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Mythen-Check Stimmt es, dass schwarze Eichhörnchen die roten verdrängen?

Rotes und schwarzes Eichhörnchen bei Nahrungsaufnahme
Rote und schwarze Eichhörnchen gehören zur selben Art, Sciurus vulgaris
© H. Schmidbauer / mauritius images
Wo rote und dunkel gefärbte Eichhörnchen gemeinsam vorkommen, taucht oft die Frage auf: Handelt es sich um unterschiedliche Arten? Manche glauben gar, dass die schwarzen aus Amerika stammen – und ihre rote Verwandtschaft verdrängen

Eichhörnchen ist nicht gleich Eichhörnchen: Wer die possierlichen Nager gelegentlich beobachtet, wird vielleicht einen augenfälligen Unterschied bemerkt haben: Es gibt rote und dunkelbraune oder schwarze. 

Der Unterschied ist so offensichtlich, dass die beiden oft für unterschiedliche Arten gehalten werden. Mehr noch: Einem modernen Mythos zufolge sollen die roten die ursprünglichen, in Deutschland heimischen Eichhörnchen, die dunklen dagegen aus Amerika eingeschleppte sein – die seither die roten "verdrängen". Müssten wir die schwarzen Invasoren nicht eigentlich bekämpfen?

Die kurze Antwort ist: müssen wir nicht. Denn anders als manche Klimamythen, ist dieser Biologie-Mythos leicht zu entkräften: Es handelt sich um dieselbe Art, nämlich Sciurus vulgaris. Die Tiere haben lediglich unterschiedliche Fellfarben. Die einen zeigen das typische Rostrot, andere erscheinen eher gräulich oder eben dunkelbraun bis schwarz. Es gibt auch rote Tiere, die sich in der kalten Jahreszeit einen deutlich dunkleren Winterpelz zulegen. Von ihren amerikanischen Verwandten sind die heimischen grauen Eichhörnchen leicht zu unterscheiden: Sie haben, im Gegensatz zu den Grauhörnchen, lange Haarpinsel an den Ohren.  

Rein schwarze Tiere kommen gerade in den Bergen häufiger vor. Eine kluge Anpassung, wie der Zoologe Gerhard Haszprunar gegenüber dem Bayerischen Rundfunk erklärt. Denn der so genannte Melanismus schützt die Tiere vor der höheren UV-Strahlung und wärmt sie auch bei wenig Sonnenstrahlung.

Grauhörnchen könnten europaweit zum Problem für europäische Eichhörnchen werden

Vielleicht haben Berichte über die Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) zu der Entstehung des Mythos vom "schwarzen Eindringling" beigetragen. Beim Grauhörnchen handelt es sich tatsächlich um eine sogenannte invasive Art, die im 19. Jahrhundert aus Nordamerika nach Großbritannien eingeschleppt wurde und dort seither das einheimische Eichhörnchen stark zurückgedrängt hat. Auch in einigen Gegenden Norditaliens fühlt sich das Grauhörnchen mittlerweile wohl.

Was Artenschützern besondere Sorgen bereitet, ist ein Virus, das die Neubürger aus ihrer Heimat mitgebracht haben. Das Parapoxvirus schadet seinen natürlichen Wirten nicht, doch weil die verwandten Hörnchen oft dieselben Nester nacheinander nutzen, können sich europäische Eichhörnchen anstecken. Für sie endet die Infektion meist tödlich; ganze Populationen können durch das Virus dezimiert werden.

In Deutschland müssen wir uns – noch – keine Sorgen machen, denn noch gibt es hier keine Grauhörnchen. Sollte den Tieren jedoch der Sprung über die Alpen gelingen, steht auch ihrer Ausbreitung in der Schweiz, Österreich oder in Deutschland nichts mehr im Weg. Experten fordern darum schon jetzt europaweit abgestimmte Maßnahmen zum Schutz der einheimischen Eichhörnchen, die Planung von geeigneten Refugien, die Entwicklung eines Impfstoffs – und nicht zuletzt eine Ethik-Debatte: für den Fall, dass die Einwanderer massenhaft getötet und, wie in Großbritannien, sogar auf dem Teller landen sollen.

Doch selbst dort, wo die Grauhörnchen schon seit langem leben, sind sie nicht das Todesurteil für ihre kleineren Verwandten. So werden die Nager in England mittlerweile durch Baummarder dezimiert, wie der Biologe Kai Frobel vom Bund Naturschutz in Bayern erklärt. Zudem mögen Grauhörnchen keine Nadelwälder: ein klarer Vorteil für die heimischen Eichhörnchen, die von Aufforstungen mit Nadelgehölzen profitieren.

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