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Mysteriöse Strukturen 575.000 Satellitenbilder zeigen: Feenkreise wohl weiter verbreitet als gedacht

In der sandigen Ebene im Westen Namibias tauchen in der Trockenzeit viele Feenkreise auf: kreisrunde Löcher, wo trotz Grasland nichts wächst
In der sandigen Ebene im Westen Namibias tauchen in der Trockenzeit viele Feenkreise auf: kreisrunde Löcher, wo trotz Grasland nichts wächst
© Audi Ekandjo
Termiten, Vegetation, Böden? Seit langem rätseln Fachleute über die Ursachen der Feenkreise in Namibia und Australien. Nun haben Forschende ähnliche Strukturen auch andernorts geortet – und ziehen daraus Rückschlüsse auf die Ursache des Phänomens

Seit Jahrzehnten versuchen Forschende, das Geheimnis der Feenkreise zu ergründen. Diese kreisförmigen, vegetationslosen Stellen von vier bis acht Metern Durchmesser, die von Grasland umgeben sind, sind vor allem aus Namibia bekannt, wurden aber auch im Westen von Australien entdeckt. Seitdem kursieren diverse Theorien über die Ursachen des Phänomens, das nur in trockenen Regionen vorkommt: Demnach sollen etwa Termiten oder aber bestimmte Eigenschaften von Boden, Vegetation und Klima dafür verantwortlich sein.

Nun legt ein spanisches Forschungsteam eine globale Bestandsaufnahme des Phänomens vor, das demnach wesentlich weiter verbreitet ist als bisher bekannt. Dafür untersuchte das Team um Emilio Guirado von der Universität Alicante rund 575 000 Satellitenbilder mithilfe künstlicher Intelligenz gezielt auf solche vegetationslosen Strukturen.

Insgesamt entdeckte die Gruppe Feenkreis-ähnliche Muster in 263 verschiedenen Arealen in 15 Ländern auf drei Kontinenten, wie sie in den "Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften ("PNAS") berichtet. Dazu zählen neben Namibia gleich mehrere Regionen Australiens, außerdem der Sahel und der westliche Rand der Sahara, das Horn vom Afrika sowie das nördliche Saudi-Arabien, Kasachstan und Madagaskar.

Feenkreise gibt es von Australien bis zur Sahel

Feenkreise faszinierten die Wissenschaft seit Jahrzehnten und hätten eine lebhafte Diskussion unter Forschenden über die Ursachen entfacht, betont die Gruppe. Bisher fehle aber das Verständnis, wovon ihr Auftreten abhänge. Um dies zu klären, wurden die gefundenen Areale in Bezug auf mögliche Einflussfaktoren wie Klima, Boden und Vegetation abgeglichen.

Auf globaler Ebene spielten Termiten kaum eine Rolle, heißt es. Wichtiger waren stattdessen die Böden: Sie enthielten nur wenig Feuchtigkeit (um 2 Prozent), aber viel Sand (52 bis 80 Prozent) sowie wenig Stickstoff (0,025 bis 0,1 Gramm pro Kilogramm) und hatten einen alkalischen pH-Wert über 8,5. Typisch waren zudem für die Areale saisonale Niederschläge – 100 bis 300 Millimeter pro Jahr –, wenig Wind und keine größere Hangneigung. Ein Modell mit diesen Faktoren könne Feenkreis-ähnliche Strukturen zu etwa 80 Prozent vorhersagen, schreibt die Gruppe.

Allerdings gebe es auch Gebiete, wo das Phänomen trotz solcher Gegebenheiten nicht auftrete, heißt es. Beispiele dafür seien die Halbinsel Baja California an der nordmexikanischen Pazifikküste, der Nordwesten von Libyen und die Grenzregion zwischen Indien und Pakistan. Daher könne es noch weitere, bislang unbekannte Faktoren geben, die an der Entstehung von Feenkreisen beteiligt seien.

Feenkreis-Experte sieht Studie skeptisch

"Die Studie der Kollegen ist interessant, da sie erstmalig weltweit mit modernen Methoden nach Feenkreis-verwandten Vegetationslücken-Mustern sucht", sagt der Wüstenökologe Stephan Getzin von der Universität Göttingen, der das Phänomen seit etlichen Jahren erforscht. Zur Erforschung solcher Lücken leiste die Studie einen wichtigen Beitrag.

"Aber leider verwässert die Studie den Begriff "Feenkreise", und sie ignoriert dabei deren Definition." Feenkreise seien nicht irgendwelche regelmäßig angeordneten Vegetationslücken, sondern sie bildeten sehr gleichmäßig geordnete Gitter, etwa in Bezug auf die Abstände zueinander. Diese besondere Gleichmäßigkeit – im Fachjargon räumliche Periodizität genannt – gebe es nur in Namibia und im Westen von Australien, nicht aber in den anderen Regionen, die in der Studie genannt würden, betont Getzin: "Die Studie bestätigt damit im Prinzip, dass echte Feenkreise weiterhin nur in der Namib-Wüste im Südwestlichen Afrika vorkommen und in einem kleinen Gebiet in West-Australien."

Zudem gehe es in der Studie nur um statistische Korrelationen, aber nicht um Kausalitäten, erklärt der Forscher. "Umweltvariablen zur Vorhersage der Muster sind wichtig, aber gerade das Beispiel der Feenkreise zeigt, dass man bei der Untersuchung dieser Kreise immer am Boden ins Detail gehen muss, um eine ledigliche Korrelation von Kausalität eines Lückenmusters zu trennen."

Getzin erklärt die echten Feenkreise mit einer Selbstorganisation bestimmter Pflanzen bei Wasserknappheit. Wie der Experte Ende 2022 im Fachblatt "Perspectives in Plant Ecology, Evolution and Systematics" am Beispiel Namibia schrieb, schaffen die am Rand der Feenkreise oft besonders üppig sprießenden Randgräser die Vegetationslücken, indem sie dem Boden Feuchtigkeit entziehen. Sandiger Boden trage dazu durch seine besondere Leitfähigkeit bei. Durch das Ansaugen der Feuchtigkeit werde den Gräsern im Feenkreis Wasser entzogen, so dass sie abstürben. Für einen Einfluss von Termiten fand Getzin bei seinen Studien vor Ort keinerlei Hinweis.

Die runde Form erklärt Getzin damit, dass ein Kreis das kleinste Verhältnis von Umfang zu Fläche hat. "Indem sie stark gemusterte Landschaften aus gleichmäßig verteilten Feenkreisen bilden, wirken die Gräser als Ökosystemingenieure und profitieren direkt von der Wasserressource, die durch die Vegetationslücken bereitgestellt wird." Völlig geklärt sei das Phänomen allerdings immer noch nicht, sagt der Forscher. "Aber es gibt im Moment keine plausiblere Theorie."

In einem Punkt stimmt Getzin der spanischen Forschungsgruppe zu: Diese geht angesichts der starken Beteiligung von Klimafaktoren davon aus, dass Feenkreise in einer wärmeren und trockeneren Welt häufiger werden dürften. Das glaubt auch der Ökologe: "Feenkreise sind Ausdruck dessen, dass für eine kontinuierliche Grasdecke nicht genügend Wasser vorhanden ist."

Walter Willems dpa

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