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100. Geburtstag Die unglaubliche Geschichte von Hachiko – dem treuesten Hund der Welt

Der Hund Hachiko wird ausgestopft und hergerichtet
Verehrung über den Tod hinaus: Als Hachiko 1935 starb, wurde sein Körper präpariert. Heute ist er im Nationalmuseum der Naturwissenschaften in Tokio zu sehen 
© Pictures From History/Universal Images Group / Getty Images
Der Akita-Hund Hachiko rührte Millionen Menschen: Jahrelang wartete er auf einem Bahnhof in Tokio vergeblich auf sein Herrchen. Über einen Hund und dessen bedingungslose Treue

Es ist Donnerstag, der 21. Mai 1925, 15 Uhr. Am Bahnhof Shibuya im Osten Tokios wartet ein großer Hund mit cremefarbenem Fell, Ringelschwanz und abstehenden Ohren auf sein Herrchen, so wie jeden Nachmittag. Nur: Heute hält der Vierbeiner, ein Akita, vergebens Ausschau. Denn sein Halter Hidesaburo Ueno, Professor für Agrarwissenschaft, ist während einer Vorlesung an einer Hirnblutung verstorben.

Trotzdem erscheint Hachiko, so sein Name, immer wieder am Bahnhof Shibuya, um sein Herrchen zu empfangen – fast zehn Jahre lang, bis zum Ende seines Lebens. Diese ewige Treue macht ihn zum berühmtesten Hund Japans, und zum traurigsten.

Hachiko wird getreten – und lässt sich doch nicht vertreiben

Hachiko wird im November 1923 im Norden des Landes geboren. Akitas – intelligent, aufgeweckt, gehorsam – zählen zu den beliebtesten Rassen des Landes. Sein Züchter schickt ihn im Januar 1924 in einer Transportkiste nach Tokio zu Professor Hidesaburo Ueno, einem Hundeliebhaber. Unter dessen Obhut wächst der Welpe zu einem stattlichen, 60 Zentimeter großen, 40 Kilo schweren Tier heran.

Ueno etabliert ein tägliches Ritual: Morgens lässt er sich auf dem Weg zur Arbeit von Hachiko bis zum Bahnhof Shibuya begleiten. Dann steigt er in den Zug zur Universität Tokio – und wenn er nachmittags zurückkommt, wartet sein Hund bereits an der Bahnstation auf ihn. Bis zu jenem verhängnisvollen 21. Mai 1925, als Ueno stirbt. Nur Monate hatte Hachiko mit seinem Herrchen verbracht – und trotzdem baute der Hund eine lebenslange Loyalität zu ihm auf.

In den nächsten Jahren stromert Hachiko, mittlerweile bei Uenos früherem Gärtner untergekommen, immer wieder zum Bahnhof Shibuya. Gern gesehen ist der Vierbeiner dort zunächst nicht: Manche Fahrgäste überschütten ihn mit Wasser, Jugendliche jagen und treten ihn, besprühen sein Fell mit Farbe. Doch Hachiko lässt sich nicht vertreiben – bezieht weiter beharrlich seinen Warteposten an der Bahnstation.

Menschen gehen in Tokio vor einem Wandbild von Hachiko vorbei
Eine Reihe von Statuen und Wandbilder (hier in Tokio) halten die Erinnerung an den Akita-Hund Hachiko wach. Auch Bücher, Mangas und Filme erzählen dessen Geschichte
© Carl Court / Getty Images

Im Oktober 1932, sieben Jahre später, wird der Bahnhofs-Hund schlagartig zur Ikone: Ein früherer Student Uenos veröffentlicht in der Zeitung "Tokyo Asahi-shimbun" den Artikel "Die Geschichte des traurigen alten Hundes" und rührt damit die Leserinnen und Leser. Plötzlich wird der Hachiko nicht mehr gequält; stattdessen bringen Fahrgäste ihm Fressen, wollen Kinder ihn streicheln, reisen Menschen aus ganz Japan an, um den treuesten Hund der Welt zu sehen. Bald verkaufen die Bahnhofsgeschäfte Hachiko-Kuscheltiere, Hachiko-Schokolade, Hachiko-Kuchen. Und Autoren verfassen Hachiko-Gedichte.

Den Gipfel seiner Popularität erreicht der Hund 1934: Eine öffentliche Spendenkampagne bringt genug Geld für eine lebensgroße Hachiko-Bronzestatue ein. Die Einweihung am 21. April wird zum Spektakel vor tausenden Schaulustigen, der Bürgermeister des Stadtteils hält eine Rede, das Radio überträgt live.

Im folgenden Jahr, am 8. März, allerdings stirbt Hachiko. Tausende Verehrer pilgern zu seiner Statue, um dort Abschied zu nehmen. Seine letzte Ruhe findet der Hund auf einem Friedhof in Tokio – neben dem Grab seines geliebten Herrchens.

Hachikos Todesursache beschäftigt Japan über Jahrzehnte. Angeblich, so eine der Legenden, hatte der Hund Fleischspieße verschluckt, die ihm den Magen aufrissen. Erst 2011  untersuchten Forschende seine aufbewahrten Organe und fanden heraus: Hachiko war an Krebs und einer Wurm-Infektion gestorben.

Bis heute bleibt der Hund unvergessen: Sein präparierter Körper wird im Nationalmuseum der Naturwissenschaften in Tokio ausgestellt. 1994 reparierten Techniker eine zerbrochene Schallplatte, auf der Hachikos Bellen zu hören ist – als eine Rundfunkstation die Stimme des Hundes an die Nation sendete, war das eine Sensation. Ungezählte Kinderbücher, Mangas und Filme erzählen vom Leben des Vierbeiners. Seit 2003 dreht ein "Hachiko-Bus" in Shibuya seine Runden.  

Der Hund – so erklärte die Anthropologin Christine Yano Hachikos Strahlkraft 2023 in der BBC – verkörpert den "idealen japanischen Bürger" mit seiner "bedingungslosen Ergebenheit": "loyal, zuverlässig, gehorsam gegenüber einem Meister, ohne sich auf Rationalität zu verlassen".

Ein bissiger Kommentar, der nichts daran ändert, dass Hachikos Geschichte Menschen auf der ganzen Welt bewegt, auch im Kino. 2009 brachte "Hachiko – Eine wunderbare Freundschaft" mit Hollywood-Star Richard Gere in der menschlichen Hauptrolle Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer zum Schluchzen.

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