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Folge der Energiewende Wegen der Suche nach seltenen Erden: Jeder dritte Menschenaffe in Afrika ist bedroht

Nicht nur für die eigentlichen Minen werden Lebensräume zerstört. Auch die erforderliche Infrastruktur beeiträchtigt die Ökosysteme teils weit über die eigentliche Nutzung hinaus
Nicht nur für die eigentlichen Minen werden Lebensräume zerstört. Auch die erforderliche Infrastruktur beeiträchtigt die Ökosysteme teils weit über die eigentliche Nutzung hinaus
© Ron Giling / Alamy / mauritius images
Für eine saubere Energieversorgung werden immense Mengen seltener Erden benötigt. Doch Bergbauprojekte in Afrika setzen Menschenaffen in Afrika zunehmend unter Druck

Um den Anstieg der Erderwärmung zu begrenzen, ist ein schneller Umstieg auf erneuerbare, saubere Energien unabdingbar. Doch für Windkraft und Elektroautos werden Kupfer, Lithium, Kobalt und andere seltene Erden gebraucht. Regionen mit großen Vorkommen werden daher für Bergbauunternehmen immer interessanter. Besonders im Fokus: Afrika. 

Forschende des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Naturschutzorganisation Re:wild haben jetzt untersucht, welche Auswirkungen neue Bergbauprojekte in 17 afrikanischen Ländern auf den Regenwald haben – vor allem auf Menschenaffen, unsere nächsten Verwandten.

Schätzungen zufolge leben in Afrika annähernd 180.000 Gorillas, Bonobos und Schimpansen. Das Ergebnis der Studie, die jetzt im Fachblatt "Science Advances" erschien: Mehr als ein Drittel der Menschenaffen könnte durch geplante Bergbauaktivitäten bedroht sein. Da die Unternehmen Daten über die Biodiversität in den Erschließungsgebieten nicht offenlegen müssen, könnte das tatsächliche Ausmaß der Bedrohung sogar noch größer sein.

Mehr als 80 Prozent der Schimpansen in Guinea in Gefahr

Für die Studie nutzte das Forschungsteam die Koordinaten von Abbaustätten, die schon in Betrieb genommen wurden oder derzeit erschlossen werden – zuzüglich einer "Pufferzone" mit einem Radius von zehn Kilometern, in der Lichtverschmutzung und Lärm die Lebensräume beeinträchtigen, und einer 50-Kilometer-Zone, in der sie mit indirekten Auswirkungen der Bergbauaktivitäten rechnen. Dazu zählen sie den Bau von Infrastruktur wie Straßen und Siedlungen für Arbeitskräfte. Beides könne, so die Forschenden, dazu führen, dass der Druck auf die Menschenaffen sich weiter erhöht – etwa durch direkte Bejagung, durch die Zerstörung ihres Lebensraums oder durch die Übertragung von Krankheiten, so genannte Zoonosen.

Die Überlappung der Abbaugebiete einschließlich ihrer Pufferzonen mit den Lebensräumen von Menschenaffen zeigte, dass etwa jeder dritte Menschenaffe in Gefahr ist – vor allem in Liberia, Sierra Leone, Mali und Guinea. Besonders kritisch ist demnach die Situation für die Schimpansen in Guinea: Der Studie zufolge könnten 23.000 Tiere – das entspricht 83 Prozent der Affenpopulation des Landes – vom bestehenden und geplanten Bergbau betroffen sein.

Allein in Guinea könnten mehr als 23.000 Schimpansen direkt oder indirekt von Bergbauaktivitäten betroffen sein
Allein in Guinea könnten mehr als 23.000 Schimpansen direkt oder indirekt von Bergbauaktivitäten betroffen sein
© Jane Rix / Adobe Stock

Und nicht nur das: Viele Regionen Afrikas gelten aus Naturschutzsicht als "kritische Lebensräume" mit herausragender Bedeutung für die lokale Biodiversität. Von diesen Regionen liegen etwa ein Fünftel im Einflussgebiet von Bergbauprojekten.

"Abkehr von fossilen Brennstoffen darf die Biodiversität nicht aufs Spiel setzen"

Die Autorinnen und Autoren kritisieren zudem, dass Ausgleichsmaßnahmen, zu denen die Unternehmen verpflichtet werden, nicht ausreichen. Denn zum einen lassen sie unberücksichtigt, dass die Schädigungen der Ökosysteme weit über den 20-Jahres-Horizont hinausreichen, der ihrer Ermittlung zugrunde gelegt wird. Zum anderen wird die ursprüngliche Artenvielfalt oft nicht korrekt erfasst – sondern erst viele Jahre nach der Explorationsphase. "Diese Daten spiegeln den ursprünglichen Zustand der Menschenaffenpopulationen vor Ort also gar nicht korrekt wider", sagt die an der Studie beteiligte Genevieve Campbell von der Naturschutzorganisation Re:wild in einer Presseerklärung.

"Die Abkehr von fossilen Brennstoffen ist für das Klima richtig und wichtig. Sie muss aber in einer Art und Weise erfolgen, die die Biodiversität nicht aufs Spiel setzt", sagt die Erstautorin der Studie, Jessica Junker. Unternehmen, Kreditgeber und Staaten müssten anerkennen, dass es manchmal für die Eindämmung des Klimawandels und die Vermeidung zukünftiger Epidemien von größerem Nutzen sein könne, einige Gebiete unangetastet zu lassen.

In den Ländern der Europäischen Union könnte sich die Nachfrage nach seltenen Erden, die für Elektrofahrzeuge, digitale Technologien oder Windgeneratoren benötigt werden, bis zur Jahrhundertmitte verzehnfachen. Allein in der Demokratischen Republik Kongo liegen Schätzungen zufolge knapp die Hälfte der weltweiten Vorkommen. Verbaut wird das Metall in fast jeder Batterie und fast jedem Akku.

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