Grünschimmerndes Dunkel, mystische Urwaldriesen, märchenumwobene Stille. So stellen sich viele den Harz vor. Doch das Image bröckelt. Schon seit vielen Jahren bieten weite Teile des Waldes, die heute zum Nationalpark Harz gehören, ein Bild des Schreckens: Hektarweise abgestorbene Fichten zeugen von einer gigantischen Transformation.
Ein Grund dafür liegt in der Vergangenheit: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden im Harz, um Lücken zu schließen, die Reparationsleistungen im Wald hinterlassen hatten, großflächig Fichten nachgepflanzt. Weil sie schnell wachsen und sich gut vermarkten lassen. Und nicht nur hier: In vielen deutschen Wirtschaftswäldern setzten die Besitzer auf den schnell wachsenden "Brotbaum".
Allerdings: Natürlicherweise kommt die Fichte nur in den Hochlagen der Mittelgebirge und in den Alpen mit ihrem kühlen und feuchten Klima vor. Stürme, Trockenheit und Hitze setzten ihr in den vergangenen Jahren überall in Deutschland zu, der Borkenkäfer gab vielen geschwächten Bäumen den Rest.
Der sterbende Wald bleibt sich selbst überlassen
Und nun? Die Nationalparkverwaltung folgt dem Motto "Natur Natur sein lassen" – und tut nichts. Auf etwa drei Viertel der Nationalparkfläche überlässt der Mensch die lädierte Natur komplett sich selbst. Das missfällt manchen Besuchern und Forstwirten. Doch tatsächlich strotzt der scheinbar "tote" Wald nur so vor Leben: Im und vom liegengelassenen Totholz leben zahllose Insekten- und Pilzarten. Wo abgestorbene Bäume Licht auf den Boden lassen, sprießt neues Leben.
In den höheren Lagen sind es junge Fichten, die den Wald wieder ergrünen lassen, in den tiefer gelegenen Laubbäume wie Buche, Eberesche, Bergahorn oder Weide. So soll im Verlauf von Jahrzehnten ein naturnaher, artenreicher und widerstandsfähiger Wald entstehen. Ganz von selbst.
Doch auch wenn schon heute vielerorts ermutigende Zeichen der Erneuerung zu sehen sind: Weite Teile des Waldes bieten immer noch einen trostlosen Anblick. Zeichen der Klimakrise, die in fast allen Wäldern Deutschlands nicht zu übersehen sind.
"Schmerz wird erträglich durch ästhetische Bilder"
An den hässlichen Spuren dieser gewaltsamen Erneuerung wollte der Fotograf Bertram Kösler nicht länger vorbeisehen: "Wir müssen uns den Veränderungen stellen, die die Klimakatastrophe mit sich bringt", sagt Kösler, der in Goslar, in Sichtweite des Nationalparks lebt. Der Schmerz über die Bilder der Verwüstung verschwinde zwar nicht, werde aber halbwegs erträglich durch Bilder, die das Geschehen ästhetisch zeigen.
Kösler will nicht, dass sich Betrachtende mit Grauen von seinen Bildern abwenden. "Mein Anliegen ist es, viel von den Veränderungen so zu zeigen, dass Interesse und Neugier entstehen, und im besten Fall Nachfragen und Handeln."
Auf anrührende Weise dokumentieren Köslers Fotos einen Zustand, der vielleicht schon in wenigen Jahrzehnten unwirklich erscheinenden mag: Wenn nämlich der neu entstandene, natürliche Mischwald zauberhafter als je zuvor Besucher und Besucherinnen in seinen Bann schlägt.
Die Homepage des Fotografen: bertram.koesler.de