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Neue Arten "Horror-Ameisen" in Deutschland? Die Berichterstattung über nicht-heimische Spezies sollte abrüsten

Arbeiterin der Spezies Tapinoma Magnum
Arbeiterin der Art Tapinoma magnum: fleißig, aber auch bedrohlich?
 
Foto: Wikipedia/Arnstein Staverløkk/CC BY-SA 4.0
Wenn man manchen Medien glauben schenken will, sind Ameisen aus Nordafrika kurz davor, Deutschland zu übernehmen. Ganz so schlimm ist es nicht. Ein Plädoyer für verbale Abrüstung

"Aggressive 'Horror-Ameisen' breiten sich auch bei uns explosionsartig aus", behauptete kürzlich die "Schwäbische". Und meinte damit die Ameise Tapinoma magnum, zu Deutsch Große Drüsenameise, die nicht von hier ist. Das Lokalblatt stimmte damit in den Chor der medialen Untergangspropheten ein, die schon seit Wochen mit der Insekten-Apokalypse Quote machen.

Ich will mich hier gar nicht über Menschen lustig machen, die sich daran stören, dass ihnen die Krabbler in der eigenen Wohnung über den Weg laufen. Oder denen die Kerbtiere schon Fugen aus der Gartenmauer herausgeknabbert haben. Trotzdem ist es angezeigt, einfach mal auf die Fakten zu schauen, statt Endzeitstimmung zu verbreiten. Was also sagt das zuständige Bundesamt für Naturschutz (BfN) über die "Superameise" (Spiegel)?

Dass die Art spätestens 2009 nach Deutschland eingeschleppt wurde – wahrscheinlich aus Nordafrika, mit einer Zwischenstation in Südeuropa. Vermutlich mit Gehölzen für den Gartenhandel. Dass die Art mittlerweile nicht nur in Deutschland, sondern auch in Belgien, Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz vorkommt. Und dass es sehr wahrscheinlich ist, dass sie sich in Mitteleuropa weiter ausbreitet. Tapinoma vermehrt sich stark und übersteht auch mitteleuropäische Winter, die im Klimawandel zudem noch immer milder werden.

Tapinoma magnum ist nicht invasiv

Nicht richtig ist dagegen, dass die Ameisen "invasiv" seien, wie fast überall zu lesen ist. Der Naturschutz-Fachausdruck meint nämlich, dass die Tiere ursprünglich hier nicht heimisch sind, hier aber überleben und sich vermehren. Und das sie – das ist wichtig – "unerwünschte Auswirkungen auf andere Arten, Lebensgemeinschaften oder Biotope haben". Letzteres ist nicht sicher. Und darum gilt die Art als potenziell invasive Art. Soll heißen: Fachleute können auf der Grundlage des heutigen Wissensstandes nicht ausschließen, dass die Ameise irgendwann als invasiv bezeichnet werden muss. Sie ist es aber aktuell nicht.

Dass wir die "Horror-Ameise" jemals wieder ganz loswerden, wie viele zu hoffen scheinen: unwahrscheinlich. Die Kosten und die Schäden für Tiere, Pflanzen, ganze Ökosysteme dürften beim Versuch einer Totalausrottung immens sein. Wir werden also, wo es unbedingt notwendig ist, die Ameisen zurückdrängen – und lernen, mit ihnen zu leben. In Nordafrika tun Menschen das schon seit Jahrtausenden.

Übrigens schadet es vielleicht auch nicht, einmal die Perspektive eines Grünspechts einzunehmen: Dieser wunderschöne Vogel steht in Deutschland auf der Vorwarnliste der Roten Liste der bedrohten Arten – und ernährt sich von Ameisen. Ob an seiner Zunge Tapinoma magnum oder die heimische, ziemlich ähnlich aussehende Lasius niger klebt, dürfte ihm egal sein.

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