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Verhalten Erstmals dokumentiert: Einzelner Orca tötet Weißen Hai in nur zwei Minuten

Verhalten: Erstmals dokumentiert: Einzelner Orca tötet Weißen Hai in nur zwei Minuten
© © Christiaan Stopforth
Orcas sind kluge Jäger, die ihre Beute meist in Gruppen erlegen. Aber sie können auch anders. Jetzt haben Forschende erstmals einen einzelnen Schwertwal bei der Jagd auf Weiße Haie beobachtet

Orcas sind ausgesprochen gewiefte Jäger. Sie schubsen gemeinsam Robben von großen Eisschollen und nehmen es im Verband auch mit ungleich größeren Walen auf. Dabei kooperieren sie nicht nur – sie lernen auch voneinander und verfügen innerhalb einer Gruppe über Jagdkulturen. Selbst Weiße Haie, die Top-Prädatoren der Ozeane, sind vor ihnen nicht sicher.

Und nicht nur das: Forschende haben im August 2023 vor der Küste Südafrikas erstmals beobachtet, wie ein Orca es sogar auf eigene Faust mit einem Weißen Hai aufgenommen hat. Im "African Journal of Marine Science" berichten Forschende nun von einem ungleichem Kampf: Der Schwertwal habe nur zwei Minuten gebraucht, um sein Opfer außer Gefecht zu setzen. Es ist der Studie zufolge das erste Mal, dass ein derartiges Jagdverhalten eines einzelnen Orcas dokumentiert werden konnte.

Wie in vielen anderen bekannten Fällen auch, hatte es der Schwertwal auf die fettreiche Leber des noch jungen, 2,5 Meter langen Hais abgesehen. Dabei machen sich die Wale nicht einmal die Mühe, ihre Opfer zuerst zu töten, sondern reißen den sterbenden Haien das begehrte Organ gezielt aus dem Leib. Wie es den Orcas gelingt, das Organ im Körper ihrer Opfer zu lokalisieren, ist nicht abschließend geklärt. Möglicherweise nutzen sie dafür ihre Echoortung.

Verhalten: Erstmals dokumentiert: Einzelner Orca tötet Weißen Hai in nur zwei Minuten
© © Christiaan Stopforth

Luftaufnahme: Orcas attackieren Weißen Hai

01:02 min

Der Angreifer konnte als eines von zwei männlichen Tieren identifiziert werden, die in der Region seit 2015 für ihre Attacken auf Weiße Haie berüchtigt sind. Ihre Namen "Backbord" und "Steuerbord" verweisen auf ihre jeweils nach links beziehungsweise rechts gebogenen Rückflossen als unverwechselbare Erkennungsmerkmale. Mehrere Wissenschaftler*innen und Meeresschützende wurden an Bord eines Forschungsbootes Zeugen dieses Vorfalls. Darunter auch der Mitautor der Studie, Primo Micarelli vom Zentrum für Haistudien und der Universität Siena.

Toter Weißer Hai am Strand
Im Juni 2023 wird ein etwa 3,5 Meter langer Weißer Hai, ebenfalls in der Mossel Bay, an den Strand gespült. Das Tier ist fast unversehrt. Nur die Leber fehlt
 
© Christiaan Stopforth

"In zwei Jahrzehnten jährlicher Besuche in Südafrika habe ich beobachtet, welch tiefgreifende Auswirkungen diese Killerwale auf die lokale Population der Weißen Haie haben", berichtet der Forscher. Mit ansehen zu müssen, wie "Steuerbord" die Leber eines Weißen Hais an seinem Schiff vorbei trug, sei ihm "unvergesslich".

Offenbar wurde kurz zuvor in derselben Region mindestens ein weiterer Weißer Hai getötet. Das 3,55 Meter lange Tier wurde später an den Strand gespült.

Nähern sich Orcas, ergreifen Weiße Haie die Flucht

Dass Orcas paarweise oder in Gruppen Weiße Haie jagen, ist seit Längerem bekannt – ebenso, dass die Haie Begegnungen mit Orcas tunlichst vermeiden. Frühere Studien in der Meeresregion um San Francisco hatten gezeigt, dass die Haie innerhalb von Minuten die Flucht ergriffen, nachdem sie die Orcas bemerkt hatten. Obwohl die Schwertwale nur auf der Durchreise waren, mieden einige der Haie ein ganzes Jahr lang ihr angestammtes Revier.

Die gezielten Tötungen von Weißen Haien sorgen bei Meeresbiolog*innen nicht nur für Staunen. "Trotz meiner Bewunderung für diese Raubtiere [die Orcas, d. Red.] mache ich mir zunehmend Sorgen um das ökologische Gleichgewicht in den Küstengewässern", sagt Micarelli. Denn die Weißen Haie übernehmen als Spitzenprädatoren eine wichtige Rolle im Nahrungsnetz des Ozeans. Fehlen sie, kann ein fein austariertes Gleichgewicht zwischen Jägern und Beutetieren ins Wanken geraten.

Die Hauptautorin der Studie, Alison Towner von der Rhodes-Universität in Makhanda, Südafrika, weist auf den größeren Zusammenhang sich verändernder Ökosysteme hin: "Das Vorkommen dieser auf Haie spezialisierten Schwertwale ist möglicherweise mit einer breiteren Ökosystemdynamik verbunden." Um die "rasanten Veränderungen" zu verstehen, spielten für die Wissenschaft nicht nur direkte Beobachtungen von Forschenden, sondern auch von Touristen und Meeresschutzorganisationen "eine entscheidende Rolle".

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