Anzeige

Alpen-Rebell Andreas Hofer: Der Che Guevara Südtirols

Andreas Hofer umringt von Anhängern
Der Anführer der Bauern: Andreas Hofer mobilisiert im Jahr 1809 höchst erfolgreich Männer für den Tiroler Volksaufstand gegen die Bayern. Drei Schlachten können die Tiroler für sich entscheiden (Holzstich um 1890)
© akg-images
Im Jahr 1809 schwang sich der Wirt, Vieh- und Weinhändler Andreas Hofer zum Rebellenführer auf und führte den Tiroler Aufstand gegen das Königreich Bayern an. Sein Kampf machte ihn zum umstrittenen Volkshelden – und zu einer Marke, die bis heute zieht

Es gibt fast kein Produkt, auf dem sein Konterfei nicht prangt: Shirts, Hoodies, Sticker, Buttons, Mützen, Caps, Stoffbeutel, Taschen. Überall ist der Mann mit dem Rauschebart und dem ausladenden Hut zu sehen, manchmal mit der Angabe: "born 1767 – executed 1810". Oder: "still fighting". Selbst Weinflaschen ziert sein Name. Er lautet: Andreas Hofer.

Im Namen der Freiheit und des Glaubens kämpfte Hofer als Rebellenführer einst für seine Tiroler Heimat gegen Franzosen und Bayern. Er war der Underdog, der übermächtige Gegner das Fürchten lehrte. Heute vermarkten ihn Geschäftsleute wie einen Che Guevara Südtirols, produzieren Bilder im Stil des berühmten kubanischen Revolutionärs. Dabei wird Hofer längst nicht nur als Freiheitsheld gefeiert: Kritische Stimmen vergleichen ihn mit islamistischen Taliban-Anführern. Wer ist der Mann hinter der Legende?

Andreas Hofer ging "nie ohne mannhaften Weingenuss schlafen"

Andreas Hofer scheint eine Karriere als Kämpfer alles andere als in die Wiege gelegt. 1767 wird er im Passeiertal nördlich von Meran geboren, als Sohn eines Wirtshausbesitzers. Allerdings: Seine Hebamme will bei Hofers Geburt einen leuchtenden Kometen "in Gestalt eines Jagdgewehres" am Nachthimmel gesehen haben. Mit 22 übernimmt der junge Mann den elterlichen Hof, zu dem neben dem Wirtshaus auch eine Tränke gehört.

Hofer geht "nie ohne mannhaften Weingenuss schlafen", berichtet der Historiker Beda Weber im 19. Jahrhundert, und auf seinen Reisen lässt er sich den Wein "in einem eigenen Fässlein nachführen". Gleichzeitig sei Hofer derart gottesfürchtig, dass Grübelei keinen Platz in seinem Gemüt finde. Andere Zeitgenossen erklären, Hofers "ganzes Wesen" sei "anziehend und Zutrauen erweckend". 

Sein Markenzeichen, der lange Bart, geht angeblich auf einen Jux zurück: Demnach hat ein Freund Hofers mit ihm gewettet, er würde sich keinen so langen Bart wie ein verkommener Bettler wachsen lassen. Der Einsatz: zwei Ochsen. Hofer lässt nicht nur seinen Bart sprießen – er behält ihn nach gewonnener Wette einfach bei.

Andreas Hofer vor einer Berglandschaft
Treu, bescheiden, fromm: Diese Eigenschaften machten Andreas Hofer  äußerst beliebt. Als Wirt, Vieh- und Weinhändler war er in Tirol zudem wohlbekannt und gut vernetzt
© akg-images

1796 aber holt die Weltpolitik die Tiroler Bergwelt ein: Napoleon, am Beginn seiner Eroberungsfeldzüge in Europa, marschiert erst in Italien ein, dann in Tirol – und damit in Österreich. Hofer verteidigt seine Heimat als Hauptmann einer Schützenkompanie, steigt zum Kommandanten über 129 Mann auf. 

Zwar verbleibt Tirol nach Kriegsende unter österreichischer Herrschaft, doch das soll sich nur wenige Jahre später ändern: 1805, im Dritten Koalitionskrieg, triumphiert Napoleon über Österreich und zwingt Kaiser Franz den Frieden von Preßburg auf. Die Grafschaft Tirol wird dem neu geschaffenen Königreich Bayern zugeschlagen – der Lohn dafür, dass Bayern sich auf die Seite Frankreichs gestellt hatte. Fortan heißt Tirol "Südbayern".

Bayern wollte Tirol radikal modernisieren

Die neuen Landesherren verordnen dem traditionellen, streng katholischen Bergland eine radikale Modernisierungskur, führen eine Verfassung ein, schaffen die Leibeigenschaft ab, stellen Katholiken, Lutheraner und Reformierte gleich, schreiben als erstes Land der Welt eine Impfpflicht gegen Pocken vor. Gleichzeitig verbieten sie traditionelle religiöse Bräuche wie die Christmette, Bittgänge und Prozessionen, lösen Klöster auf oder verkaufen sie. 

Als Bayern auch noch junge Männer für Napoleons Feldzüge zum Militärdienst einzieht, ist das der Funke, an dem sich der Aufstand entzündet. Zwar konnten Tiroler auch vorher zum Kriegsdienst verpflichtet werden – allerdings nur innerhalb der Grenzen ihrer Grafschaft. Seit 1511, so regelte es die alte Wehrverfassung, musste kein einziger Tiroler zum Wehrdienst sein Heimatland verlassen. 

Am 9. April 1809 erklärt Österreich Frankreich und Bayern den Krieg – für die Tiroler das Zeichen zum Losschlagen. Zuvor hatte Erzherzog Johann, der Bruder des Kaisers, Hofer nach Wien bestellt, um Verschwörungspläne zu schmieden. Und so greifen nun Tiroler Schützen in Innsbruck handstreichartig zu den Waffen und verschanzen sich auf dem knapp 750 Meter hohen Bergisel südlich der Stadt. Tatsächlich können sie die überrumpelten bayerischen Truppen abwehren, nehmen Tausende gegnerische Soldaten gefangen, erbeuten Pferde, Geschütze, Fahnen als Trophäen. 

Hofer, der Wirt, Vieh- und Weinhändler, übernimmt rasch das Oberkommando über die Tiroler Landesverteidigung. Weithin im Land bekannt und geschätzt, mobilisiert er bewaffnete Bauern aus ganz Tirol gegen die Besatzer. 

Postkarte zeigt ein Gesangs- und Tanzensemble vor Bergkulisse
Vor allem gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt sich ein Kult um Andreas Hofer. Ihm werden nicht nur Gedichte und Gemälde gewidmet, auch dieses Tiroler Gesangs- und Tanzensamble benannte sich nach ihm
© arkivi / akg-images

Zwei weitere Schlachten im Mai und August entscheiden Hofers Männer am Bergisel für sich – die Erfolge begründen seinen späteren Heldenruhm. Angetrieben von Patriotismus und der Überzeugung, Gott an ihrer Seite zu haben, führen Hofers Milizen einen verbissenen Guerillakrieg. Der einstige Wirt zieht als Landesregent in die Innsbrucker Hofburg ein.

"Hofer war in der ihm eigenen Art der optimistischen Einfalt und begeisterungsfähigen Gemüthaftigkeit zweifellos davon überzeugt, dass er dazu auserwählt war, zur höheren Ehre Gottes die gerechte Sache seines Volkes zu vertreten", schreibt der Autor Hans Magenschab in seiner Biografie des Alpenrebellen.

Schnell jedoch muss Hofer feststellen: Eine Region zu regieren ist etwas völlig anderes, als einen Partisanenkrieg zu führen. "Er war ein tiefreligiöser Mann, der sich mit ganzer Kraft für die Bewahrung der alten Werte und Traditionen einsetzte", erklärt der Historiker Norbert Parschalk Hofers frommes "Regierungsprogramm". Denn der Regent verbietet Feste, Bälle und unzüchtige Kleidung, ordnet an, dass Wirtshäuser während des Gottesdienstes geschlossen bleiben – und verprellt damit zusehends seine Anhänger.

Am 20. Februar wurde Andreas Hofer auf Befehl Napoleons hingerichtet

Gleichzeitig geht das Ringen um Tirol weiter: Im Oktober 1809 muss Österreich, im Krieg unterlegen, mit Napoleon Frieden schließen. Damit steht die aufrührerische Grafschaft allein im Kampf gegen Frankreich und Bayern. Hofer und seine Mitstreiter befinden sich in einer aussichtslosen Lage – und kämpfen trotzdem weiter.

Bei der vierten Bergiselschlacht jedoch schießt die übermächtige Artillerie bayerischer Truppen die Aufständischen in wenigen Stunden zusammen. Hofer flieht und versteckt sich auf einer Alm im Passeiertal, wo ihn ein Landsmann verrät. Im Januar 1810 setzen ihn Soldaten fest und bringen ihn nach Mantua. Dort wird Hofer am 20. Februar auf Befehl Napoleons hingerichtet. 

Soldaten bringen Andreas Hofer zur Hinrichtungsstätte
Am 20. Februar 1810 wird Hofer durch ein Erschießungskommando hingerichtet. Der Holzstich um 1860 zeigt die zunehmende Verklärung des Rebellenführers
© akg-images

Doch lange bleibt Tirol nicht bayerisch: Auf dem Wiener Kongress 1814/15 wird die Region wieder Österreich zugeschlagen, nach dem Ersten Weltkrieg verleibt sich Italien den südlichen Teil ein – gegen den Willen der deutschsprachigen Mehrheit. Jahrzehntelang fordern Bewohnerinnen und Bewohner mehr Autonomie von Italien, wehren sich auch mit Gewalt gegen die Fremdherrschaft: Zwischen 1956 und 1988 verüben Separatisten knapp 400 Anschläge. 

Der lange Kampf um Selbstbestimmung, um einen Platz zwischen großen Mächten, fördert den Kult um Andreas Hofer: Ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert, mit dem Aufkommen des Nationalismus, steigt der Freiheitskämpfer zum Nationalhelden auf. 

Gedichte preisen seine Frömmigkeit und bedingungslose Treue zum Vaterland, Maler stellen ihn als mitreißenden Anführer und Mann des Volkes dar, Denkmäler zeigen ihn als entschlossenen Kommandanten. 1914 flimmert Hofers Kampf erstmals über die Kinoleinwand, Gedenkfeiern, Bücher und Comics halten die Erinnerung an den Tiroler wach. Von dort ist es nicht mehr weit zur Verehrung auf Shirts und Tassen – zur Marke Andreas Hofer. 

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel