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Technik Urin-Recycling im Raumanzug: Erst pinkeln, dann trinken

Drei Astronauten auf der ISS halten Trinkpäckchen hoch
Na dann Prost: 2009 stießen die Astronauten auf der ISS mit recyceltem Abwasser aus dem damals brandneuen "Water Recovery System" an.
© NASA
Auf Weltraumspaziergängen tragen Astronauten und Astronautinnen eine Windel. Doch bei Mond- oder Marsmissionen wird eine solche Wasserverschwendung schnell gefährlich. Ein neu entwickeltes System soll Urin künftig umgehend recyceln

Trinkwasser ist im Weltraum eine seltene und wertvolle Ressource. Es ins All zu transportieren ist teuer und aufwendig. Auf der Raumstation ISS ist deswegen ein Recycling-System im Einsatz. Eine Einheit namens Urine Processor Assembly (UPA) destilliert Trinkwasser aus Urin. Inzwischen lassen sich so bis zu 98 Prozent des Wassers zurückgewinnen. Doch sobald die Astronauten und Astronautinnen die Raumstation verlassen, etwa um Reparaturarbeiten vorzunehmen, haben sie keine Wahl: Sie müssen eine Windel anziehen. Das "Maximum Absorbancy Garment" der NASA, das seit den 1980er-Jahren im Einsatz ist, fängt Ausscheidungen jeder Art in einem supersaugfähigen Polymer auf. 

Besonders bequem scheint die Hightech-Windel nicht zu sein, zumal ein durchschnittlicher Spacewalk mehr als sechs Stunden dauert. "Berichten zufolge ist sie schon ausgelaufen und hat gesundheitliche Probleme wie Harnwegsinfektionen und Magen-Darm-Beschwerden verursacht", sagt Sofia Etlin, Forscherin an der Cornell University. Mit ihrem Team hat sie nun eine zukunftsträchtigere Lösung entwickelt, die gleichzeitig ein zweites Problem löst: Den begrenzten Trinkwasservorrat im Raumanzug. Astronauten riskieren zu dehydrieren, zumal sie in dem Anzug stark schwitzen.

Radlerhose und Zeichnung eines Menschen mit kastenförmigem Rucksack
Die Unterhose, hier ein Prototyp, sammelt den Urin. Sie leitet ihn an ein Filtersystem, das wie ein Rucksack auf dem Rücken getragen werden soll
© Claire Walter/Karen Morales

Etlins Prototyp besteht aus einer speziellen Unterhose, die um einen rund acht Kilo schweren Rucksack mit Recycling-Einheit ergänzt werden soll. Der Träger oder die Trägerin pinkeln in eine mit Kunstfaser ausgekleidete Silikonschale, die für Männer und Frauen jeweils unterschiedlich geformt ist und eng im Schritt anliegt. Weil die Flüssigkeit in der Schwerelosigkeit nicht von selbst abfließt, saugt eine sensorgesteuerte Vakuum-Pumpe sie ab. Es folgt eine energiesparende Reinigung in einem Filtersystem, das Abfallstoffe und Salze abtrennt. Das gereinigte Wasser wird mit Elektrolyten angereichert und in den Trinkbeutel geleitet. 500 Milliliter Urin zu reinigen dauert nach Angaben der Forschenden nur fünf Minuten. Dabei werden gut 87 Prozent des Wassers im Pipi zurückgewonnen. 

Die Details ihres Systems wurden gerade in der Fachzeitschrift "Frontiers in Space Technologies" veröffentlicht. Nun will das Team Prototypen unter realistischen Bedingungen testen. Um die Technik auf den Markt zu bringen, hat es eine Firma namens Fremen Space Inc. gegründet. Sie ist nach den Bewohnern des fiktiven Wüstenplaneten Dune benannt, deren "Stillsuit" Urin und Schweiß aufbereitet. 

Besonders interessant sind Recyclingsysteme für bemannte Missionen zum Mond oder zum Mars. Die NASA will im Rahmen ihres Artemis-Programms schon im Jahr 2026 Menschen zur Mondoberfläche bringen. Sollte außerhalb der Raumkapsel etwas schiefgehen, könnten sie erheblich mehr Zeit in ihrem Anzug verbringen müssen als geplant. Zwar würde ein Wasserrecycling-System dessen Batterie zusätzlich beanspruchen, räumen die Forschenden ein. Doch gerade im Notfall brauchen Raumfahrende einen kühlen Kopf und keine trockene Kehle. 

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