Das Spiel beginnt. In einem Saal, der nach Staub und Schweiß riecht. Tief in den Sammlungen des British Museum in London lagern in Nischen 130000 Tontafeln mit eingeritzter Keilschrift, Tausende Jahre alt, die meisten handtellergroß. Das grüne Leder auf den Stühlen und Tischen ist abgewetzt und rissig. Generationen von Studenten und Wissenschaftlern haben sich hier über die Tontafeln gebeugt.
Irving Finkel sagt, er habe jede einzelne untersucht und viele von ihnen entziffert. Der Kurator sieht selbst aus wie ein Museumsstück, er erinnert an Dumbledore, den Leiter der Zauberschule Hogwarts aus den Harry-Potter-Romanen. Wallender weißer Bart, flinke schlaue Augen. Auf dem Tisch vor Finkel liegt eine Nachbildung des "Spiels von Ur", es wurde in den 1920er Jahren auf dem königlichen Friedhof der Sumererstadt Ur gefunden.
Das Original aus Holz und Lapislazuli wird im ersten Stockwerk in einer Glasvitrine ausgestellt. Unten in den Katakomben spielt Irving Finkel. Die Regeln des Spiels sind einfach. Die Form des Spielbretts erinnert an eine Sanduhr, darauf 20 Felder. Zwei Spieler treten gegeneinander an, sie müssen sieben Spielsteine mithilfe der Würfel erst auf das Brett und dann ins Haus bringen.
Spieletheoretiker bezeichnen das als "Wettlaufspiel". Es ist alt. Sehr alt. Doch derartige 20-Felder-Spiele wurden vor circa 4500 Jahren im gesamten Vorderen Orient, auf dem Gebiet der heutigen Staaten Ägypten, Saudi-Arabien und Irak gespielt. Die Würfel waren damals häufig aus Gelenkknochen von Schafen oder Ziegen gefertigt.
Menschen sind Spieler, seit sie Menschen sind.