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Lenker der Massen Wie PR-Profi Edward Bernays Zigaretten "feministisch" machte – und Verschwörungstheorien verbreitete

Porträt von Edward Bernays mit Schnauzbart
Edward Bernays (1891-1995) machte sich einen Namen als Fachmann für Kriegspropaganda,  Werbung und politische Kampagnen  
© Jan Krummrey / GEO
Edward Bernays lernte nicht zuletzt durch seinen Onkel Sigmund Freud, wie man Menschen manipulieren kann. Sein Wissen nutzte er in den USA unter anderem für spektakuläre Werbeaktionen

Mitten auf der Straße fangen sie an zu rauchen. Zehn Frauen mit Pelzkragen und Hut laufen die Fifth Avenue in New York entlang, geben einander Feuer, inhalieren. Ein wohl nie da gewesener Anblick für die Zuschauer der Osterparade im Jahr 1929. Frauen, die öffentlich rauchen, das ist bisher etwas Unerhörtes in Amerika.

Eine von ihnen, Bertha Hunt, erklärt einem Reporter: "Ich hoffe, dass diese Fackeln der Freiheit das Tabu beenden werden." Am nächsten Tag sind die rauchenden Frauen auf Titelseiten im ganzen Land zu sehen, Zigaretten werden zum Symbol der Emanzipation.

Die Zeitungsredaktionen wissen nicht, dass für den Auftritt ein Mann verantwortlich ist, Edward Bernays – und der hat nicht die Rechte der Frauen im Sinn, sondern die Umsätze der Zigarettenfirma American Tobacco. Bertha Hunt ist seine Sekretärin, die anderen Frauen angehende Models. 

Mit den "Fackeln der Freiheit" gelingt Bernays eine der spektakulärsten Imagekampagnen des 20. Jahrhunderts. Er bewirbt nicht einfach Produkte, er versucht bei den Konsumenten Wünsche zu wecken. Eine Strategie, die ihm eine große Karriere beschert – und bald Verschwörungsideologen als Beweis dafür gilt, dass die Massen manipuliert werden.

Edward Bernays interessierte, wie das Unterbewusstsein funktioniert

Edward Bernays ist ein Jahr alt, als seine Eltern mit ihm 1892 von Wien nach New York auswandern. Bald nach dem Collegeabschluss bewirbt er als Presseagent Theaterstücke am Broadway. Als die USA im April 1917 in den Ersten Weltkrieg eintreten, meldet sich Bernays freiwillig als Soldat. Wegen seiner Plattfüße landet er in einer Propaganda-Einheit. Jenes von Präsident Woodrow Wilson geschaffene "Komitee für Öffentlichkeitsinformation" finanziert Presse-Artikel, Bücher, Filme und Plakate – und überzeugt damit viele Menschen, dass der Krieg gegen Deutschland notwendig ist.

Bernays lernt, wie sich Menschen für eine Sache einnehmen lassen. Was im Krieg funktioniere, müsse auch im Frieden möglich sein, sagt er sich. In New York macht er sich selbstständig, nennt sich bald Berater für Public Relations. Bernays nutzt für seine PR die Theorien seines berühmten Onkels, des Psychoanalytikers Sigmund Freud. Die Gespräche, die er mit dem Bruder seiner Mutter bei einem Besuch in Europa geführt hat, bleiben ihm lange in Erinnerung; Bernays interessiert, wie das Unterbewusstsein funktioniert und wie es sich beeinflussen lässt.

In den 1920ern bittet eine Lebensmittelfirma ihn, den Umsatz von Speck zu steigern. Bernays startet eine Umfrage unter Ärzten, die sich mehrheitlich für ein kräftiges Frühstück aussprechen. Er platziert dieses Ergebnis als Nachricht in Zeitungen, und bald steigt die Zahl der Amerikaner, die morgens "bacon and eggs" frühstücken.

Werbeplakat für die Zigaretten "Lucky Strike"
"Greifen Sie zur Lucky statt zu Süßigkeiten" – die von Edward Bernays erdachte Zigarettenwerbung aus dem Jahr 1929 spielt mit dem Schlankheitstraum vieler Frauen
© Collection of Stanford Research Into the Impact of Tobacco Advertising

Vorher versuchten Firmen oft, Produkte an die Wünsche der Konsumenten anzupassen. Bernays macht das Gegenteil, er verändert das Begehren der Menschen.

Doch der PR-Berater beeinflusst auch die Politik. 1950 startet er eine Pressekampagne gegen den neu gewählten Präsidenten Guatemalas, Jacobo Árbenz Guzmán, verunglimpft den linksgerichteten Politiker als Kommunisten und Freund Moskaus. Bernays’ Auftraggeber ist das US-Unternehmen United Fruits Company, das verhindern will, dass die guatemaltekische Regierung seine Bananenplantagen enteignet. Der Kalte Krieg hat längst begonnen, viele fordern ein Eingreifen der USA in Guatemala. 

Die Kampagne prägt die öffentliche Meinung, schürt die Angst vor einer sowjetischen Einflussnahme. 1954 dringen von der CIA aufgestellte Truppen in das Land ein und zwingen die Regierung zum Rücktritt. Guatemalas Demokratie weicht einer Militärdiktatur – auch wegen Bernays’ Propaganda.

Bernays hielt sich für den größten aller Propagandisten

Seiner Karriere schadet das nicht, im Gegenteil. Seine Bücher "Crystallizing Public Opinion" und "Propaganda" werden zu Standardwerken der PR-Branche. Darin schreibt er, dass eine "unsichtbare Regierung" von Einflussreichen die Gesellschaft lenke; um Chaos zu vermeiden, forme sie die Gedanken, Meinungen und den Geschmack der Menschen.

Aussagen wie diese erklären, warum Bernays’ Name auch in jüngster Vergangenheit in Debatten um vermeintliche Komplotte auftaucht. So bezieht sich etwa der deutsche Verschwörungsideologe Ken Jebsen, lange tätig als öffentlich-rechtlicher Radiomoderator, auf Bernays. Und auf der Internet-Plattform YouTube finden sich Videos, die zu belegen versuchen, dass globale Eliten mit Bernays’ Methoden die Welt kontrollieren.

Bernays schreibt bis ins hohe Alter Artikel, hält Vorträge, erzählt seine Coups nach, versucht zu zeigen, dass er der größte aller Propagandisten ist. Als er 1995 mit 103 Jahren stirbt, bezeichnet ihn die New York Times in einem Nachruf als "Vater der Public Relations" – sein finaler PR-Erfolg.

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