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Jugoslawienkriege Die 1425 Tage von Sarajevo: Die Geschichte der längsten Belagerung des 20. Jahrhunderts

Eine Frau rennt mit einem Kind auf dem Arm über eine Straße
Unter Beschuss meistern die Menschen in Sarajevo einen Alltag im Angesicht des Todes. Der Fotograf Paul Lowe hat die Belagerung dokumentiert: Diese Frau rennt mit ihrem Kind über die sogenannte "Sniper Alley", auf der bosnisch-serbische Scharfschützen regelmäßig auf Zivilisten zielen
 
© Paul Lowe/Panos Pictures/Visum
Anfang der 1990er-Jahre zerbirst der Vielvölkerstaat Jugoslawien: Ethnische Spannungen und das Hegemoniestreben der Serben befeuern blutige Kriege. Besonders opferreich ist der Jugoslawienkonflikt in Bosnien-Herzegowina. Dessen weltoffene Hauptstadt Sarajevo wird jahrelang belagert – und erleidet am 5. Februar 1994 einen grausamen Anschlag

Der 5. Februar 1994 ist ein wunderschöner Tag in Sarajevo. Das erinnern alle ganz genau. Zumindest all jene in der Stadt, die ihn und den Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina überlebt haben. Sonnenstrahlen wärmen die Luft, über allem liegt eine Ahnung von Frühling, von ein bisschen Hoffnung. Tausende sind an diesem Morgen unterwegs, haben die Wintermäntel aufgeknöpft, die Schals gelockert. Sonst wagen sich viele erst im Schutz der Dunkelheit auf die Straßen der belagerten Stadt, die einst ein Inbegriff multikultureller Lebensfreude war. Über Jahrhunderte hinweg lebten hier muslimische Bosnier, katholische Kroaten, Juden und orthodoxe Serben friedlich zusammen, ragten Minarette, Kirchtürme und Kuppeln orthodoxer Gotteshäuser einträchtig nebeneinander in den Himmel.

Doch das scheint lange her. Seit fast zwei Jahren schießen Soldaten des serbischen Lagers von umliegenden Berghängen auf die vieltürmige Stadt an der Miljacka. Mit Mörsern und sogar Flugabwehrkanonen feuern sie Granaten ab, Scharfschützen nehmen jede und jeden ins Visier, Alte, Kranke, Frauen, Kinder, Männer. Tag und Nacht. Die Momente, in denen wie an diesem Morgen das Geschützfeuer fast verstummt, sind selten.

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