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Geschichte O Tannenbaum: Wie das studentische Trinklied zum Weihnachtsklassiker wurde

Bescherung unter dem Weihnachtsbaum (19. Jahrhundert)
Bescherung: Der Brauch, sich zum Fest einen geschmückten Weihnachtsbaum in die gute Stube zu stellen, verbreitete sich vor allem im 19. Jahrhundert 
© akg-images
Das vielleicht beliebteste deutsche Weihnachtslied "O Tannenbaum" wird nicht nur zu Heiligabend landauf und landab angestimmt. Dabei hatte das Stück ursprünglich mit der Adventszeit überhaupt nichts zu tun. Es ist eine Mischung aus einem Studentenschlager und einem traurigen Liebeslied

Es gibt kein Entkommen. Wo immer man in der Adventszeit auch hingeht, vom Schuhladen bis zum Weihnachtsmarkt, "O Tannenbaum" ist schon da. Das Lied ist – wie die besungene Pflanze auch – ein echter Evergreen. Und in vielen Familien gehört der Vortrag dieses deutschen Weihnachtsklassikers genauso zu Heiligabend wie Geschenke und Kartoffelsalat. Doch nur die wenigsten wissen, welche Melodie sie da eigentlich singen. Denn das so feierliche Stück war ursprünglich ein studentisches Trinklied. 

Schon im späten 18. Jahrhundert schmetterten beschwipste Jungakademiker das Stück "Lauriger Horatius" (Lorbeerheld Horatius). Der Text dazu war auf Lateinisch, denn man war ja unter Bildungsbürgern. Ins Deutsche übersetzt klingen die Zeilen nicht besonders besinnlich ("Schwellend reich die Traube steht / Mädchens Busen hebt sich"). Wie also wurde aus dem weinseligen Studentenlied ein Weihnachtsklassiker?   

Das ist – zum Teil jedenfalls – das Verdienst des Predigers und Pädagogen August Zarnack, der ab 1815 als Erziehungsdirektor des Potsdamer Waisenhauses arbeitete. Wohl inspiriert von einer alten Volksweise, schrieb er die erste O-Tannenbaum-Strophe, wie wir sie auch heute noch singen. Der Sinn des Liedes war damals aber noch ein ganz anderer: Statt Weihnachtsmusik wollte Zarnack ein trauriges Liebeslied verfassen. Das verrät seine zweite Strophe. "O Mägdelein, o Mägdelein, wie falsch ist dein Gemüte", heißt es da. In Zarnacks Originalfassung sind die treuen Blätter des immergrünen Tannenbaums das Gegenbild zur wankelmütigen Geliebten. 

Erst 1824 nahm sich der Leipziger Lehrer Ernst Anschütz die Verse vor und dichtete sie zum Weihnachtslied um. Das Stück passte in eine Zeit, in der immer mehr Familien in der Adventszeit eine Tanne bei sich zuhause aufstellten. Hinzu kam die populäre Studentenmusik und "O Tannenbaum" war bereit, die Welt zu erobern. Mit seinen weinseligen Ursprüngen steht der Weihnachtsklassiker übrigens nicht allein da. Auch eine andere noch heute häufig gespielte Melodie gehörte früher zu einem Trinklied: die US-amerikanische Nationalhymne. 

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