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Überlebenskünstler Kandidat für Besiedelung? Resistentes Supermoos übersteht Marssimulation

Ein Moos wächst auf einem Stein
Das Moos Syntrichia caninervis übersteht selbst Austrockung und Einfrieren weitgehend unbeschadet
© Zookanthos / iNaturalist.ca
Forschende haben ein Moos mit beeindruckenden Überlebenskünsten genauer untersucht. Das Ergebnis: Es könnte sogar den extremen Bedingungen auf dem Mars widerstehen. Die Studienautoren fantasieren gar von einer Begrünung des roten Planeten. Allerdings hat die Sache einen Haken

Science-Fiction-Autoren und manche Marsforscherinnen träumen schon lange davon: Den roten Planeten zu begrünen und letztlich zu besiedeln. Die Pioniere für ein solches Unterfangen wären wohl Moose oder Flechten, die schon auf Erden zu den widerstandsfähigsten Gewächsen zählen und die unwirtlichsten Orte erobert haben. Eine Pflanze ragt dabei besonders heraus, wie chinesische Forschende in der Fachzeitschrift "The Innovation" berichten.

Das Moos namens Syntrichia caninervis ist unter anderem in der Mojave-Wüste im Westen Nordamerikas heimisch. Jener Region, in der sich auch das berüchtige Death Valley befindet, das "Tal des Todes" – einer der heißesten Orte der Erde. Gerade einmal 15 Zentimeter Niederschlag fallen hier pro Jahr. Aber Wasser gewinnt S. caninervis dank seiner nanometerfein gerillten Blattstruktur ohnehin aus der staubigen Wüstenluft. Auch im zentralasiatischen Pamir-Gebirge, in Tibet, der Antarktis und den Polregionen ist das Supermoos zu finden.

Sind die Lebensbedingungen besonders hart, zieht sich das Moos in sich selbst zurück und verfällt in einen Ruhezustand: Die Blätter werden dunkel und schlaff. Die Forschenden nennen das "dying without dying" (sterben, ohne zu sterben). In diesem Ruhestadium ist die Pflanze noch einmal resistenter. Sobald sich die Bedingungen wieder verbessern, erwacht sie sofort zu neuem Leben und bildet grüne Blätter.

Könnte das Moos unter Marsbedingungen überleben?

Um herauszufinden, ob die Pflanze alle Eigenschaften für ein Überleben auf dem Mars mitbringt, unterzogen die Forschenden das Gewächs verschiedenen Härtetests: Sie ließen es zu 98 Prozent austrocknen, froren es einen Monat bei  minus 196 Grad Celsius ein und bestrahlten es mit radioaktiver Gammastrahlung von 5000 Gy. Zum Vergleich: Für Menschen ist schon eine Dosis von 50 Gy absolut tödlich.

Mehr als die Hälfte der Testpflanzen überstand all diese Prozeduren. Die Blätter erblassten zunächst und ergrünten anschließend wieder, als die Lebensbedingungen besser wurden. Leichte Gammastrahlung ließ die Blätter sogar noch üppiger sprießen.

Bis zu sieben Tage Marssimulation

Doch würde das Gewächs auch unter realistischen Marsbedingungen gedeihen? Um das herauszufinden, testeten die Forschenden das Moos in einem Spezialgerät namens "Planetary Atmospheres Simulation Facility". Damit lassen sich die Bedingungen auf anderen Planeten simulieren. In diesem Fall wurden getestet: 

  • Tägliche Temperaturschwankungen von plus 20 bis minus 60 Grad Celsius
  • Rund 95 Prozent CO2-Gehalt der dünnen Atmosphäre
  • Tödliche UV-Strahlung
  • Nur rund 0,6 Prozent des Luftdrucks der Erde

Wurde das Moos im getrockneten Ruhestadium für bis zu sieben Tage den Marsbedingungen ausgesetzt, erholte es sich nach der Bewässerung binnen 30 Tagen wieder. Das ist doppelt so lange wie ein Vergleichsmoos, das unter normalen Bedingungen getrocknet wurde. Setzten die Forschenden das Moos allerdings im Normalzustand für einen Tag Marsbedingungen aus, brauchte es deutlich länger, um sich von der Strapaze zu erholen.

Kritiker bemängeln: von üppigem Wachstum keine Spur

Das heißt: Im Ruhezustand könnte das Moos wohl für einige Zeit auf dem Mars überleben. Aber von üppigem Wachstum und Vermehrung könnte dennoch keine Rede sein. Ohne menschliche Hilfe würde es sich auf der Marsoberfläche wohl kaum ausbreiten. Dafür wären wahrscheinlich weitere genetische Anpassungen nötig.

"Wenn es eine Pflanze gibt, die auf dem Mars leben kann, dann ist es dieses Moos", sagt David Eldridge, Professor für Umweltwissenschaften an der University of New South Wales gegenüber dem Wissensmagazin "New Scientist". Zugleich schränkt er aber ein: "Sie könnte überleben, aber ich bezweifle, dass sie gedeihen würde." Auch andere Forschende äußerten sich kritisch.

Der "grüne Mars" liegt in sehr weiter Ferne

Die Studienautoren selbst sehen das allerdings anders. Sie schreiben in ihrer Veröffentlichung: "S. caninervis ist ein vielversprechender Kandidat, der die Terraforming-Bemühungen auf dem Mars oder anderen Planeten erleichtern könnte", und weiter: "Es könnte als Pionierart und Grundlage für die Einrichtung und Erhaltung des Ökosystems dienen, indem es zur Sauerstoffproduktion, Kohlenstoffbindung und Bodenfruchtbarkeit beiträgt." 

All das könne die Umweltbedingungen verbessern, sodass auf dem Mars auch andere Pflanzen, Tiere und letztlich der Menschen lebensfähig werden. Darüber hinaus könnten S. caninervis Gene dazu dienen, stresstolerante Nutzpflanzen für den Mars zu erschaffen.

Es ist allerdings fraglich, ob der Mars überhaupt das Potenzial hat, jemals eine "zweite Erde" zu werden, auf der Tiere oder gar Menschen außerhalb von Kuppeln und ohne Schutzanzug überleben könnten. Dagegen sprechen neben der dünnen Atmosphäre die extreme Strahlung und ein so schwacher Luftdruck, dass menschliches Blut bei Körpertemperatur zu sieden begänne.

Doch vielleicht könnten sich in dem Moos, sollte es tatsächlich einmal den Mars besiedeln, zumindest Bärtierchen tummeln. Die millimeterkleinen Organismen, die aussehen wie achtbeinige Gummibärchen, haben bereits bewiesen, dass sie sogar im Weltall überdauern können.

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