Jeder Strandurlauber kennt das: Zwischen Muscheln und Seegras liegt hier eine PET-Flasche, dort ein verblichenes Quietscheentchen. Dazwischen verstreut bunte Verpackungsreste. Ärgerlich. Unschön. Aber haben wir uns nicht an solche Anblicke gewöhnt? An den Stränden von Hawaii ebenso wie auf Fehmarn?
Christian Brändle wollte sich damit nicht abfinden. Der Direktor des Zürcher Museums für Gestaltung hatte einen Zeitungsartikel über die Müllstrudel in den Ozeanen gelesen und war alarmiert: 1997 war der Segler und studierte Chemiker Charles Moore auf einem Törn zwischen Hawaii und Los Angeles auf riesige Mengen treibenden Plastikmülls gestoßen - Flaschen, Deckel, Tüten, Kanister, nebst ihren teilweise mikroskopisch kleinen Zerfallsprodukten. Moore hatte den Westlichen Müllstrudel entdeckt, eine im Uhrzeigersinn kreisende Meeresströmung im westlichen Pazifik, in deren Zentrum sich der Plastikmüll aller Länder vereinigt. Ein Gebiet, so groß wie Mitteleuropa. Inzwischen haben Forscher und Umweltschützer vier weitere solcher "Garbage Patches" in den Weltmeeren identifiziert.
Ende des (Plastik-)Designs?
"Schlafen kann ich nach dieser Lektüre nicht mehr", schreibt Brändle in seinem Geleitwort. Er beschloss, dem Müll in den Ozeanen eine Ausstellung zu widmen. Ihr Thema: "Das Ende des Designs und was wir unseren Kindern hinterlassen werden". Das Ergebnis macht nun in Hamburg Station und wird danach noch im finnischen Tampere und im dänischen Kolding zu sehen sein. Das Zentrum der Ausstellung bildet ein Müllberg: Original-Plastikmüll von Stränden auf Hawaii, Bali, Sylt und Fehmarn. Surfclubs, Taucher- und Umweltorganisationen belieferten Brändle und sein Team mit Containern voller Müll-Exponate.
Rund um den imposanten Wohlstandsmüllhaufen erfährt der Besucher Wissenswertes und Erschreckendes über die Hinterlassenschaften des fossilen Zeitalters. Etwa, woher der Müll eigentlich kommt: Allein bei der schweizerischen Firma Trisa purzeln täglich mehr als eine Million Plastikzahnbürsten vom Band - von denen viele als Plastikmüll im Meer enden. Oder dass Sixpack-Ringe 400 Jahre brauchen, bis sie zersetzt sind. Eine Einwegwindel 450 Jahre. Eine Angelschnur immerhin 600. Dass Plastikmüll jährlich Millionen Meerestieren das Leben kostet. Eissturmvögel und Meeresschildkröten etwa halten Plastikteile und -tüten für Beute und verenden an den Resten im Magen. Andere Tiere verheddern sich in Netzresten oder Angelschnüren und ersticken.
Flüsse tragen den Müll ins Meer
Die Ausstellungsmacher weisen zu Recht darauf hin, dass die Müllproblematik nicht nur in Staaten mit einer Meeresküste ihren Ursprung hat. Schätzungen zufolge gelangen 80 Prozent des Mülls über Flüsse in die Ozeane. Und die Schweiz hat mit 120 Kilogramm einen Plastikkonsum, der fast ein Drittel über dem EU-Durchschnitt liegt.
Neben der schleichenden Vermüllung der Meere kommt es gelegentlich auch zu regelrechten Müll-Ausbrüchen. Zum Beispiel 2011 beim Tsunami an der Küste Japans. Auf einem Bildschirm zeigt eine Animation, wie der Plastikschrott, den die Flutwelle ins Meer riss, sich im Ozean fortbewegt. 2014 wird der Müll die nordamerikanische Küste erreichen. Um sich dann dem Westlichen Müllstrudel anzuschließen.
Der Besucher erfährt in der Ausstellung viel über Vorkommen, Gefahren, Chemie, Recycling von Kunststoffen. Nur eines bleibt ungeklärt: Was ist eigentlich so schwer daran, Plastikmüll zu vermeiden? Plastiktüten zum Beispiel. In vielen Ländern der Welt sind sie schon verboten. In Deutschland nicht.
Ausstellung
"Endstation Meer? Das Plastikmüll-Projekt"
Noch bis zum 31. März 2013
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Homepage: www.plasticgarbageproject.org