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AFD-Umfragehoch Keine Angst vor Weimar: Warum 2023 nicht 1932 ist

Polizei und Demonstranten in Berlin 1932
Politische Unruhe: In Berlin drängten Polizisten im Juni 1932 aufgebrachte Demonstranten zurück. Immer kam es zu Krawallen zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten
© United Archives International / imago images
Die AFD liegt derzeit im Umfragehoch und immer wieder kursieren Warnungen vor "Weimarer Zuständen". Die Historikerin Dr. Verena Wirtz erklärt, warum wir sehr weit weg von den Verhältnissen in der Weimarer Republik sind – und warum sich Geschichte nicht einfach wiederholt

GEOplus: Frau Dr. Wirtz, Sie erforschen, wie wir heute auf die Weimarer Republik schauen. Nun liegt die AFD in Umfragen bundesweit bei 19 Prozent und Politiker, aber auch Wissenschaftler und manche Medien warnen vor "Weimarer Zuständen", also jene Zeit der 1930er Jahre, als die NSDAP zur stärksten Partei aufstieg und allein zwischen 1930 und 1933 vier Reichsregierungen aufeinander folgten. Wiederholt sich Weimar wirklich?

Dr. Verena Wirtz: Nein, von tatsächlichen Weimarer Verhältnissen sind wir sehr weit entfernt. Natürlich haben wir heute auch Probleme. Aber die Menschen durchlitten nach dem Ersten Weltkrieg gleich mehrere existenzielle Krisen. Diese Erfahrungen führten zu der Überzeugung, dass nur noch ein radikaler politischer Wandel den wahrgenommenen Ausnahmezustand beenden könnte. Diese ‚Notwendigkeit‘ ist derzeit schlicht nicht gegeben. Zum Beispiel hatten die Menschen während der Hyperinflation 1923 in Deutschland mit Preissteigerungen von mehr als 50 Prozent im Monat zu kämpfen: Familien verloren ihr gesamtes Erspartes, viele wussten nicht, wie sie ihre Miete bezahlen, womit sie heizen oder wovon sie sich ernähren sollten.

Wo ist unser Weimar-Bild besonders schief?

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