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Vielsagende Klicklaute Rhythmen und Dialekte: Die Sprache der Pottwale ist komplexer als gedacht

Drei Pottwale unter Wasser
Pottwale verständigen sich mit Klicklauten. Dabei ist ihre Kommunikation weitaus vielschichtiger als vermutet. Eine neue Studie zeigt: Je nach Kontext klicken die Wale anders
© Amanda Cotton and Project CETI
Pottwale sind hochsozial und haben die größten Gehirne aller Tiere, die jemals existierten. Lange rätselten Forschende, warum sie dennoch ein ausgesprochen simples Kommunikationssystem verwenden. Jetzt ist klar: Man hat einfach nicht genau genug hingehört

Die Kommunikation von Pottwalen ist komplexer als bislang angenommen. Das zeigt eine Studie zur Sprache der Meeressäuger, deren Ergebnisse im Fachjournal "Nature Communications" veröffentlicht wurden. Darin berichtet ein Team unter Leitung von Pratyusha Sharma vom Massachusetts Institute of Technology, dass Pottwale Klicklaute und Rhythmen je nach Kontext variieren und kombinieren, um komplexe Rufe zu erzeugen.

Pottwale (Physeter macrocephalus) sind die größten Zahnwale der Welt. Ihr Lebensraum ist die Tiefsee, wobei sich ihr Verbreitungsgebiet vom Äquator bis zu den Polen erstreckt. Als hochsoziale Tiere leben sie in Clans zusammen, die tausende Individuen umfassen können, und verständigen sich über Klicksequenzen, sogenannte Codas. Miteinander zu kommunizieren ist für die Meeressäuger von großer Bedeutung: So können sie gemeinsam Entscheidungen treffen, sich bei der Nahrungssuche absprechen und bei der Aufzucht der Jungtiere helfen.

Eine komplexe Sozialstruktur erfordert auch eine komplexe Sprache

Bisher wurde das Kommunikationssystem der Pottwale als begrenztes Repertoire von Coda-Typen beschrieben, die durch eine charakteristische Abfolge von Klicklauten definiert sind. Weltweit konnten 150 dieser Klicksequenzen identifiziert werden, 21 davon werden von den in der Karibik schwimmenden Tieren verwendet. Verschiedene Clans nutzen verschiedene Coda-Klassen – ähnlich der verschiedenen Dialekte einer Sprache.

Zudem wurde davon ausgegangen, dass die Tiere ein klar definiertes Repertoire unterschiedlicher Codas haben. Diese Beschreibung der Pottwal-Kommunikation, die auf festgelegten Botschaften basiert, stelle allerdings einen Widerspruch zum komplexen Sozialverhalten der Wale dar, heißt es in der Studie. Tiere mit einer ausgeprägten Sozialstruktur sollten auch über ein komplexes Kommunikationssystem verfügen, um sich miteinander abzustimmen und voneinander zu lernen.

Die Forschenden entschlüsseln das phonetische Alphabet der Pottwale

"Dieser Widerspruch wirft natürlich die Frage auf, ob es in der Kommunikation der Pottwale eine zusätzliche, bisher nicht beschriebene Struktur gibt", schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Pratyusha Sharma, die alle Mitglieder des CETI-Projekts sind: einer Initiative mit dem Ziel, mithilfe von Technologien wie maschinellem Lernen, moderner Robotik und Unterwasser-Akustik Pottwal-Gesänge zu entschlüsseln. 

Um dieser möglichen zusätzlichen Struktur auf die Spur zu kommen, zog das Forschungsteam Tonaufnahmen aus der Datenbank des Pottwal-Schutzprojekts des karibischen Inselstaats Dominica heran. Diese Datenbank ist die weltweit größte ihrer Art. Die "Pottwal-Linguisten" analysierten gut 8700 Rufsignale von etwa 60 verschiedenen Tieren des ostkaribischen Clans (EC-1) und entwickelten aus den verschiedenen Klicklautkombinationen ein phonetisches Alphabet der Pottwale.

Durch Rhythmen erzeugen die Wale eine weitere Bedeutungsebene

Die Ergebnisse zeigen, dass das Kommunikationssystem der Pottwale wesentlich komplexer ist als bisher bekannt. So nutzen die Wale verschiedene Coda-Strukturen, die jeweils vom Gesprächskontext der Individuen abhängen. Die Meeressäuger variieren etwa die Länge der Klicksequenzen oder fügen am Anfang oder Ende eines Standard-Codas noch einen zusätzlichen Klicklaut hinzu. Überdies kombinieren Pottwale verschiedene Klicklaute und Rhythmen miteinander.

Laut der Studie erfolgen die Veränderungen der Klicksequenzen nicht zufällig, sondern hängen mit der Interaktion der Tiere zusammen. Verändere ein Wal etwa das Tempo der Klicks, spiegele ein zweiter Meeressäuger dies in seinem Gesang wider – selbst, wenn er andere Codas von sich gab.

Die Mechanismen ähneln der Kommunikation beim Menschen

Durch die verschiedenen frei kombinieren Rhythmen, Klicksequenzen und zusätzlichen Klicklaute wachse das Repertoire der karibischen Wale von 21 auf 300 Kommunikationseinheiten. Damit könnten die Meeressäuger vermutlich auch viel mehr Informationen austauschen als bisher angenommen.

Insgesamt bleibe die kommunikative Funktion vieler Codas eine offene Frage, schränken die Autorinnen und Autoren selbst ein. Ihre Studie zeige jedoch, "dass das Kommunikationssystem der Pottwale prinzipiell in der Lage ist, einen großen Raum möglicher Bedeutungen zu repräsentieren, indem es ähnliche Mechanismen verwendet wie die menschlichen Systeme zur Klangerzeugung und -darstellung". Zu diesen menschlichen Systemen gehörten etwa Sprache, Text, Morsecode und Musik.

Luisa Heyer, dpa

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