Digitalisierung im Finanzbereich

Die Innovationstätigkeit des Schweizer Finanzplatzes bleibt hoch. Zahlreiche Anfragen von beaufsichtigten Instituten mit innovativen Erweiterungen der Geschäftsmodelle wie auch von Akteuren, die neu in den Markt eintreten wollen, sind Beweis dafür. Die FINMA beantwortete auch 2023 Anfragen in diesem Zusammenhang zügig und sachkundig und beaufsichtigte die Institute insbesondere mit Blick auf die Risiken für die Kundschaft.

Die FINMA bearbeitete auch 2023 zahlreiche Praxisfragen im Bereich der kryptobasierten Vermögenswerte und sorgte dafür, dass das geltende Recht insbesondere zum Schutz der Kundinnen und Kunden eingehalten wird. Die FINMA präzisierte gemäss ihrer strategischen Zielsetzung zudem ihre Aufsichtserwartungen im Bereich künstlicher Intelligenz.

Technologieneutrale Beurteilung von Praxisfragen zu kryptobasierten Vermögenswerten

Das Interesse an kryptobasierten Vermögenswerten bleibt sowohl bei neuen Marktteilnehmenden als auch bei etablierten Finanzinstituten hoch. Die FINMA beantwortete entsprechende Anfragen jeweils gestützt auf das geltende Recht. Im Zentrum des Interesses standen 2023 die Themen Handel und Verwahrung von Zahlungs-Token sowie das Staking. Ein erstes Gesuch um Erteilung einer Bewilligung als Distributed Ledger Technology (DLT)-Handelssystem war in Arbeit. Weiter brachte sich die FINMA aktiv ins Regulierungsprojekt zur Nachfolge der Fintech-Bewilligung ein.

Zügige Bearbeitung von Fintech-Unterstellungsanfragen

2023 gingen bei der FINMA rund 100 Fintech-Unterstellungsanfragen ein, was ungefähr der Anzahl aus dem Jahr davor entspricht (siehe Grafik unten). Die FINMA konnte diese rasch bearbeiten, da sie dafür ausreichend Ressourcen mit hoher Fachexpertise bereitstellte. 2023 bearbeitete sie so die Fintech-Anfragen im Mittel innert zweier Monate. Die konkrete Bearbeitungsdauer hing im Einzelfall massgeblich von der Komplexität des Projekts sowie von der Qualität und dem Detaillierungsgrad der Anfragen ab. Klare und widerspruchsfreie Sachverhaltsangaben, beispielsweise zu technischen Details, zur Aufgabenverteilung oder zum wirtschaftlichen Hintergrund, erleichtern die Beurteilbarkeit eines Projekts. Inhaltlich waren die unterbreiteten Projekte sehr unterschiedlich. Sie wiesen aber in der Regel Bezüge zu aktuellen Trends im Fintech-Bereich auf, so etwa zur Decent-ralised Finance, zur Tokenisierung von Vermögenswerten oder zur Nutzung von tokenisierten Gegenständen in einem Metaverse.



JB23

Stabiles Interesse an Kryptotätigkeiten der FINMA­Beaufsichtigten

Die Anzahl Beaufsichtigter der FINMA, die Dienstleistungen im Kryptobereich anbieten, nahm 2023 gegenüber dem Vorjahr von 30 auf 34 Banken und Wertpapierhäuser leicht zu. Dies, obwohl sich der Markt für kryptobasierte Vermögenswerte im Jahr 2022 nach verschiedenen Skandalen auf einem tieferen Niveau stabilisiert hatte. Die FINMA bearbeitete in diesem Zusammenhang verschiedene Fragestellungen und berücksichtigte dabei die Risiken bei den dynamischen Entwicklungen in diesem Bereich. Die FINMA führte im Februar 2023 ein standardisiertes Meldewesen zu Tätigkeiten mit kryptobasierten Vermögenswerten ein. Die Meldungen zeigen, dass dabei kryptobasierte Vermögenswerte (fast ausschliesslich Zahlungs­Token) im Betrag von etwa 6 Milliarden Franken verwahrt wurden. Der Grossteil davon waren Kundenbestände und nur etwa 0,7 Milliarden Franken Eigenbestände. Es zeigte sich auch, dass der Grossteil der Institute zwar Verwahrung anbietet, dazu jedoch weitere Banken oder Wertpapierhäuser als Drittverwahrer beizieht. Bei den Drittverwahrern konnte eine hohe Konzentration bei wenigen Unternehmen festgestellt werden, wie die Darstellung des Verwahrernetzwerks unten zeigt (rote und blaue Knoten).



JB23

Der Grossteil der Anfragen von FINMA­Beaufsichtigten im Zusammenhang mit Kryptotätigkeiten betraf den Handel und die Verwahrung von Zahlungs­Token. Mit Inkrafttreten der Vorlage zur Distributed­Ledger­Technologie wurde im Bankengesetz eine spezifische rechtliche Grundlage für die Absonderung von für Kundinnen und Kunden verwahrten Zahlungs-Token im Konkursfall geschaffen (Art. 16 Ziff. 1bis BankG). Um eine solche Absonderung als Depotwert zu erreichen und damit eine Hinterlegung mit Eigenmitteln zu vermeiden, müssen Banken die Zahlungs­Token für die Depotkundinnen und Depotkunden jederzeit bereithalten. Wenn sie die kryptobasierten Vermögenswerte nicht selbst verwahren, soll sichergestellt werden, dass im Fall des Konkurses eines Unterverwahrers ebenfalls ein insolvenzrechtlicher Schutz besteht (gemäss Schweizer Recht oder, im Ausland, gemäss einer ähnlichen sicheren rechtlichen Grundlage). Infolge der Umstellung der Ethereum­Blockchain von einem Proof­of­Work­ zu einem Proof­of­Stake­Konsensalgorithmus gewinnen Fragen rund um «Staking» zunehmend an Bedeutung.



JB23

 

JB23



Im Fokus bei Fragen zu Staking steht die Präzisierung der Gesetzesauslegung zur Unterscheidung zwischen im Konkursfall geschützten Depotwerten und dem Insolvenzrisiko ausgesetzten Einlagen. Diese drehen sich mehrheitlich um das für den Konkursschutz zentrale Tatbestandselement, wonach die kryptobasierten Vermögenswerte jederzeit für den Kunden bereitgehalten werden müssen. Mit der Aufsichtsmitteilung 08/2023 informierte die FINMA, wie sie angesichts der aktuellen rechtlich unsicheren Situation Staking­Dienstleistungen behandeln wird. Aufgrund der genannten Rechtsunsicherheiten würde die FINMA die Einordnung von Staking­Dienstleistungen im Fall von einschlägigen Gerichtsentscheiden oder internationalen Entwicklungen neu überprüfen.

Kritische Prüfung von Anfragen im Bereich Decentralised Finance

Die FINMA beantwortete auch 2023 Anfragen aus dem Bereich Decentralised Finance (DeFi) und verfolgte die Entwicklungen in diesem Bereich eng. Bei der Beurteilung dieser Anfragen stützte sie sich auf die Grundsätze der Technologieneutralität und der wirtschaftlich­funktionalen Betrachtungsweise (siehe FINMA-­Jahresbericht 2021, S. 20). Dabei stellte sich heraus, dass es sich bei vermeintlich dezentralen Applikationen immer gleichwohl um kontrollierende Betreiber handelte und somit keine echte Dezentralisierung vorlag. Anhaltspunkte für eine finanzmarktrechtlich relevante Kontrolle ergaben sich beispielsweise aus der Steuerung der Applikationsweiterentwicklung. Der Betreiber verfügte etwa über sogenannte Admin­Keys, über die Mehrheit von sogenannten Governance­Token, oder die Applikation war abhängig von Daten, die von einer bestimmten Person etwa über ein sogenanntes Oracle eingegeben werden. Weitere Hinweise waren die Geschäftsbeziehungen mit Endnutzerinnen und Endnutzern oder die Ertragsflüsse von der Applikation zu einer bestimmten Person.

Erstes Gesuch für eine Bewilligung als DLT-Handelssystem

Mit Inkrafttreten der DLT-Vorlage am 1. August 2021 wurde eine neue Finanzmarktinfrastruktur, das DLT­Handelssystem eingeführt. Die FINMA präzisierte bei dieser Gelegenheit insbesondere, dass DLT­ Handelssysteme mögliche Abwicklungsdienstleistungen auch gegenüber Dritten, also nicht ausschliesslich gegenüber Teilnehmern des eigenen Handelssystems, anbieten dürfen. Seither hat die FINMA zahlreiche Vorgespräche mit potenziellen Interessenten für diese neue Bewilligungskategorie geführt. Im Berichtsjahr hat sie das erste formelle Bewilligungsgesuch für ein DLT­Handelssystem erhalten. Das Projekt soll Handels­ und Nachhandelsdienstleistungen anbieten. Dabei soll die reibungslose Lieferung der DLT­Effekten gegen Zahlung (Delivery versus Payment) in einem zugangsbeschränkten Ökosystem auf einer öffentlichen Blockchain mittels Smart Contract sichergestellt werden.

(Aus dem Jahresbericht 2023)

Jahresbericht 2023

Zuletzt geändert: 20.03.2024 Grösse: 2.55  MB
Zur Merkliste hinzufügen
Backgroundimage