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Kommunikation "Nach dir!": Vögel lassen sich mit einer Geste den Vortritt

Erstaunlich kommunikativ: Die Japanmeise (Parus minor) ist mit der europäischen Kohlmeise (Parus major) eng verwandt
Erstaunlich kommunikativ: Die Japanmeise (Parus minor) ist mit der europäischen Kohlmeise (Parus major) eng verwandt
© Adobe Stock
Wir sprechen nicht nur miteinander, wir zeigen auch auf Dinge oder geben einander Zeichen. Bislang schien diese Fähigkeit Menschen und Affen vorbehalten. Jetzt zeigen Forscher aus Japan: Meisen können es auch

Zum Abschied winken, auf etwas zeigen oder sich an die Schläfe tippen: Menschen haben über die gesprochene Sprache hinaus viele Möglichkeiten, sich Mitteilungen zu machen. Doch damit sind wir nicht allein im Tierreich: Schimpansen tun es, Bonobos ebenso. Nun konnten zwei Forscher von der Universität Tokio nachweisen: Vögel tun es auch.

Japanische Forscher beobachteten, dass Japanmeisen, enge Verwandte unserer Kohlmeisen, sich beim Füttern des Nachwuchses am Nest den Vortritt lassen. Landen beide zur gleichen Zeit vor dem Loch der Nisthöhle, signalisiert einer der beiden seinem Partner mit einem schnellen Flügelschlagen: "Geh du mal zuerst!" Ihre erstaunliche Entdeckung haben sie nun im Fachmagazin Current Biology veröffentlicht.

Meisen verständigen sich nicht nur in "Sätzen"

Toshitaka Suzuki von der Universität Tokio forscht schon seit 17 Jahren zur Kommunikation der Japanmeisen (Parus minor). Die verblüffende Komplexität ihrer Lautäußerungen brachte ihn auf die Idee, bei den Singvögeln auch nach Zeichen für andere Arten der Kommunikation zu suchen – zum Beispiel nach symbolischen Gesten.

Und Suzuki wurde fündig: Mit seinem Kollegen Norimasa Sugita beobachtete und filmte er acht Meisenpaare beim Füttern ihrer Nachkommenschaft. Da der Eingang zur Höhle, um Schutz vor Fressfeinden zu bieten, sehr klein ist, kann immer nur ein Vogel zur Zeit sein Futter an die Küken weitergeben. Bei dem Vogel, der dem anderen den Vortritt ließ, bemerkten die beiden Forscher ein auffälliges Verhalten: Während er auf einem Zweig in der Nähe des Nesteingangs saß, flatterte er mit den Flügeln. Aber nur so lange, bis der Partner oder die Partnerin im Nest verschwunden war. Eine genaue Analyse von 320 Nestanflügen zeigte: Tatsächlich erfüllt das Flügelschlagen dieselbe Funktion wie das menschliche "Nach dir!" Anders als menschliche Höflichkeit erwarten lässt, war es allerdings überwiegend das Weibchen, das dem männlichen Partner den Vortritt ließ.

Schon 2016 hatte Suzuki am Thron der menschlichen Einzigartigkeit gerüttelt – mit dem ersten Nachweis, dass auch andere Tiere (wiederum Japanmeisen) Laute zu unterschiedlichen Bedeutungen kombinieren. Die sogenannte kompositionelle Syntax gehört zu den wesentlichsten Merkmalen der menschlichen Sprache.

Wenn Hände und Flügel nichts zu tun haben, können Sie Gesten machen

Laut Suzuki könnte das Gehen auf zwei Beinen, und damit die Bewegungsfreiheit der vorderen Gliedmaßen, in der Entwicklung der Menschen zu der Entwicklung von Gesten für die menschliche Kommunikation beigetragen haben. Etwas Ähnliches treffe auch auf Vögel zu, so Suzuki in einer Pressemitteilung der Universtität: "Wenn Vögel auf Ästen sitzen, werden ihre Flügel frei, was unserer Meinung nach die Entwicklung der gestischen Kommunikation erleichtert."

Die Forscher wollen nun weiter entschlüsseln, "worüber Vögel mit Gesten, Lautäußerungen und deren Kombinationen sprechen". Sie erhoffen sich davon nicht nur weitere Aufschlüsse über die "reiche Welt der Tiersprachen" – sondern auch über die Evolution unserer eigenen, menschlichen Sprache.

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