Verbraucherpolitische Forderungenan den europäischen Gesetzgeber 2024 bis 2029
Krisen gemeinsam bekämpfen
Die anstehenden Herausforderungen anzugehen kann nicht allein Aufgabe der Nationalstaaten sein. Fragen, die alle betreffen, brauchen europäische Antworten. Und sie brauchen Antworten, die das Morgen mitdenken. Es geht nicht (nur) um die Verbraucher:innen von heute, sondern darum, die Weichen so zu stellen, dass auch kommende Generationen am Konsum teilhaben können. Eine vorausschauende europäische Verbraucherpolitik setzt darum konsequent auf Nachhaltigkeit: ökonomisch, ökologisch und sozial.
Ökonomisch nachhaltig
Die vergangenen Jahre haben gezeigt: Wirtschaftsstrukturen müssen krisenfest sein und Verbraucher:innen nützen statt sie auszubeuten. Besserer Schutz von Bankkonten vor Cyberangriffen oder mehr Transparenz beim Abschluss von Handelsabkommen würden darauf einzahlen.
Ökologisch nachhaltig
Das Klima zu schützen gehört zu den zentralen Aufgaben dieses Jahrhunderts. Verbraucher:innen müssen dazu ihren Beitrag leisten, dürfen damit aber nicht allein gelassen werden. Es braucht klare Regeln, die klimaschützendes Verhalten ermöglichen und fördern – in allen Bereichen: E-Autos sollten verbindliche Effizienzvorgaben erfüllen und nachhaltige Geldanlagen halten, was sie versprechen.
Sozial nachhaltig
Sozial nachhaltige Verbraucherpolitik stellt sicher, dass alle Verbraucher:innen bei politischen und ökonomischen Veränderungen mitgenommen werden – auch und gerade Menschen mit geringem Einkommen. Bezahlbare Basiskonten oder leicht verständliche AGBs würden den Geldbeutel aller Verbraucher:innen schonen.
„Europa ist eine Erfolgsgeschichte für Verbraucher:innen. Aber Europa kann mehr.“
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Video:
https://youtu.be/B6lbOTCWvOUKernforderungen des vzbv zur Europawahl 2024
Ökonomische Nachhaltigkeit
Eine nachhaltige Verbraucherpolitik stabilisiert das Wirtschaftssystem langfristig und schützt Verbraucher:innen vor Risiken. Das sind wichtige Grundlagen für ein nachhaltiges Wirtschaftssystem.
Profilbildung zu Werbezwecken verbieten
Wer im Internet surft, hinterlässt Datenspuren, die permanent zu Profilen zusammengefasst werden, auf deren Grundlage Werbung ausgespielt wird. Diese Profilbildung gefährdet den Schutz der Privatsphäre, schadet der IT-Sicherheit, trägt zur Verbreitung von Desinformation bei, ermöglicht Manipulation und begünstigt Diskriminierung.
Wir fordern
Profilbildung zu Werbezwecken muss verboten werden. Verbraucher:innen sollten mit gutem Gefühl durchs Internet surfen und ihr Smartphone nutzen können, ohne dass ihre Spuren zu Werbezwecken gesammelt werden. Der europäische Gesetzgeber muss einen entsprechenden Rechtsakt beschließen, um den digitalen Werbemarkt in Europa nachhaltig zu reformieren. Dieser muss neue technologische Entwicklungen sowie Manipulation und Diskriminierung von Verbraucher:innen adressieren, um sie auch auf dem digitalen Markt dauerhaft zu schützen.
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Bankkonten vor Cyberkriminalität schützen
Verbraucher:innen sind zunehmend gefährdet, Opfer von Cyberangriffen auf ihre Bankkonten zu werden. Theoretisch schützen die geltenden Regeln Kund:innen vor solchen Angriffen, zum Beispiel durch eine starke Authentifizierung. Zahlungsdienstleister müssen für Schäden durch Transaktionen, die nicht vom Kunden authentifiziert wurden, aufkommen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass sie diese Verpflichtung häufig umgehen und Verbraucher:innen im Regen stehen lassen – einige verlieren ihre gesamten Ersparnisse.
Wir fordern
Um Bankkonten besser zu schützen, braucht es ein wirksames Haftungsregime. Banken hätten damit einen starken Anreiz, nicht autorisierte Zahlungen mit allen Mitteln zu verhindern. Der europäische Gesetzgeber muss allen Umgehungstaktiken, wie der Schaffung unerfüllbarer Sorgfaltspflichten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), regulatorisch entgegenwirken. Banken und anderen Zahlungsdienstleistern muss es unmöglich gemacht werden, Schäden durch Cyberangriffe auf Verbraucher:innen abzuwälzen. Verbraucher:innen müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Ersparnisse sicher verwahrt werden.
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Weitere Forderungen zur ökonomischen Nachhaltigkeit
Problem
Große Telekommunikationsnetzbetreiber fordern, dass Inhalteanbieter wie Amazon, Google, Netflix oder Spotify eine Gebühr für die Nutzung der digitalen Infrastruktur an sie zahlen. Der von den Netzbetreibern angebrachte Grund ändert sich stetig: Mal sind es die zu geringen Renditen, dann wieder fehlende Investitionsmittel oder auch die Instandhaltung der digitalen Infrastruktur, die durch große Datenmengen belastet würde. Für Verbraucher:innen hätte eine Datenmaut viele Nachteile. Daten könnten unterschiedlich bepreist und nicht mehr gleichbehandelt werden. Eine Datenmaut gefährdet deshalb das offene und freie Internet (Netzneutralität), die Medienvielfalt und den Wettbewerb. Im Zweifelsfall müssten Verbraucher:innen am Ende mehr für Dienste bezahlen und es gäbe weniger Angebote.
Lösung
Eine Datenmaut darf nicht eingeführt werden. Die Europäische Kommission darf keinen Rechtsakt vorschlagen, die Diensteanbietern die Möglichkeit gibt, Netzgebühren zu erheben.
Problem
Zertifikate für nachhaltigen Konsum wie der Grüne Knopf oder der Blaue Engel können helfen, nachhaltige Produkte zu identifizieren. Oft ist jedoch völlig undurchsichtig, wie verlässlich Zertifizierungen sind oder ob dadurch wirklich eine nachhaltige Produktion sichergestellt wird.
Lösung
Der europäische Gesetzgeber muss eine übergreifende Regulierung für die Zertifizierung von Nachhaltigkeit beschließen, damit Verbraucher:innen sich auf Nachhaltigkeitszertifikate verlassen können. Sie muss Mindestkriterien für Standardsysteme und Zertifizierer definieren. Außerdem braucht es eine Akkreditierungspflicht und einen Haftungsmechanismus für fehlerhafte Zertifizierung.
Problem
Internationales Handelsrecht genießt Vorrang vor nationalem Recht. Hat sich die EU in einem Handelsabkommen zu etwas verpflichtet und erlässt dann gegenteilige EU-Vorschriften, können diese von Handelspartnern vor der Welthandelsorganisation (WTO) oder bilateralen Instanzen angegriffen werden. Das betrifft auch verbraucherschützende Vorschriften, die dann als „Handelshemmnis“ deklariert werden. Dies kann EU-Gesetzgebungsverfahren negativ beeinflussen und verhindert oft einen nachhaltigen Schutz von Verbraucher:innen.
Lösung
Internationale Handelsabkommen müssen transparent verhandelt werden. So kann die Zivilgesellschaft für ein hohes Verbraucherschutzniveau in der EU eintreten. Insbesondere im Zuge internationaler Verpflichtungen über neue oder zukünftige Technologien wie zum Beispiel Künstliche Intelligenz, darf die EU sich nicht selbst beschneiden, indem sie den regulatorischen Handlungsspielraum durch vorschnelle internationale Verpflichtungen blockiert.
Problem
Technische Neuerungen und innovative digitale Geschäftsmodelle werden oftmals von bestehender Regulierung nicht erfasst. Digitalpolitische Gesetzgebung muss aber auch Antworten auf Entwicklungen wie ChatGPT oder Metaverse geben. Die großen Regulierungserrungenschaften der digitalen Welt (Digital Market Act & Digital Service Act, Data Act, Data Governance Act, Artificial Intelligence Act) müssen Schritt halten mit der rasanten Marktentwicklung.
Lösung
Der europäische Gesetzgeber muss die aktuellen digitalpolitischen Gesetze kontinuierlich einem Fitness-Check unterziehen, zum Beispiel durch Evaluierungen und Befragungen. Der europäische Gesetzgeber muss auch bei der Ausgestaltung digitalpolitischer Gesetze immer darauf achten, dass diese konsequent um- und durchgesetzt werden.
Problem
Verbraucher:innen wollen Produkte länger nutzen und umweltfreundlich konsumieren. Beim Kauf können sie aber kaum erkennen, wie umweltfreundlich ein Produkt ist, wie lange es hält und ob es reparierbar ist.
Lösung
Um solche Produktdaten einsehen zu können, sollen in den nächsten Jahren digitale Produktpässe eingeführt werden. Verbraucher:innen könnten dann etwa über einen QR-Code Ersatzteilinformationen und einen Reparierbarkeitswert abrufen. Für Verbraucher:innen kommt es darauf an, dass diese Produktpässe einfach nutzbar und die Informationen zuverlässig sind. Der europäische Gesetzgeber muss schnell erste Produktpässe mit zuverlässigen, verständlichen und umfassenden Verbraucherinformationen erarbeiten und beschließen. Er darf das Feld nicht allein der Wirtschaft überlassen.
Problem
Wenn Verbraucher:innen im EU-Ausland von einem Unternehmen geschädigt werden, müssen sie die Möglichkeit haben, dagegen zu klagen – und zwar vor einem Gericht in ihrem Heimatland. Aktuell ist das nicht immer möglich. Wer zum Beispiel gegen die französische Bahn wegen annullierter oder verspäteter Züge klagen möchte, muss das im Zweifel vor einem Gericht in Frankreich tun. Auch bei Mängeln an Ferienwohnungen müssen Urlauber:innen in dem Land klagen, in dem die Ferienwohnung liegt. Unklar ist die Situation bei kollektiven Klagen.
Lösung
Verbraucher:innen müssen ausnahmslos vor dem Gericht ihres Wohnsitzes klagen dürfen und auch nur dort verklagt werden können. In der EU-Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in grenzüberschreitenden Fällen muss die Ausnahme für Beförderungsverträge gestrichen werden. Außerdem muss die Miete von Ferienwohnungen als Verbrauchervertrag eingestuft werden. Es muss zudem ein neuer Gerichtsstand für Sammelklagen geschaffen werden, der dem Verbrauchergerichtsstand der abhängigen Ansprüche der Verbraucher:innen folgt.
Problem
Vernetzte und automatisierte Fahrzeuge verarbeiten personenbezogene Daten wie etwa die Daten von Passant:innen im Fahrzeugumfeld. Diese Daten unterliegen dem Schutz der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Verbraucher:innen müssen sich beim Autokauf darauf verlassen können, dass das Fahrzeug und seine Funktionen datenschutzkonform funktionieren, da sie sich sonst einem Haftungsrisiko aussetzen. Bisher prüfen Zulassungsbehörden die datenschutzrechtliche Konformität von Fahrzeugtypen jedoch nicht.
Lösung
Zulassungsbehörden sollten Fahrzeuge, die nicht vollständig datenschutzkonform nutzbar sind, nicht oder nur unter Auflagen zulassen. Der europäische Gesetzgeber muss einen Rechtsakt für eine Anpassung der Typengenehmigungsverordnung für Pkw beschließen – mit der Maßgabe, dass Fahrzeuge nicht nur Sicherheits- und Umweltverträglichkeitsanforderungen, sondern auch die Vorgaben der DSGVO einhalten müssen.
Problem
Bei grenzüberschreitenden Zahlungen sind europäische Verbraucher:innen auf einige wenige außereuropäische Zahlungsanbieter wie PayPal, Visa und Mastercard angewiesen. Es gibt kaum Wettbewerb oder europäische Lösungen, was für Verbraucher: innen zu hohen Kosten führt. Während Euro- Bargeld und SEPA-Überweisungen in der gesamten Eurozone funktionieren, sind elektronische Zahlungsverfahren in den Mitgliedstaaten immer noch fragmentiert.
Lösung
Der europäische Gesetzgeber muss die Einführung europaweiter Zahlungslösungen weiterhin vorantreiben. Ein digitaler Euro und europaweite verbraucherorientierte Zahlungslösungen würden das Bezahlen über Grenzen hinweg günstiger und inklusiver machen. Der digitale Euro muss für Nutzer:innen kostenlos, insgesamt kosteneffizient und darauf ausgelegt sein, die Privatsphäre zu schützen und Inklusion bei digitalen Diensten zu fördern.
Ökologische Nachhaltigkeit
Privater Konsum hat einen wichtigen Einfluss auf Umwelt und Klima: Wie Verbraucher:innen reisen, investieren und sich ernähren, entscheidet mit darüber, ob die ökologische Transformation gelingt. Umfragen zeigen immer wieder: Verbraucher:innen wollen einen Beitrag zu mehr ökologischer Nachhaltigkeit leisten. Sie dürfen damit aber nicht allein gelassen werden. Die Europäische Union muss Rahmenbedingungen für einen ökologisch nachhaltigen Konsum schaffen.
Strommarkt verbraucherfreundlich gestalten
Um die Energieversorgung perspektivisch auf erneuerbare Energiequellen umzustellen, muss der Strommarkt um- und ausgebaut werden. Diese Transformation kann nur gemeinsam mit Verbraucher:innen gelingen. Es braucht ein gemeinsames, EU-weit koordiniertes Strommarktdesign mit grenzüberschreitenden Leitungen. Zugleich müssen die Infrastrukturkosten so gering wie möglich sein, damit Strom für Verbraucher:innen bezahlbar bleibt.
Wir fordern
Günstige Erzeugungspreise von Strom aus erneuerbaren Energien müssen bei Verbraucher:innen ankommen, egal ob sie zur Miete, im eigenen Haus, auf dem Land oder in der Stadt wohnen. Das Strommarktdesign muss die Teilhabe der Verbraucher:innen fördern, Stromerzeugung und -verbrauch müssen enger aufeinander abgestimmt werden. Dazu sollten Verbraucher:innen selbst einen Beitrag leisten können – etwa mit steuerbaren Verbrauchsgeräten wie Wärmepumpen oder Wallboxen für Elektroautos, die verbraucherfreundlich in den Strommarkt integriert werden. Übergewinne von Unternehmen müssen verhindert werden.
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Effizienzvorgaben für E-Autos einführen
Die Nachfrage nach Strom wird durch mehr E-Autos steigen, während die Menge an regenerativer Energie auch bei einem massiven Ausbau der erneuerbaren Energiequellen begrenzt bleibt. Damit der Verkehrssektor nicht zum Stromfresser wird, müssen E-Autos Strom möglichst effizient nutzen.
Wir fordern
Der europäische Gesetzgeber muss zeitnah ambitionierte Effizienzvorgaben für E-Autos beschließen. Dabei geht es nicht nur um den Energieverbrauch im Betrieb. Autos müssen unter Berücksichtigung ihres gesamten Lebenszyklus – von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung – bewertet werden. Ziel muss es sein, kleine, leichtere und sparsamere Fahrzeuge in den Markt zu bringen, um den Energieverbrauch und die Kosten für Verbraucher:innen zu senken.
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Weitere Forderungen zur ökologischen Nachhaltigkeit
Problem
Wer sein Geld nachhaltig investieren will, achtet auf Anlageprodukte, die Nachhaltigkeit versprechen. Doch leider steckt nicht immer drin, was draufsteht, und Verbraucher:innen können leere Nachhaltigkeitsversprechen nur schwer erkennen. Investitionen in nachhaltige Anlageprodukte werden so schwierig oder unmöglich.
Lösung
Die Finanzmarktaufsicht muss Nachhaltigkeitsversprechen von Anbietern kontrollieren. Dazu muss der europäische Gesetzgeber die Offenlegungs-Verordnung erweitern. Nur wenn diese einen Sanktionskatalog sowie Prüfpflichten und -befugnisse der Aufsicht in den Mitgliedsstaaten enthält, kann eine wirksame und strenge Aufsicht im Bereich der nachhaltigen Geldanlagen erfolgen. Anbieter müssen wirksam sanktioniert werden, sollten sie mit falschen Nachhaltigkeitsversprechen Verbraucher:innen täuschen.
Problem
Wer mit mehreren Verkehrsmitteln unterwegs ist, zum Beispiel erst Zug fährt und dann in einen Fernbus umsteigt, hat bislang Nachteile bei den Fahrgastrechten, weil es häufig keine durchgehenden Fahrkarten für die gesamte Reisekette gibt. Eine Haftung für verpasste Verkehrsmittel durch Verspätungen oder Ausfälle ist somit oft ausgeschlossen. Das schadet der Attraktivität des öffentlichen Verkehrs, statt sie zu fördern.
Lösung
Verkehrsmittelbezogene Passagierrechte wie die EU-Bahngastrechte und EU-Fluggastrechte müssen durch verbindliche gesetzliche Vorgaben zum Schutz von Reisenden bei multimodalen Reisen ergänzt werden. Freiwillige Kooperationen können nur ein Anfang sein. Der europäische Gesetzgeber muss verbindliche Vorgaben schaffen, die alle Verkehrsmittel EU-weit inkludieren.
Problem
Weichmacher in Trinkflaschen, Mineralöl in Schokolade, Formaldehyd in Kaffeebechern – Verbraucher: innen sind zu oft Schadstoffen und potenziell gefährlichen Chemikalien ausgesetzt. Die Ergebnisse der Lebensmittelüberwachung zeigen: Es finden sich immer wieder gesundheitsschädigende Rückstände in Nahrungsmitteln, die aus Verpackungen und Geschirr in Lebensmittel übergehen.
Lösung
Verbraucher:innen müssen sich auf die Unbedenklichkeit von Lebensmittelverpackungen und Geschirr verlassen können. Der europäische Gesetzgeber muss die längst überfällige Überarbeitung der Regulierung von Lebensmittelkontaktmaterialien beschließen. Dazu gehören unter anderem ein klares Verbot von besonders schädlichen Stoffen, ein Zulassungsverfahren für Lebensmittelkontaktmaterialien und ein einheitliches Kennzeichnungskonzept.
Problem
Verbraucher:innen, die beim Autokauf auf den CO2-Ausstoß achten, können leicht danebengreifen. Denn bei der Klassifizierung des Energieverbrauchs werden Autos innerhalb ihrer Gewichtsklasse bewertet. Das heißt: SUVs, die innerhalb ihrer Gewichtsklasse gut abschneiden, können ein besseres Label erhalten als ein Kleinwagen – obwohl sie absolut gesehen deutlich mehr CO2 ausstoßen. Im Zweifelsfall entscheiden sich Verbraucher:innen für ein Auto, das mehr CO2 ausstößt, da dieses scheinbar ein besseres Label trägt. Schadstoffausstoß und die Besonderheiten neuer Antriebe, zum Beispiel von E-Autos, werden gar nicht berücksichtigt.
Lösung
Verbraucherinformationen beim Autokauf müssen leicht verständlich, realistisch und europaweit einheitlich sein. Dafür muss die Richtlinie zur Bereitstellung von Verbraucherinformationen über Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen beim Marketing für neue Pkw grundlegend überarbeitet und durch eine Verordnung ersetzt werden. Informationen zum Energieverbrauch dürfen nicht durch andere Parameter wie etwa die Fahrzeugmasse relativiert werden. Außerdem müssen Schadstoffausstoß, realistische Reichweitenangaben bei E-Autos sowie Informationen zur Ladedauer und Haltbarkeit der Antriebsbatterie verpflichtend in die Kennzeichnung integriert werden.
Soziale Nachhaltigkeit
Eine sozial nachhaltige Verbraucherpolitik stellt die Teilhabe aller gesellschaftlichen Gruppen sicher. Verbraucher:innen müssen vor finanziellen Risiken und unfairen Wirtschaftspraktiken geschützt werden.
Nutri-Score EU-weit verpflichtend auf Lebensmitteln einführen
Die Mehrheit der Verbraucher:innen möchte sich gesund ernähren. Beim Blick auf die Verpackungen im Supermarkt sehen sie sich jedoch einem Wust von kleingedruckten Informationen ausgesetzt. Zu beurteilen, welches Müsli nun das gesündeste ist, ist kaum möglich. Viele Lebensmittel werden sogar als besonders gesund beworben, obwohl sie zu viel Zucker, Fett oder Salz enthalten.
Wir fordern
Damit die gesunde Option zur einfachen Option wird, müssen Verbraucher:innen gesündere Lebensmittel auf einen Blick erkennen können. Dafür muss der Nutri-Score EU-weit verpflichtend und einheitlich auf allen Lebensmitteln eingeführt werden. Außerdem sollten Nährwertprofile regeln, wie viel Zucker, Fett oder Salz ein Produkt maximal enthalten darf, damit es eine Gesundheitsaussage tragen darf.
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Werbung mit sozialen Aussagen regulieren
Shampoo, Kaffee oder Reisen – Verbraucher:innen sehen sich überall mit Werbeaussagen konfrontiert, die Nachhaltigkeit versprechen. Dazu zählen nicht nur Aussagen, die umwelt- oder klimafreundliche Herstellung anpreisen, sondern auch Social Claims wie „frei von Kinderarbeit“, „existenzsichernde Löhne“ oder „fair gehandelt“. Aber: Bisher gibt es kaum Vorgaben für die Werbung mit sozialer Nachhaltigkeit.
Wir fordern
Verbraucher:innen müssen sich darauf verlassen können, dass Werbeaussagen, die soziale Nachhaltigkeit versprechen, tatsächlich wahr sind. Der europäische Gesetzgeber muss verbindlich regeln, wie „Social Claims“ belegt werden müssen und unter welchen Bedingungen sie verwendet werden dürfen.
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Weitere Forderungen zur sozialen Nachhaltigkeit
Problem
Wer sich Finanzanlagen oder kapitalansparende Versicherungen empfehlen lässt, bekommt häufig nicht das beste Produkt empfohlen, sondern das, an dem die Berater:innen am meisten verdienen. Denn die Anbieter der Produkte bezahlen die Berater:innen mit Provisionen. So entsteht ein Interessenkonflikt bei Berater:innen. Statt guter Produkte erhalten Verbraucher:innen Angebote, die im Vertrieb die höchsten Provisionen erzielen. Dieser Interessenkonflikt muss aufgelöst werden.
Lösung
Der europäische Gesetzgeber muss Provisionen in der Finanzberatung verbieten. Verbraucher:innen sollten die Beratung nicht länger indirekt über Provisionen bezahlen, sondern über direkte Honorare an die Finanzberater:innen. Damit können Verbraucher:innen darauf vertrauen, dass sie tatsächlich das für sie geeignete Produkt erhalten.
Problem
Basiskonten sind dafür gedacht, auch einkommensschwachen Verbraucher:innen Zugang zum digitalen Zahlungsverkehr zu sichern. Sie sind damit ein wichtiges Instrument sozial nachhaltiger Politik, werden jedoch nicht immer zu angemessenen Preisen angeboten. Im Schnitt verlangen Anbieter in Deutschland 108,45 Euro für ein Online-Konto und 148,11 Euro für Filialkonten im Jahr. Menschen mit wenig Einkommen können sich ein Basiskonto so im Zweifelsfall gar nicht leisten.
Lösung
Um zu hohe Kosten für Basiskonten zu unterbinden, muss der europäische Gesetzgeber die Kostenregelung in der Zahlungskontenrichtlinie anpassen.
Problem
Immer wieder stehen Verbraucher:innen in der Apotheke und bekommen aufgrund von Lieferengpässen ihr dringend benötigtes Medikament nicht. Gleichzeitig steigen die Preise im Zuge der Inflation auch bei Medikamenten. Medikamente dürfen als lebenswichtige Güter aber nicht allein den Regeln des Marktes unterliegen.
Lösung
Der europäische Gesetzgeber muss das Pharmarecht so reformieren, dass Lieferengpässe bei Arzneimitteln verhindert werden und Arzneimittel verfügbar sind.
Problem
Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln preisen ihre Produkte häufig als Wundermittel an. Bei amtlichen Lebensmittelkontrollen fallen jedoch immer wieder Produkte durch unzulässige Gesundheitsversprechen, fragwürdige Inhaltsstoffe und teilweise viel zu hohe, gesundheitsschädliche Dosierungen von Wirkstoffen auf.
Lösung
Um Verbraucher:innen zu schützen, müssen auf europäischer Ebene Qualitätsstandards und Reinheitsanforderungen definiert werden. Die Europäische Kommission muss in der EU-Nahrungsergänzungsmittel-Richtlinie und in der EU-Anreicherungsverordnung verbindliche Höchstmengenregelungen für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln und Regelungen für Produkte auf Pflanzenbasis definieren.
Problem
Die europäischen Fluggastrechte sind ein echter Gewinn für Verbraucher:innen. Seit dem Jahr 2013 liegt allerdings ein Vorschlag für eine Reform der Fluggastrechte bei der Europäischen Kommission, der eine massive Absenkung des aktuellen Verbraucherschutzniveaus zur Folge hätte. Wie wichtig starke Passagierrechte sind, hat die Pandemie gezeigt. Airlines haben ihre Kund:innen zwangsweise als Kreditgeber:innen genutzt und Preise gesetzeswidrig Monate später zurückgezahlt. Das im Voraus gezahlte Geld für teure Langstreckenflüge ist bei Airline-Pleiten oft unwiederbringlich verloren.
Lösung
Die Europäische Kommission muss den Vorschlag zur Reform der Fluggastrechte zurückziehen und eine Novellierung dafür nutzen, Fluggastrechte zu stärken, bestehende Lücken zu schließen und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Verordnung zu verankern. Zudem braucht es einen verpflichtenden Insolvenzschutz und ein Ende der kompletten Vorkasse bei Flugbuchungen.
Problem
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) werden immer länger, komplexer und undurchsichtiger. Viele Verbraucher:innen schrecken davor zurück, sich die AGB durchzulesen, und schließen Verträge ab, ohne sich über deren Bedingungen im Klaren zu sein. Unternehmer:innen dagegen kennen ihre Geschäftsbedingungen sehr gut und berufen sich im Streitfall auf die Klauseln.
Lösung
Damit Verbraucher:innen sich besser im Bereich der AGB und der Vertragsbeziehungen zurechtfinden, bedarf es neuer, fairer und digitaler Standards. Wenn Verbraucher:innen in Geschäftsbedingungen einwilligen sollen, müssen sie die wichtigsten Punkte auf Anhieb mithilfe einer Zusammenfassung erkennen und die Bedingungen besser erfassen können. Als Vorbild könnte das standardisierte Produktinformationsblatt im Versicherungsbereich dienen. Der europäische Gesetzgeber muss Unternehmen dazu verpflichten, Verbraucher: innen eine solche leicht verständliche Zusammenfassung der wichtigsten Geschäftsbedingungen leicht zugänglich zur Verfügung zu stellen.