Projektverlauf und freuen bereits auf die Ausweitung. 

Letzte Aktualisierung 15.08.2024

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