Anzeige

SOFTDRINKS Eine Zuckersteuer in Deutschland ist längst überfällig

Ein Glas Cola ist mit Zuckerwürfeln gefüllt
Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, die Höchstmenge von 50 Gramm Zucker pro Tag nicht zu überschreiten: So viel steckt schon in etwa einem halben Liter Cola
© Alpha / Adobe Stock
Über die Hälfte aller Deutschen ist übergewichtig. Ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel zählen zu den häufigsten Ursachen. Eine Zuckersteuer würde helfen, die gesundheitlichen Folgen zu reduzieren. Ein Kommentar

Dass Süßigkeiten und Limonaden enorm viel Zucker enthalten, wissen wir eigentlich alle. So stecken beispielsweise schon in einer einzigen 0,5-Liter-Flasche Cola etwa 50 Gramm Zucker. Das entspricht der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Höchstmenge, die ein Erwachsener pro Tag zu sich nehmen sollte. Dass zu viel Zucker ungesund für uns ist, wissen wir eigentlich auch. Er gilt als einer der größten Mitverursacher von Übergewicht und Adipositas und steigert das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Allein der Schaden, der dem Gesundheitssystem durch Adipositas entsteht, beläuft sich Schätzungen der Universität Hamburg zufolge auf etwa 63 Milliarden Euro pro Jahr. Doch wie lässt sich ein übermäßiger Zuckerkonsum und die damit einhergehenden Gesundheitsrisiken reduzieren? Zahlreiche Länder wie Portugal, Spanien, Frankreich oder Mexiko haben einen vielversprechenden Ansatz gewählt: Eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke. Auch in Deutschland wäre das der richtige Weg.

Fruchtsäfte und Limonaden sind in Deutschland sehr beliebt. Laut der Deutschen Diabetes Gesellschaft wird hierzulande aus Flaschen etwa die gleiche Menge an Süßgetränken getrunken wie Wasser. Zuckerhaltige Getränke sind somit für über ein Drittel des täglich aufgenommenen "freien Zuckers" verantwortlich. Darunter versteht man beispielsweise Mono- und Disaccharide, die von Natur aus in Fruchtsäften, Honig und Sirupen vorkommenden oder nachträglich verschiedenen Lebensmitteln zugesetzt werden.  

Nach der Zuckersteuer sank der Zuckergehalt in süßen Getränken um etwa 30 Prozent

Um diesen Zuckerkonsum zu reduzieren, empfiehlt die WHO schon seit Längerem eine Zuckersteuer von 20 Prozent auf zuckerhaltige Getränke. Wie effektiv dieser Ansatz ist, zeigt sich beispielsweise in Großbritannien: Hier gibt es seit 2018 die "Soft Drinks Industry Levy". Ab fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter zahlen Hersteller von zuckergesüßten Getränken eine gestaffelte Steuer. Als unmittelbare Folge daraus sank der Zuckergehalt in süßen Getränken bis 2021 im Schnitt um etwa 30 Prozent. Durch die Einführung der Zuckersteuer hat sich außerdem innerhalb eines Jahres der Zuckerkonsum in Großbritannien deutlich reduziert, wie eine aktuelle Studie zeigen konnte. So sank er bei Kindern um fünf Gramm pro Tag, bei Erwachsenen sogar um elf Gramm. Auch in anderen Ländern ging der Konsum von zuckerhaltigen Getränken nach Einführung einer Steuer deutlich zurück. Mexiko beispielsweise konnte den Verkauf von Softdrinks um etwa sechs Prozent senken. Gleichzeitig stieg der Absatz an unbesteuerten Getränken wie Wasser an. 

Warum also ziert sich Deutschland bei der Einführung einer Zuckersteuer, obwohl neun von 16 Bundesländern bereits dafür plädieren und die positiven Auswirkungen in zahlreichen Studien belegt werden konnten? Eine Mitschuld tragen sicherlich die starken Lobbyverbände der Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Zucker ist ein wichtiger Geschmacksträger und kann laut einigen Wissenschaftlern sogar süchtig machen. Was weniger süß schmeckt und weniger süß ist, verkleinert für die Industrie somit womöglich den Absatzmarkt. Aber die Bundesregierung sollte die Interessen der Industrie nicht über den Schutz der Bürger stellen. Zumindest bei Bundesernährungsminister Cem Özdemir scheint der Wille zur Einführung einer Zuckersteuer vorhanden. Doch die Widerstände vonseiten der Industrie und aus den Reihen der FDP sind groß. 

An die Eigenverantwortung der Konsumenten zu appellieren, reicht nicht aus

Nur an die Eigenverantwortung der Konsumenten zu appellieren, reicht allerdings nicht aus. Fruchtjoghurt, Grillsaucen, Dressings, Tütensuppen und Pizza sind nur einige Beispiele von Lebensmitteln, bei denen Verbraucher oftmals keinen hohen Zuckeranteil vermuten würden. Viele finden es mühsam genug, immer das Kleingedruckte auf den Lebensmittelverpackungen zu kontrollieren. Deshalb wäre auch eine deutliche und schnell verständliche Nährwertkennzeichnung für Zucker auf Lebensmitteln endlich erforderlich. 

Seit 2015 gibt es in Deutschland die "freiwillige Selbstverpflichtung" der Lebensmittelindustrie. Das Ziel war, den Zuckergehalt bis 2025 um 15 Prozent zu reduzieren. Gebracht hat das allerdings fast nichts. Gerade mal um zwei Prozent ist der Zuckergehalt in süßen Getränken seitdem zurückgegangen – ein fadenscheiniger Ansatz, um verbindliche Vorgaben zu umgehen. 

Ohne gesetzliche Regelung scheint es offenbar nicht zu funktionieren. Die Einführung einer Zuckersteuer könnte laut einer Studie der Technischen Universität München auch hierzulande innerhalb der nächsten 20 Jahre etwa vier Milliarden Euro Gesundheitskosten einsparen. Außerdem sänke das Risiko für Typ-2-Diabetes oder Adipositas. Um die Folgen des zu hohen Zuckerkonsums zu reduzieren, ist eine Zuckersteuer allerdings nur ein Puzzleteil. Vor allem Aufklärung ist daneben gefragt – das zeigen Erfahrungen mit groß angelegten Kampagnen für gesündere Ernährung in verschieden Städten in den USA. 

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel