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WWF-Studie Was wir essen können, um die Biodiversität zu schützen – und gesund zu leben

Mit einer pflanzlichen Ernährung kann der Biodiversitäts-Fußabdruck fast um die Hälfte gesenkt werden
Mit einer pflanzlichen Ernährung kann der Biodiversitäts-Fußabdruck fast um die Hälfte gesenkt werden
© Adobe STock/monticellllo
Was bei uns auf dem Teller landet, wirkt sich nicht nur auf unsere Gesundheit aus, sondern auch auf die vieler Arten. Eine neue Studie zeigt, welchen Einfluss die Ernährung der Durchschnittsdeutschen auf die biologische Vielfalt hat – und was für eine gesündere und umweltfreundlichere Ernährung stattdessen im Einkaufskorb landen müsste

Wenn in einem deutschen Supermarkt ein Paket Hackfleisch im Einkaufswagen landet, dann hat das nicht nur Auswirkungen auf die Gesundheit des Einkaufenden, auf den CO2-Fußabdruck, den Wasser- und Flächenverbrauch. Der Kauf wirkt sich auch auf die biologische Vielfalt aus: In Deutschland genauso wie im brasilianischen Savannenwald Cerrado, der als einer der artenreichsten Lebensräume der Welt gilt –und der bereits zu 80 Prozent zerstört ist.  

Eine Studie der Umweltorganisation WWF beleuchtet, wie sich die Durchschnittsernährung der Deutschen auf die biologische Vielfalt weltweit auswirkt. Der sogenannte Biodiversitäts-Fußabdruck in der WWF-Erhebung zeigt, wie stark unsere Ernährung dazu führt, dass  Naturräume mit ihren Tieren und Pflanzen beeinträchtigt werden – und welche Teile unserer Ernährung besonders dafür verantwortlich sind.

Mit Abstand den größten Anteil an diesem Fußabdruck haben mit 77 Prozent tierische Erzeugnisse wie Fleisch, Wurst, Eier oder Käse – ihr Genuss ist damit am schädlichsten für die Biodiversität. Nur 23 Prozent resultieren hingegen aus dem Verbrauch pflanzlicher Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Getreide oder Nüsse.

Der Biodiversitätskiller Nummer 1, verursacht durch den deutschen Speiseplan: Soja – und damit Fleisch. Denn 96 Prozent der Sojaanbaufläche wird für die Produktion von Tierfutter genutzt, oftmals werden dafür Wälder gerodet. Auch in Biodiversitätshotspots wie Brasilien.

Nicht nur dort ist die biologische Vielfalt schon seit längerem im Abwärtstrend: So warnt der Weltbiodiversitätsrat (IPBES), dass etwa eine Million Tier- und Pflanzenarten in wenigen Jahrzehnten aussterben könnten. Dem Expertengremium zufolge spielen unsere Ernährungssysteme hier eine wesentliche Rolle. Sie sind für 70 Prozent des Verlustes der biologischen Vielfalt auf dem Land und für 50 Prozent in Flüssen und Seen verantwortlich.

Weniger Kalorien – mehr Hülsenfrüchte und dunkelgrünes Gemüse

Bei den tierischen Erzeugnissen ist es vor allem der große Flächenbedarf für Futtermittel, der negativ zu Buche schlägt. "Alles, was wir auf dem Teller liegen haben oder einkaufen, wird ja irgendwo produziert und braucht dementsprechend Fläche", sagte Tanja Dräger, Ernährungsexpertin beim WWF Deutschland, der dpa. Einerseits sei man abhängig von den Leistungen einer intakten Natur, andererseits gefährde man sie aber auch selbst.

Die WWF-Studie berücksichtigt aber nicht nur den Biodiversitäts-Fußabdruck, sondern auch die Empfehlungen der EAT-Lancet-Kommission für eine planetarisch-kulinarische Ernährung, die gleichermaßen gesund und umweltfreundlich sein soll. Denn auch aus Gesundheitssicht ist die derzeitige deutsche Ernährung nicht optimal: Wir essen nicht nur zu viel Fleisch, sondern nehmen generell zu viele Kalorien zu uns – mit täglich 2659 Kilokalorien rund zehn Prozent mehr als empfohlen. 

Wie aber müssten wir uns in Deutschland ernähren, um unsere Gesundheit und die Artenvielfalt zu schützen? Die Empfehlung lautet hier: Mehr Obst, mehr Gemüse, mehr Nüsse und mehr Hülsenfrüchte wie Bohnen, Linsen oder Kichererbsen. So können die tierischen Eiweißquellen durch pflanzliche ersetzt werden. Insbesondere zum häufigeren Verzehr von dunkelgrünem Gemüse wie Spinat und Brokkoli rät die EAT-Lancet-Kommission – bei einer gleichzeitig deutlichen Reduktion von Butter, Sahne, Fleisch und Käse. Je weniger kalorienreiche tierische Produkte konsumiert werden, desto mehr kann für die Deckung des Kalorienbedarfs insgesamt gegessen werden.

Bei einer flexitarischen, planetarisch-kulinarischen Ernährung, die tierische Produkte deutlich begrenzt, könnte unser Biodiversitäts-Fußabdruck insgesamt weltweit um 18 Prozent verringert werden; bei konsequenter vegetarischer Ernährung um ganze 46 Prozent, bei einer veganen Ernährung sogar um 49 Prozent. Je höher der Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln in der Ernährung, desto kleiner ist also der Biodiversitäts-Fußabdruck, der weltweit verursacht wird. Von einem Umdenken beim Speiseplan würde demnach die Natur in Brasilien besonders stark profitieren – vor allem, weil dann wesentlich weniger Fläche für den Anbau von Soja als Futtermittel benötigt würde.

Nachhaltigkeitssteuer gefordert

Ob Biene, Braunkehlchen oder Schmetterlinge in Deutschland, Orang-Utan in Malaysia oder Ameisenbär und Jaguar in Brasilien – die Arten, die durch bewusstere Ernährung geschützt werden könnten, sind zahlreich, betont Expertin Dräger. "Insofern ist das Potenzial groß, einen Beitrag zum Schutz der Lebensräume zu leisten, wenn man den Konsum tierischer Produkte reduziert. Und gleichermaßen dient es auch der eigenen Gesundheit." Die Studie solle also ein Bewusstsein dafür schaffen, was der eigene Lebensmittelkonsum bewirken könne.

Eine neue Studie eines Teams rund um Ann-Katrin Betz von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg legt außerdem nahe, dass Menschen im Restaurant eher zu klimafreundlichem Essen greifen, wenn es in der Speisekarte auch als solches gekennzeichnet ist, ihnen der Nutzen für die Umwelt durch ihr Konsumverhalten also bewusst gemacht wird. In der im Fachmagazin "Plos Climate" veröffentlichten Erhebung wählten 256 Menschen aus verschiedenen hypothetischen Menüs. Es zeigte sich, dass sie mehr klimafreundliche Gerichte wählten, wenn die Kohlenstoffkennzeichnung vorhanden war und wenn die Komponenten eher aus emissionsarmen Optionen bestanden.

Dennoch: Auf die Schulter der Verbraucher allein könne man die Last nicht legen, betont Dräger. "Hier sind Politik und Wirtschaft gefragt." Konkret fordert der WWF auf Basis seiner Ergebnisse etwa von der Bundesregierung eine Ernährungsstrategie bis 2023 und den Weg hin zu einer Nachhaltigkeitssteuer. "Wir sehen derzeit, dass zum Teil pflanzliche Lebensmittel oder Fleischersatzprodukte teurer sind als Fleisch selbst", kritisiert Dräger. Zudem müsse der heimische Anbau von Obst, Gemüse, Nüssen und Hülsenfrüchten ausgebaut werden.

Antje Risius, die an der Universität Göttingen zu nachhaltigen Ernährungsstilen forscht, fasst zusammen, was jede und jeder Einzelne zum Schutz der Biodiversität tun muss – und was Politik und Wirtschaft: "Vor allem anfangen." Entscheidend sei die effiziente Nutzung der Ressourcen. Eine pflanzlich orientierte Ausrichtung der Ernährung ermögliche es, gesundheitliche, wirtschaftliche und Umwelt-Aspekte zu vereinen. Das bedeute aber für die Verbraucher, dass Informationen und Produkte verfügbar gemacht werden müssten. "Hierbei sind natürlich diejenigen zunächst gefragt, die die Rahmenbedingungen setzen – also Politik und Wirtschaft", sagt Risius. Faire Rahmenbedingungen für eine entsprechende Anpassung der Ernährungsgewohnheiten zu schaffen, sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

mit dpa

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