Fußball ist der Volkssport der Deutschen, und erfreut sich treuer Fans. Doch einige davon sehen dringenden Reformbedarf. Sie taten sich zusammen, schrieben eine Erklärung und sammelten Unterschriften – mit großem Erfolg. Nun folgen konkrete Forderungen. Darunter: Strengere Auflagen für den Klimaschutz.
Was wäre Fußball ohne Fans? Die leeren Ränge bei den COVID-bedingten Geisterspielen erinnern an die Bedeutung von Fankultur. Die Menschen in den Stadien und daheim vor den Fernsehern liefern das menschliche Element des Sports, sie schaffen Gemeinschaft, Leidenschaft, Emotion. Die Gründer der Initiative „Unser Fußball“ sind sich dieser Bedeutung bewusst, und nutzten sie als Hebel, um Forderungen an den deutschen Profifußball zu stellen.
„Basisnah, nachhaltig und zeitgemäß“ soll der deutsche Fußball werden, so ihre Erklärung, die inzwischen von 2663 Fanclubs unterschrieben wurde, die insgesamt etwa eine halbe Million Fans vertreten. Neben fairem Wettbewerb zwischen großen und kleinen Vereinen oder demokratischen Strukturen fordert „Unser Fußball“ auch, dass der Fußball seiner Vorbildfunktion nachkommt und ökologisch nachhaltiger handelt.
Bekenntnis zum Pariser Abkommen
„Es gibt eine breite Fanbasis, die einen Wertewandel im Fußball fordert“, so Manuel Gaber, Sprecher der Initiative, im Gespräch mit EURACTIV Deutschland. Das betreffe auch die Nachhaltigkeit. Angestoßen von der eFan-Initiative, „Unsere Kurve“, entsteht mit dem Projekt „Zukunft Profifußball“ momentan ein weiterer Katalog an Forderungen an den deutschen Fußball, aufbauend auf Gabers‘ Erklärung. Der ökologischen Verantwortung wurde ein eigener Arbeitskreis gewidmet.
Dieser Arbeitskreis veröffentlichte jetzt seine Ergebnisse. Der deutsche Fußball (konkret: die Dachverbände Deutsche Fußball Liga (DFL) und Deutscher Fußball-Bund (DFB) sowie die Vereine) soll sich zur Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens bekennen und zu diesem Zweck verpflichtend CO2-Bilanzen erstellen und unvermeidbare Emissionen kompensieren. Mindeststandards beim Umweltmanagement sollen vereinheitlicht, Lieferketten für Merchandise-Produkte offengelegt werden. Um den größten Klimaklotz am Kickerbein anzugehen, die Mobilität, sollen klimafreundliche Konzepte entstehen, bei denen alle mitreden: Vereine, Fans und Verkehr.
„Es ist erstaunlich wenig passiert auf Seiten von Vereinen und Verbänden“, so Gaber. Längst ist Klimaschutz ein Thema im Fußball, doch bislang agieren nur einzelne Vereine: Manche verbannen Einwegbecher aus ihren Stadien, andere bieten bewachte Fahrradständer an, Mainz 05 ist sogar der erste deutsche CO2-neutrale Verein. Doch dieser Fleckenteppich bringt auf Dauer nichts, Gaber fordert einheitliche Regeln.
Pflicht zur Vorbildfunktion
„Absurd kleinteilige Dinge sind fix geregelt, etwa dass jedes Stadion der zweiten Liga ein Dach braucht – wieso dann nicht im Umweltschutz?“, fragt er. Das wäre auch im Sinne des fairen Wettbewerbs. Denn Klimaschutz-Maßnahmen kosten den Vereinen Geld. Wenn aber alle Vereine mitziehen müssten, ergäbe sich daraus kein Nachteil. Dafür wären die verpflichtenden CO2-Bilanzen ein erster wichtiger Schritt, um Vergleichbarkeit herzustellen und zu wissen, wo man eigentlich steht. Bislang passiert das nur freiwillig, etwa beim VfL Wolfsburg.
Einheitlich regeln würde Gaber etwa, dass alle Stadiontickets gleichzeitig als Tickets für den öffentlichen Verkehr gelten. Zwar ist das bereits weit verbreitet, „aber etwa der FC Bayern hat es immer noch nicht geschafft“. Bei der Besorgung von Merchandise oder Ausrüstung sollen höhere Standards gelten.
„Da kann der Fußball einiges machen“, so Gaber. Er könnte ganz einfach das Bewusstsein bei den Fans erhöhen, die sonst vielleicht nie zu Fair Trade greifen. Fußballvereine sind Großkunden von Herstellern wie Adidas oder Nike, deren Fabriken in Ländern mit niedrigen Arbeitsstandards stehen. Würden diese Großkunden fairere Bedingungen fordern oder drohen, sonst den Ausrüster zu wechseln, würde das Druck ausüben.
Tischfußball
Einfließen werden diese Forderungen in den aktuellen Selbsterneuerungs-Prozess der DFL. Eine Task Force erstellt dort Vorschläge für Reformen der Liga, auch im Bereich Nachhaltigkeit. Neben DFL und Vereinen wird dort auch die Politik vertreten sein, etwa durch Martin Schulz (SPD) und Cem Özdemir (Grüne).
Mit am Tisch sitzen auch sechs Fans – Manuel Gaber ist einer davon. Das wird seine Plattform sein, um die Forderungen der Fan-Arbeitsgruppe „Zukunft Profifußball“ in die Realität zu überführen. Der Prozess startet im Oktober, bis Ende des Jahres sollen die Reformvorschläge vorliegen.