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Klimawandel Ist die Antarktis noch zu retten? Forschende suchen nach Lösungen

Pinguine auf einem Eisberg
Mit dem Abschmelzen des Eises verändert sich nicht nur der Lebensraum von Pinguinen und anderen Antarktis-Bewohnern – sondern auch andere Regionen der Welt
© SuperStock / Steven Kazlowski / mauritius images
Das Meereis der Antarktis schmilzt dramatisch, wie eine aktuelle Langzeitstudie zeigt. Nicht nur Kaiserpinguine und Wale sind in Gefahr, sondern der ganze Planet. Die Antarktis-Kommission soll Lösungen finden - aber steckt seit Jahren in einer Sackgasse

Die Antarktis macht Experten in aller Welt zunehmend Sorgen. Im September wurde bekannt, dass die Ausdehnung des Meereises rund um den Kontinent einen neuen Tiefststand erreicht hat: nur knapp 17 Millionen Quadratkilometer, deutlich weniger als in den vergangenen Jahren im antarktischen Winter.

Und eine aktuelle Langzeitstudie, für die ein Team rund 100.000 Satellitenaufnahmen aus 25 Jahren ausgewertet hat, zeigt: Mehr als 40 Prozent aller 162 antarktischen Schelfeise - also der Flächen, die jeweils von bestimmten Gletschern gespeist werden - haben von 1997 bis 2021 Masse verloren, zum Großteil sehr deutlich. Während 71 Schelfeise ausdünnten, legten 29 Schelfeise zu, und die übrigen 62 blieben unverändert, wie eine detaillierte Bestandsaufnahme zeigt.

In der Gesamt-Massebilanz gab das Antarktis-Schelfeis in dem Zeitraum 7,5 Billionen Tonnen Schmelzwasser an den Südlichen Ozean ab. Dieser Masseverlust könne Folgen haben sowohl für die Stabilität von Teilen des Antarktischen Eisschilds als auch für Meeresströmungen um den Kontinent, schreibt die Gruppe um Benjamin Davison von der Universität Leeds in der Fachzeitschrift "Science Advances".

Das schmelzende Eis verändert den Salzgehalt des Meerwassers

Das Abschmelzen des Schelfeises hat nach Einschätzung des Teams vor allem zwei Folgen: Zum einen bremst die Masse des auf dem Meer aufliegenden Schelfeises das Abfließen der dahinterliegenden Inland-Gletscher zum Meer - sie fungiert quasi als eine Art Stützpfeiler. Schwindet diese Stütze, dürfte die Fließgeschwindigkeit der Gletscher zunehmen. Zudem verändert das abschmelzende Süßwasser vor Ort den Salzgehalt des Meerwassers. Mit geringerem Salzgehalt sinkt das Wasser langsamer in die Tiefe, was wiederum die lokalen Meeresströmungen beeinflussen könnte.

Folge des Klimawandels: Bei rund 40 Prozent der schwimmenden Schelfeisflächen in der Antartkis hat sich das Volumen im letzten Vierteljahrhundert deutlich verringert, wie eine Langzeitstudie zeigt
Folge des Klimawandels: Bei rund 40 Prozent der schwimmenden Schelfeisflächen in der Antartkis hat sich das Volumen im letzten Vierteljahrhundert deutlich verringert, wie eine Langzeitstudie zeigt
© European Space Agency

Seit heute ringen die für den Schutz der antarktischen Meeresfauna und -flora zuständigen Regierungen im australischen Hobart erneut um konkrete Lösungen für den Schutz des Südpolarmeers. Bei der Jahrestagung der Kommission für die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR) haben sie dafür zwei Wochen Zeit.

"In diesem Jahr verzeichnete das Südpolarmeer rekordverdächtig niedrige Meereisstände und bisher kaum vorstellbar hohe Temperaturen sowie den Tod von schätzungsweise 9000 Kaiserpinguin-Küken durch den Meereisverlust", sagte die Expertin Andrea Kavanagh vom Pew Bertarelli Ocean Legacy Project. Die Geschwindigkeit der Veränderungen in der Antarktis sei alarmierend, "aber noch alarmierender ist, dass CCAMLR in den letzten zehn Jahren keine Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels ergriffen hat".

Der Durchbruch ist wegen Russland und China bisher gescheitert

Eines der Hauptthemen ist erneut die Ausweisung von drei großen Meeresschutzgebieten (Marine Protected Areas, MPAs) in der Ostantarktis, im Weddellmeer und in den Gewässern der Antarktischen Halbinsel. Wegen des Widerstands von Russland und China ist ein Durchbruch bisher immer gescheitert - zuletzt im Juni bei einer CCAMLR-Sondersitzung zum Thema in Santiago de Chile. Denn alle Entscheidungen der CCAMLR müssen einstimmig von den 27 Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, getroffen werden.

"MPAs werden den Klimawandel nicht aufhalten, aber sie werden dazu beitragen, das Ökosystem widerstandsfähiger zu machen", betonte Kavanagh. Es sei höchste Zeit, dass die CCAMLR aus ihrer "Sackgasse" herauskomme. Die Antarktis-Kommission gerät zunehmend unter Druck, weil sie seit Jahren kaum Erfolge vorweisen kann. Die letzte nennenswerte Maßnahme wurde 2016 mit der Vereinbarung des Schutzgebiets Rossmeer getroffen, eines Randmeers im südlichen Ozean. Seitdem hätten sich die Klima- und Biodiversitätskrise aber weiter verschärft, warnte die Antarctic and Southern Ocean Coalition (ASOC).

Auch strengere Auflagen für die Krillfischerei stehen auf der Agenda. Die winzigen Krebstiere werden massenhaft gefangen, um daraus Öl und Fischfutter zu machen - allerdings sind sie für das fragile Ökosystem der Antarktis mit Tieren wie Walen und Pinguinen extrem wichtig. "In Verbindung mit der Klimakrise gerät durch die Krillfischerei das gesamte antarktische Ökosystem ins Wanken und damit auch die Klimastabilität unseres Planeten", betonte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH).

dpa

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