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Interview Nachhaltigkeit auf Reisen

Nachhaltig und ökologisch einwandfrei - immer mehr Touristen wünschen sich das auch für ihre Urlaubsreise. Im Interview mit GEO.de spricht Ute Linsbauer vom Forum Anders Reisen über Flugreisen, grüne Reiseveranstalter und Golfplätze in der Wüste

Inhaltsverzeichnis

Siegel für nachhaltige Reisen

Frau Linsbauer, wie umweltfreundlich war Ihr letzter Urlaub?

Meine Familie und ich waren im Sommer im Norden Zyperns. Wir haben uns bemüht, immer in nachhaltigen, familiengeführten Unterkünften unterzukommen. Einer dieser Betriebe gehörte zum Beispiel einem Bauern, der mitten auf seinen Gemüsefeldern kleine würfelförmige Gebäude errichtet hat - jeweils ein Zimmer mit Bad. Die standen mitten zwischen Auberginen und Kürbissen. Eine ungewöhnliche Unterkunft mit Familienanschluss - das war sehr nett. Da hatte man auch ein schönes Gefühl, eine gute Entwicklung zu unterstützen. Nur leider war dieser Urlaub mit einem Flug verbunden. Auch wenn wir die Emissionen später kompensiert haben, ist dabei ein Schaden entstanden.

Interview: Ute Linsbauer ist Pressesprecherin des Verbands "Forum Anders Reisen"
Ute Linsbauer ist Pressesprecherin des Verbands "Forum Anders Reisen"
© forum anders reisen e.V.

Haben Sie das Gefühl, dass die Sensibilität dafür wächst, Tourismus und Umweltschutz zu vereinen?

Auf jeden Fall! Wir merken dass im Forum Anders Reisen ganz stark seit 2005, als die Klimadebatte ihren ersten Höhepunkt erreichte. Damals haben wir einen enormen Zulauf von Kunden bekommen. Auf einmal war nachhaltiges Reisen in aller Munde, weil man ein Bewusstsein für das Klima entwickelt hat. Und jede weitere Krise, auch die wirtschaftliche Rezession des vergangenen Jahres, hat dazu geführt, dass gesellschaftliche Umdenkprozesse stattfinden. Die Menschen werden dadurch von einer nachhaltigeren Lebensweise überzeugt und kommen dann auch zum nachhaltigen Reisen.

Davon profitieren wahrscheinlich besonders die Anbieter für nachhaltigen Tourismus?

Es gibt immer wieder Umfragen und Studien, die alle zu dem gleichen Ergebnis kommen: Etwa 20 Prozent der Kunden halten Nachhaltigkeit für einen wichtigen Entscheidungsfaktor bei der Reiseplanung, ungefähr so viele sind auch bereit dazu, dafür ein bisschen mehr Geld zu bezahlen. Und das merken wir auch bei unseren Veranstaltern. Wir haben zuletzt 2010 Wirtschaftsdaten erhoben und sind auf ein durchschnittliches Umsatzplus von 11 Prozent gekommen. Das ist ein enormes Wachstum und lag bei herkömmlichen Veranstaltern bei ungefähr 1,2 Prozent. Auch daran merkt man, dass nachhaltiges Reisen eine immer größere Bedeutung bekommt.

Setzen herkömmliche Anbieter aufgrund der gestiegenen Nachfrage auch verstärkt auf ökologische und nachhaltige Reisen?

Es gibt immer mehr große Veranstalter die mit auf den "Grün-Zug" aufspringen. Das ist einerseits eine erfreuliche Entwicklung, aber viele Unternehmen geben sich damit auch nur einen grünen Anstrich. Wenn nachhaltige Angebote nur ein Segment von einer breiten Produktpalette sind, an der sich aber sonst nichts ändert, dann ist es fragwürdig, wie ernst die Veranstalter es mit der Nachhaltigkeit meinen. Das ist vergleichbar mit einem Bauern, der eine Legebatterie-Hühnerfarm betreibt und in einer Ecke noch ein paar Bio-Hühner hält. Nachhaltigkeit sollte immer ein ganzheitlicher Anspruch sein und für alle Reisen gelten.

Andererseits gibt es durch die verstärkte Nachfrage für umweltfreundliche und sozialverträgliche Reisen auch mehr unabhängige Initiativen, die Unternehmen zertifizieren. Die Unternehmen können so glaubwürdig ihre Nachhaltigkeitsleistungen unter Beweis stellen. Und als Kunde kann man sehr einfach die Spreu vom Weizen trennen.

Welche Initiativen zur Zertifizierung von Unternehmen gibt es?

Das bekannteste und umfassendste Siegel für Reiseveranstalter ist das Zertifikat "CSR Tourism certified", das von der unabhängigen Zertifizierungsorganisation TourCert vergeben wird. Innerhalb des Forum Anders Reisen ist dieses Zertifikat Pflicht für alle Veranstalter. Es steht aber auch allen Veranstaltern außerhalb des Forums frei, sich damit zertifizieren zu lassen. Für den Kunden sind solche Siegel eine gute Hilfe, denn für einen Laien ist es wirklich schwierig herauszufinden, wie ernst es einem Unternehmen mit der Nachhaltigkeit ist. Eine gute PR-Abteilung kann da vieles schön schreiben.

Gerade der Jahresurlaub soll ja oft auch etwas Außergewöhnliches sein. Ist es in Ordnung, eine Abenteuerreise zu machen, zum Beispiel eine Safari, bei der auch wilde Tiere beobachtet werden sollen?

Bei Abenteuerreisen und Safaris ist es sehr wichtig, dass man einen seriösen Anbieter wählt. Einen Anbieter, der sich fragt, wie viele Gäste eine Region verträgt oder wie man Tiere beobachten und gleichzeitig schützen kann. Bei der Auswahl helfen auch wieder die Siegel und Zertifikate wie das CSR-Siegel.

Gibt es eine Urlaubsform, die überhaupt nicht zu empfehlen ist?

Urlaubsformen, die wir nicht empfehlen, sind Kurztrips zu entfernten Destinationen. Denn der Umweltschaden durch den Flug steht dann in keinem Verhältnis zu dem Urlaub. Was wir auch nicht anbieten, sind All-inclusive-Unterkünfte, denn die verbrauchen sehr viel Wasser und Energie. Zudem lernt man Einheimische in so einer Anlage nur als Bedienstete kennen. Es gibt aber auch ganz Ausgefallenes wie Golfplätze in der Wüste. Eigentlich müsste jedem klar sein, dass hier Wasser verbraucht wird, das den Einheimischen dann fehlt.

CO2-Bilanz von Flugreisen

Muss ich aufgrund der schlechten CO2-Bilanz grundsätzlich auf Flugreisen verzichten?

Aus rein ökologischer Sicht ist Fliegen natürlich schlecht für die Umwelt und das Klima. Aber es gibt bei der Nachhaltigkeit immer drei Säulen: die Umwelt, die Wirtschaft und die soziale Nachhaltigkeit. Es gibt Fernziele, die ich nur mit dem Flugzeug erreiche, die stark auf den Tourismus als Einkommensquelle angewiesen sind.

Wichtig ist es daher, bewusst und mit Bedacht zu fliegen - also insgesamt seltener fliegen, aber dafür länger vor Ort bleiben. Das trägt auch dazu bei, dass mehr Geld in der lokalen Wertschöpfungskette bleibt.

Des Weiteren sollte man Zubringerflüge vermeiden und Direktflüge ohne Zwischenlandung wählen. Und dann gibt es ja auch die Möglichkeit, die entstehenden Emissionen von Flugreisen zu kompensieren.

Interview: Falsch verstandener Luxus: Ein Pool mitten in der Wüste
Falsch verstandener Luxus: Ein Pool mitten in der Wüste
© Dorothea Schmid/laif

Welche Möglichkeiten habe ich, die Umweltbilanz meiner Flugreisen aufzuwiegen?

Wenn man als Fluggast Verantwortung übernehmen möchte, dann gibt es sehr gute Initiativen wie zum Beispiel Atmosfair. Bei einem Flug von Frankfurt nach Thailand entstehen beispielsweise 6,5 Tonnen Emissionen pro Person, das sind ungefähr dreimal so viele Emissionen wie eine Person im ganzen Jahr für sich beanspruchen sollte. Atmosfair schlägt dann einen Geldbetrag vor, mit dessen Hilfe an anderer Stelle in einem Klimaschutzprojekt die gleiche Menge an Emissionen eingespart werden kann.

Neben dem Flug ist auch die Unterkunft ein wichtiger Teil der Reise. Welche Siegel gibt es, die mir speziell bei der Auswahl der Unterkunft weiterhelfen?

Es gibt ganz viele und von Land zu Land sehr unterschiedliche Siegel, was es etwas unübersichtlich macht. Aber es gibt einige gute Übersichten, zum Beispiel von der Verbraucherinitiative unter label-online.de, die die wichtigsten Siegel zusammenstellt und unabhängig bewertet.

Im Urlaub möchten viele einfach in den Tag hinein leben und sich keine Zwänge auferlegen. Aber warum legt man im Urlaub gute Gewohnheiten, die man zuhause hat, ab?

Das Phänomen, das viele im Urlaub nachlässiger werden, ist sogar wissenschaftlich untersucht: Der Urlaub ist für viele eine Auszeit, eine Art Gegenmodell vom normalen Alltag. Dass heißt, der Urlaub ist eine Zeit, in der andere Regeln gelten können als sonst. Das kann auch dazu führen, dass man gute Gewohnheiten für ein, zwei Wochen ablegt. Bei manchen geht das sogar so weit, dass moralische Ansprüche vergessen werden. Ein Beispiel ist der Sextourismus.

Haben Sie sich im Urlaub auch schon mal dabei erwischt, dass Sie nachlässiger wurden?

Ja, ich habe auch meine Schwächen. Schon seit vielen Jahren ernähre ich mich zuhause vegetarisch. Aber wenn ich auf Reisen ein ganz typisch regionales oder ausgefallenes Fleischgericht sehe, dann vergesse ich mich. Da ist meine Lust auf das Probieren einfach größer.

Wie verhalte ich mich, wenn Einheimische am Urlaubsort wenig Umweltbewusstsein haben und zum Beispiel viel zu viel Müll produziert wird?

Einfach ein Vorbild sein! Im Laden zum Beispiel keine Plastiktüte annehmen. Das hinterlässt schon einen Eindruck. Touristen unterschätzen oft auch ihren Einfluss. Wenn ich in meinem Hotel beispielsweise bemerke, das Abwässer ins Meer geleitet werden, dann kann ich mich beim Hotelmanagement oder beim Reiseveranstalter zuhause beschweren und im Internet eine entsprechende Hotelbewertung abgeben. Man hat als Tourist auf vielen Ebenen die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Und man kann bei der nächsten Reise eine umweltfreundlichere Unterkunft wählen.

Worauf sollte man beim Essen am Urlaubsort achten?

Man sollte am besten immer zu regionalen Spezialitäten oder Gerichten greifen. Denn da kommen die verwendeten Produkte auch eher aus der Region. Dennoch: Selbst wenn man am Meer ist, wird der Fisch oft importiert. Ich habe das vor einem Jahr an der Nordsee erlebt: In einem ganz urigen Fischladen musste ich feststellen, dass die bis auf die Nordseekrabben überhaupt keine lokalen Produkte angeboten haben. Und selbst die Krabben hatten eine weite Reise hinter sich, da sie aus Kostengründen im Ausland gepult waren.

Viele Reisende möchten sich im Urlaub ein bisschen Luxus gönnen. Sind Spa-Hotels grundsätzlich verwerflich?

Nein, aber auf übertriebenen Luxus sollte man möglichst verzichten. Denn bei Luxushotels mit ausgedehnten Spa-Bereichen geht man von einem Verbrauch von rund 600 Litern Wasser pro Tag und Gast aus - in Deutschland sind rund 122 Liter pro Person an einem Tag der Durchschnitt.

Wie findet man denn einen Kompromiss zwischen Entspannung und Genuss auf der einen Seite und Umweltschutz auf der anderen Seite? Was würden sie Reisenden als Rat mitgeben?

Entspannung, Genuss und Umweltschutz passen durchaus zusammen. Es geht beim nachhaltigen Reisen gar nicht darum, sich und seine Bedürfnisse einzuschränken. Vielmehr sollte man seine Reise mit Bedacht wählen und mit dem Anspruch reisen, eine Region und seine Menschen wirklich kennen zu lernen. Wer das berücksichtigt, macht schon einen großen Schritt in die richtige Richtung.

Das Interview führte Malin Schneider

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