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Sechs Jahre APS+ in Pakistan: Fortschritte und Herausforderungen

Das Allgemeine Präferenzsystem (APS+) ist ein entscheidendes Instrument für die Förderung nachhaltiger Entwicklung. Als Gegenleistung für Handelspräferenzen müssen Länder die Umsetzung der grundlegenden Arbeitsrechte sicherstellen. Wie ist die Lage in Pakistan, wo viele Sportartikel für den Weltmarkt entstehen?

Das Allgemeine Präferenzsystem1 (APS+) ist ein entscheidendes Instrument der EU für die Förderung nachhaltiger Entwicklung. Als Gegenleistung für Handelspräferenzen müssen die Länder die Umsetzung der grundlegenden Arbeitsrechte sicherstellen, wie z.B. die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Textilien und Bekleidung machten 2020 über 75 Prozent der pakistanischen Exporte in die EU aus2. Seit Pakistan 2014 der Sonderdienstleistungsinitiative im Rahmen von APS+ beigetreten ist, stiegen Pakistans Exporte in die EU um 50 Prozent. Die Corona-Pandemie hat die pakistanischen Exporte allerdings zeitweilig negativ beeinflusst – ab Mitte März 2020 kam es zu einem massiven Einbruch der Exporte in die EU3. Zu Beginn der Krise fielen 95 Prozent dieser Exporte unter APS+.

Die Regierung Pakistans hat begonnen, einen nationalen Regelungsrahmen für den Arbeitnehmerschutz umzusetzen, was aufgrund der anhaltenden Coronakrise allerdings stockt. In ähnlicher Weise haben sowohl die föderalen als auch die Provinzbehörden das System der Arbeitsaufsicht verbessert. Im Bereich der Kinderarbeit ist speziell im Bundesstaat Punjab, wo die Provinzregierung in mehreren Fabriken Schritte zur Lösung der Problematik ergriffen hat, ein gewisser Erfolg zu verzeichnen.

Gleichzeitig sind die Arbeitnehmer*innen in Pakistan weiter mit Arbeitslosigkeit, Arbeitsplatzunsicherheit, der informellen Wirtschaft und Geschlechterdiskriminierung konfrontiert. Ausbeuterische Arbeitspraktiken sind immer noch weit verbreitet. Ein großer Teil der signifikanten Gruppe der informell Beschäftigten erhält keine ordnungsgemäßen Verträge und kann so nicht in den Genuss von Mindestlohngarantie und sozialer Absicherung kommen. In der Stadt Sialkot erhält nur ein Drittel aller Arbeitnehmer*innen Sozialleistungen. Kinderarbeit und Schuldknechtschaft sind im formellen wie im informellen Sektor der pakistanischen Wirtschaft immer noch weit verbreitet. Mehr als drei Millionen Menschen4 leben in Pakistan nach wie vor in moderner Sklaverei und mehr als zwei Millionen Kinder arbeiten als Kinderarbeiter5. Unbezahlte Familienarbeit und Arbeit in der Landwirtschaft machen den größten Teil der Kinderarbeit in Pakistan aus. Mädchen arbeiten eher als Jungen in der Landwirtschaft oder stellen privat Produkte in Heimarbeit her. Darüber hinaus verbietet kein Gesetz Lohndiskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung. Mit 34 Prozent weist Pakistan weiter ein geschlechtsspezifisches Lohngefälle auf, das mehr als doppelt so hoch ausfällt wie im weltweiten Durchschnitt6. Der Grad an gewerkschaftlicher Organisation bleibt bei unter 5 Prozent.

Im Rahmen des Regionalprojekts der Friedrich-Ebert-Stiftung7 (FES) "Core Labour Standards Plus"8 haben Forscher*innen die Auswirkung globaler Lieferketten in Pakistan untersucht und ermittelt, dass die Sozialklauseln des ASP+ zu ersten Anzeichen positiver Resonanz bei der Regierung geführt haben. In Kooperation mit dem FES-Büro in Pakistan veröffentlicht die pakistanische Arbeitnehmervereinigung (Pakistan Workers Confederation, PWC) jährliche Berichte, die den Stand der Konformität mit dem APS+ bewerten. Die Berichte sind Grundlage für Diskussionen mit nationalen und internationalen Akteuren, einschließlich der EU-Kommission und verschiedener Mitglieder des Europäischen Parlaments sowie mit Beschäftigten, um deren Bewusstsein zu schärfen, wie sie die Bestimmungen des APS+ in Verhandlungen mit Behörden und Arbeitgebern nutzen können.

Zahoor Awan, Generalsekretär der PWC und des pakistanischen Arbeitnehmerverbands mit 43-jähriger praktischer Erfahrung in Gewerkschaftsarbeit sagt aber: Unternehmen, die sich an Arbeitsnormen halten, klagen darüber, dass es keine fairen Wettbewerbsbedingungen gibt. Diese Situation zeigt sich am Beispiel der Stadt Sialkot mit ihrer Sportartikelindustrie: Die zuständige Gewerkschaft einer Fabrik in Sialkot, im Bundesstaat Punjab, die Rucksäcke für Adidas Deutschland herstellt, stellt sicher, dass ihr Arbeitgeber die Arbeitsgesetze im Unternehmen zuverlässig umsetzt. Dies führt zu ernsthaften Problemen für das Unternehmen angesichts des starken Wettbewerbsdrucks durch Zulieferer, die ihren Betrieb zunehmend in die nahe gelegene Exportfertigungszone verlagern, um von arbeitsrechtlichen Ausnahmeregelungen zu profitieren, fügte Awan hinzu.

Die dritte der regelmäßigen Überprüfungen von APS+ sollte 2020 erfolgen, wurde aufgrund der Pandemie allerdings verschoben. Wenn Pakistan bei der Umsetzung der ILO-Übereinkommen9 Fortschritte macht, kann sich die Geschäftswelt neue Chancen für Handel und Export ausrechnen. Dauerhafter Fortschritt kann nur durch einen Dialog mit den Gewerkschaften, multinationalen Unternehmen, lokalen Arbeitgeber*innen sowie regionalen und nationalen Verwaltungsbehörden erzielt werden. Gleichzeitig müssen sich die rechtliche Situation und die tatsächliche Umsetzung der Gesetze in Pakistan verbessern, damit das APS+ sein Versprechen gegenüber den pakistanischen Arbeitnehmer*innen einlösen kann.

Engl. Generalised Scheme of Preferences (GSP)

European Commission, Countries and regions – Pakistan, https://ec.europa.eu/trade/policy/countries-and-regions/countries/pakistan/

Germany Trade and Invest, Special Pakistan Coronavirus – Auswirkungen auf ausgewählte Branchen. https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/pakistan/auswirkungen-auf-ausgewaehlte-branchen--237654

"Country Data. Global Slavery Index" (dt. "Länderdaten. Globaler Sklaverei-Index"), Aufgerufen am 5. März 2020 https://www.globalslaveryindex.org/2018/data/country-data/pakistan/

Hossain, Jakir; Ahmed, Mostafiz; Hasan Sharif, Jafrul, Linking trade and decent work in global supply chains in Bangladesh, Dhaka 2018

Internationale Arbeitsorganisation. Global Wage Report 2018/19: What Lies behind Gender Pay Gaps., 2018. (dt. Globaler Lohnbericht 2018/19: Gründe für das geschlechtsspezifische Lohngefälle weltweit, 2018)

Die Friedrich-Ebert-Stiftung ist eine deutsche politische Stiftung. Sie wurde benannt nach Friedrich Ebert, Deutschlands erstem demokratisch gewählten Präsidenten.

Pakistan hat alle acht grundlegenden ILO-Übereinkommen ratifiziert.