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Zuckerkonsum Was bringen Schockbilder auf Süßigkeiten?

Bunte Mischung an Süssigkeiten
Süßes Gift: Zucker zählt zu den Hauptverursachern von Diabetes und Übergewicht. Besonders problematisch sind Süßigkeiten. Schockfotos könnten abschreckend wirken, wie eine neue Studie gezeigt hat
© Vectorwin / Adobe Stock
Verfaulte Zähne, Fettwampe, amputierter Zeh: Könnten Schockbilder auf Süßigkeiten vom Kauf abhalten? Das haben zwei deutsche Forscherinnen in einer Studie an Probanden getestet. Als Vorbild dienten die drastischen Darstellungen auf Zigarettenpackungen

Zucker ist hochgradig gesundheitsschädlich. Er fördert Diabetes, Fettleibigkeit und Bluthochdruck. Dieser Zusammenhang ist wie kaum ein anderer durch Studien belegt. Und dennoch ist der Pro-Kopf-Verzehr von Zucker laut Statista zuletzt sogar gestiegen. Immer wieder, so scheint es, siegt der Genuss über die Vernunft. Selbst der 2020 auf freiwilliger Basis eingeführte und als zu lasch kritisierte "Nutri Score" (auch "Lebensmittelampel" genannt) hat daran nichts geändert.

Zwei Forscherinnen aus Göttingen testeten nun einen neuen Ansatz: Schockfotos auf Süßigkeiten. Vorbild sind die expliziten Darstellungen von Raucherlungen und Krebskranken auf Zigarettenschachteln. Die wirken allerdings vor allem bei Jugendlichen, die noch nicht mit dem Rauchen angefangen haben. Bei Zucker ist die Ausgangslage eine andere: Die Lust auf Süßes ist angeboren.

Gummibärchen und Schokolade mit Schockfotos

Für ihre Studie gewannen die Forscherinnen mithilfe eines Marktforschungsinstituts 1040 repräsentativ ausgewählte Probandinnen und Probanden über 18 Jahre. Diese mussten einen Online-Fragebogen ausfüllen und in einem Experiment zwischen verschiedenen Packungen Gummibärchen oder Tafelschokolade auswählen, deren Aufmachung und Preis jeweils variierten.

Bei einer Variante wurde auf der Verpackung ein Schockfoto mit Warnhinweistext gezeigt, bei einer anderen ein Stoppschild mit Warnhinweistext und bei einer dritten nur der Warnhinweistext. Die Bilder und Warnungen bezogen sich entweder auf Karies, Diabetes oder Fettleibigkeit. Der Preis lag entweder bei 1 Euro, 1,50 Euro oder 2 Euro. 

Die Qual der Wahl am imaginären Snackautomaten

Für das Experiment sollten sich die Probanden zunächst vorstellen, sie hätten Appetit auf etwas Süßes und wollten aus einem Snackautomaten etwas kaufen. Dann wurden sie zwölf Mal hintereinander aufgefordert, zwischen je drei angebotenen Süßigkeiten zu wählen. Sie konnten sich auch jeweils entscheiden, nichts zu kaufen.

Warn-Labels vor zu hohem Zuckerkonsum
Die Warnungen auf den Verpackungen bestanden entweder aus der Kombination Schockfoto und Text, Stoppschild und Text oder nur Text. Es wurde wahlweise vor Karies, Übergewicht oder Diabetes als Folge des Zuckerkonsums gewarnt
© BMC Public Health


In dem begleitenden Online-Fragebogen wurden unter anderem soziodemografische Angaben, Süßigkeitenkonsum, Ernährungswissen, die Einstellung zu Warnhinweisen und der Body-Mass-Index abgefragt.

Schockbilder wirken, Stopschilder eher nicht

Das Ergebnis: Die Warnungen vor Karies und Diabetes zeigten deutlich abschreckende Wirkung, vor allem in Kombination mit den Schockfotos. Die Warnung vor Übergewicht dagegen war nur in Kombination mit der Abbildung abschreckend. Die Autorinnen vermuten, dass Übergewicht so weit verbreitet ist (54 Prozent der Deutschen gelten als adipös), dass es fast schon als "normal" wahrgenommen wird.

Überraschend war, dass das Stoppschild eher zum Ignorieren des Warntextes animierte. Womöglich erweckte es gar den falschen Eindruck, dass die gezigten Gummibärchen oder die Schokolade Karies stoppen würden. Ähnlich wie man es von zuckerfreien Kaugummis kennt.

Auch der Preis trägt zur abschreckenden Wirkung bei

Zudem wirkten die Warnungen umso abschreckender, je älter die Teilnehmenden waren. Diese verfügten außerdem über mehr Vorwissen zu den gesundheitlichen Folgen hohen Zuckerkonsums. Und wer in der Umfrage der Aussage "Der Staat versucht immer mehr Einfluss zu nehmen, aber nicht bei mir!" zustimmte, wählte wenig überraschend Süßigkeiten trotz Warninweis.

Zu Guter Letzt spielte auch der Preis eine maßgebliche Rolle: Je niedriger der Preis, desto eher griffen die Probanden trotz Warnung am imaginären Snackautomaten zu. Das spricht dafür, dass eine Zuckersteuer, wie sie etwa in Großbritannien erfolgreich eingeführt wurde, auch hier Wirkung auf das Gesundheitsverhalten haben könnte; und es deckt sich mit dem Ergebnis einer neuen Studie, wonach eine solche Steuer Milliarden an Gesundheitskosten einsparen würde.

Bei Warnhinweisen kommt es auf die richtige Gestaltung an

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass Warnungen effektiver sind, wenn sie emotionale und bereits bekannte Symbole oder Bilder verwenden, die kulturell verstanden werden", sagt Dr. Antje Risius, Leiterin der Studie und Forscherin in der Abteilung Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte an der Georg-August-Universtität Göttingen in einer Pressemitteilung. 

Wobei in der Studie allerdings keine echten Kaufentscheidungen, sondern fiktive untersucht wurden, zumal unter einer gewissen Beobachtung. Interessant wäre ein Folgeexperiment an einem echten Snackautomaten. Ob Warnhinweise oder Zuckersteuer kommen werden oder nicht, bleibt letztlich eine politische Frage. Die Studie liefert jedenfalls ein weiteres Argument dafür.

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