Zwingt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) die deutsche Wirtschaft in die Knie? Kritiker*innen fürchten: Während Unternehmen hierzulande Zeit und Geld in die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten investieren, könnten internationale Wettbewerber an ihnen vorbeiziehen. Felix Ahlers, Vorstandsvorsitzender der Frosta AG, sieht das anders. Das Gesetz schaffe endlich faire Bedingungen auf dem deutschen Markt – und dürfe sogar noch strenger sein.
Herr Ahlers, die Frosta AG bemüht sich schon seit längerem um ökologische Nachhaltigkeit und faire Arbeitsbedingungen entlang ihrer Lieferkette. Werden Sie durch kritische Verbraucher*innen angetrieben?
Felix Ahlers: Nein, im ersten Schritt ist das eine rein intrinsische Motivation gewesen. Wir beziehen Zutaten aus etwa 40 verschiedenen Lieferländern. Das ist auch gar nicht anders möglich, denn Mangos, Bambus oder Pfeffer wachsen nun mal nicht in Deutschland. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, diese Zutaten aus Ländern zu beziehen, von denen ich weiß: Da werden die Menschenrechte nicht respektiert, da wird die Umwelt geschädigt. Das würde ich einfach nicht wollen. Wir sind also schon seit Langem der Überzeugung, dass wir in den Anbaugebieten für faire und sichere Arbeitsbedingungen sorgen müssen. Ich muss aber auch sagen: So richtig kritisch und detailliert nachforschen, das tun wir erst seit 2015.
Was war 2015?
Ahlers: Damals haben wir uns entschlossen, die Herkunftsländer der Zutaten auf unsere Produkte zu schreiben. Maximale Transparenz, das ist unser Grundmotto. Alles, was wir wissen, machen wir auch öffentlich. Und als wir angefangen haben, die Herkunftsländer zu deklarieren, hat auch das Interesse der Kundinnen und Kunden zugenommen. Da kamen immer mehr Nachfragen. Wir haben uns durch die neue Transparenz also im positiven Sinne selbst dazu gezwungen, immer genauer hinzuschauen.
Im Jahr 2019 gehörten Sie zu den Unterzeichner*innen eines Statements, in dem deutsche Unternehmen eine gesetzliche Regelung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten forderten. Was erhoffen Sie sich vom LkSG, das seit Anfang 2023 in Kraft ist?
Ahlers: Wie gesagt: Das Thema war uns schon immer wichtig, und wir wissen, dass es auch den Verbraucher*innen am Herzen liegt. Ich finde es gut, dass sich durch das Lieferkettengesetz nun alle Unternehmen – zumindest im deutschen Markt – an dieselben Spielregeln halten müssen. Das sorgt zum einen für einen faireren Wettbewerb. Zum anderen erhoffe ich mir, dass Themen wie Umweltschutz und Menschenrechte in den Herkunftsländern eine größere Aufmerksamkeit erfahren, je mehr Abnehmer*innen danach fragen.
Sie sprechen von einem fairen Wettbewerb in Deutschland. Andere Stimmen beklagen hingegen, dass deutsche Unternehmen nun einen Nachteil gegenüber internationalen Wettbewerbern hätten. Wie sehen Sie das?
Ahlers: Im Gegenteil: Wenn Sie den Menschen gut erklären, was Sie tun und warum Sie es tun, dann sind die meisten auch bereit, dafür mehr Geld auszugeben. Die Kund*innen wollen ja, dass die Umwelt- und Menschenrechte eingehalten werden. Wenn wir als Firma sagen können: "Wir machen das, ihr könnt darauf vertrauen, dass wir uns an alle Regeln halten", dann werden die meisten Verbraucher*innen das positiv bewerten und unsere Produkte bevorzugen. So kann aus einem vermeintlichen Wettbewerbsnachteil sogar ein Vorteil werden.
Das Lieferkettengesetz sorgt für fairen Wettbewerb. Je größer man das macht, desto besser.
Übrigens: Viel wichtiger als die Sorge um deutsche Firmen scheint mir die Frage, ob das Gesetz möglicherweise Nachteile für kleine Unternehmen in den Herkunftsländern haben könnte.
Inwiefern?
Ahlers: Ich war gerade in Äthiopien, wo wir ein lokales Kaffeeprojekt unterstützen. Die Menschen, die auf kleineren Kaffeefarmen arbeiten, machen sich Sorgen, dass sie durch das LkSG benachteiligt werden könnten. Was, wenn deutsche Unternehmen ihren Dokumentationsaufwand reduzieren wollen und anstelle von mehreren kleinen Lieferanten lieber auf einen großen setzen? Dann verlieren die kleinen ihre Aufträge oder müssen ihren Umsatz mit Zwischenhändlern teilen. Ob das tatsächlich passiert, kann ich noch nicht sagen. Aber wir sollten die Entwicklung genau beobachten.
Sind Sie insgesamt zufrieden mit dem deutschen Lieferkettengesetz? Erfüllt es Ihre Erwartungen?
Ahlers: Grundsätzlich ja. Wobei: Aus unserer Sicht dürfte es sogar noch strenger sein. Als Unternehmen, das auf größtmögliche Transparenz setzt, wünschen wir uns eine Deklarationspflicht der Herkunftsländer für alle Branchen. Es ist doch so: Wenn Sie eine Jeans kaufen, muss drinstehen, wo sie hergestellt wurde. Wenn Sie einen Apfel kaufen, steht drauf, wo er angebaut wurde. Es ist inkonsequent, dass für verarbeitete Lebensmittel nicht dieselbe Regel gilt. Die Beweggründe der Lebensmittellobby sind klar: Durch hübsche Bilder auf ihren Verpackungen wollen sie suggerieren, dass der Apfelsaft vom Bauernhof um die Ecke kommt – obwohl das Konzentrat zu 99 Prozent aus China stammt. Solange so etwas möglich ist, haben Unternehmen null Anreize, die Dinge besser zu machen.
Ab dem kommenden Jahr gilt das Lieferkettengesetz auch für Firmen Ihrer Größe. Basierend auf Ihrer Erfahrung: Welchen Rat geben Sie Unternehmen, die jetzt beginnen, sich mit ihren menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten auseinanderzusetzen?
Ahlers: Zunächst einmal habe ich Verständnis, wenn sich der eine oder die andere überfordert fühlt. Wenn man bei Null anfängt, ist das natürlich erstmal ein großer Aufwand. Ich empfehle daher, Schritt für Schritt vorzugehen. Das Wichtigste sind die Risikoanalysen: Wie ist die Situation in den Ländern? Wer sind die riskanten Zulieferer? Vor allem aber hilft es, sich mit Menschen aus anderen Unternehmen zu unterhalten. Am besten mit solchen, deren Firmen nicht im direkten Wettbewerb zum eigenen Unternehmen stehen, die sind meist etwas offener. Mit so einem pragmatischen Austausch haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Ahlers.