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Heilige Stätte "Stonehenge der Niederlande": Das steckt hinter der Entdeckung

Illustration zeigt runde Grabanlage, auf der ein Priester steht
Ausgerichtet nach den Sonnenwenden: So könnte das "Stonehenge der Niederlande" in Tiel ausgesehen haben. Im Zentrum: ein Hügel, der auch als Grabanlange diente
© Municipality of Tiel/Handout via REUTERS
In den Niederlanden hat ein Archäologen-Team eine rund 4000 Jahre alte religiöse Stätte mit einem Grabhügel gefunden. Die Ausgrabung gilt als "Stonehenge der Niederlande" – und ist für die europäische Geschichte insgesamt von Bedeutung

Eine heilige Stätte, geschaffen vor rund 4000 Jahren: Ein niederländisches Archäologen-Team hat in der Stadt Tiel in der Nähe von Utrecht auf einem Industriegelände einen Kult-Platz mit einem Grabhügel entdeckt. In seinem Inneren fanden die Forschenden die sterblichen Überreste von 60 Männern, Frauen und Kindern.

Der Hügel hat einen Durchmesser von 20 Metern und diente offenbar auch als Sonnenkalender: Um ihn herum führte ein Graben mit mehreren Durchgängen. Zur Sommersonnenwende am 21. Juni und Wintersonnenwende am 22. Dezember soll die Sonne genau durch diese Öffnungen gestrahlt haben. So konnten die Menschen vom Hügel aus die längsten und den kürzesten Tag des Jahres bestimmen. Deshalb gilt die religiöse Stätte als "Stonehenge der Niederlande". Es ist dort der bislang erste Fund seiner Art.

 

Auf einem Feld wurden Ausgrabungen vorgenommen, durch die verschiedene Erdschichten zu sehen sind
Blick auf das Grabungsareal in Tiel in einem Industriegebiet: Insgesamt wurden rund eine Million Gegenstände freigelegt
© Municipality of Tiel/Handout via REUTERS

Doch welche Bedeutung hat die Entdeckung? Und inwiefern ist die Anlage mit dem berühmten Stonehenge in Südengland vergleichbar? "Ähnlich wie bei Stonehenge weist die religiöse Stätte in Tiel eine runde Struktur auf", sagt der Archäologe Dr. Fritz Jürgens von der Uni Kiel. Im Gegensatz zu den Menschen in England haben jene in den heutigen Niederlanden ihren Kult-Plätz jedoch nicht aus wuchtigen Steinkolossen errichtet, sondern aus Erde. Jürgens: "Damit ähnelt die Stätte eher der Kreisgrabenanlage von Pömmelte in Sachsen-Anhalt."

Noch etwas unterscheidet Stonehenge und Tiel: In Stonehenge befinden sich Gräber ausschließlich am Rand der Anlage, in Tiel dagegen ist das das Zentrum des Heiligtums der Grabhügel selbst. "Diese Kombination von Grabmal und Sonnenkalender macht die Fundstätte so interessant, erklärt Jürgens. "Außerdem können wir jetzt davon ausgehen, dass rituelle Ringkreisanlagen wie Stonehenge, Pömmelte, Newgrange in Irland und nun Tiel im Neolithikum und in der Bronzezeit ein flächendeckendes Phänomen in Europa waren."

 

Warum es aber für die Menschen so wichtig war, die Sommersonnenwende zu bestimmen, bleibt Spekulation. "Natürlich könnte dieser Tag Bauern einen Anhaltspunkt gegeben haben, wann die Ernte einzubringen war", vermutet Jürgens. "Allerdings laufen diese Arbeiten häufig einfach nach Gefühl." Möglicherweise spielte der längste und kürzeste Tag des Jahres im Kalender auch für Feste und Zeremonien eine Rolle.

Rund 800 Jahre lang wurde der Hügel als Grabstätte genutzt – offenbar für privilegierte Menschen. In einem der Gräber konnte das Archäologen-Team eine Glasperle bergen. Sie soll aus Mesopotamien, dem heutigen Irak, stammen, wo sich in jener Zeit bereits verschiedene Stadtstaaten wie Uruk etabliert hatten. In Europa dagegen wurde Glas noch nicht hergestellt. "Diese Perle muss einen enormen Wert gehabt haben", sagt Jürgens. Der Fund sei ein Beispiel dafür, über welch enorme Strecken bereits in der Bronzezeit Waren gehandelt wurden.

Insgesamt eine Million Gegenstände konnten die Forschenden in Tiel freilegen – ihre Untersuchungen in den kommenden Jahren sollen mehr Einblicke in den Alltag der Menschen der Bronzezeit und das "Stonehenge der Niederlande" geben.

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