Neue Wege im Pflanzenschutz - Ribonukleinsäure-Interferenz (RNAi) als neuer Wirkmechanismus

Datum: 09.11.2023

Anlässlich der neusten Fortschritte und Entwicklungen im Bereich der innovativen Pflanzenschutztechniken, wie sie auch kürzlich auf der diesjährigen Pflanzenschutztagung in Göttingen vorgestellt wurden, informiert das BVL über den Wirkmechanismus der RNA-Interferenz und den möglichen Nutzen:

Die RNA-Interferenz ist ein natürlich vorkommender Mechanismus, der in Zellen von Organismen gezielt die Synthese von Proteinen verhindern kann. Dadurch wird die Funktion des Proteins ganz oder teilweise eingeschränkt, so dass z.B. Viren sich nicht weiter vermehren können.

RNAi im Pflanzenschutz

Die Forschung befasst sich seit den 1990er Jahren intensiv und über viele Fachgebiete hinweg mit möglichen Einsatzgebieten der RNA-Interferenz. Auch im Pflanzenschutz wird und wurde geforscht. Inzwischen gibt es Anwendungen in Form von Sprays, die auf Pflanzen gesprüht werden und von phytopathogenen Organismen aufgenommen werden können. Der Wirkstoff in dem Spray ist eine gezielt gestaltete doppelsträngige RNA (dsRNA). Diese wird vom Schadorganismus aufgenommen, löst im Organismus eine spezifische RNA-Interferenz aus und blockiert so die Synthese eines für ihn lebenswichtigen Proteins. Der Schadorganismus wird gehemmt.

Nach Jahrzehnten der Forschung im Versuchsmaßstab kann die Herstellung von dsRNA heute im großen Maßstab erfolgen. Damit rücken großflächige Anwendungen auch aus wirtschaftlicher Sicht in greifbare Nähe.

Neben der Anwendung an Schadinsekten werden inzwischen auch Konzepte zur Bekämpfung von Pilzerkrankungen, Virosen, Bakteriosen und Unkräutern entwickelt. Diese Anwendungen werden inzwischen auch in Freilandversuchen erprobt. Diese Versuche werden durch das BVL gemäß den gesetzlichen Anforderungen geprüft und, sofern alle Auflagen und Anforderungen erfüllt sind, genehmigt. So werden entscheidende Daten für die Prüfung der Genehmigungs- und Zulassungsanträge erarbeitet.

dsRNA als Alternative zu klassischen chemisch-synthetischen Wirkstoffen

Die Diskussion um Alternativen zu und die Reduktion des Einsatzes von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln wird seit Jahren intensiv geführt. Pflanzenschutzmittel auf Basis von dsRNA scheinen eine zukunftsfähige Alternative zu sein. Aufgrund der Eigenschaften der dsRNA wird erwartet, dass die Risiken für den Naturhaushalt und die menschliche und tierische Gesundheit generell geringer sind.

Die potentiellen Vorteile der dsRNA als neue Wirkstoffgruppe sind:

  • hohe Spezifität,
  • schneller Abbau in der Umwelt,
  • geringe Rückstände in Futter- und Nahrungsmitteln,
  • geringes humantoxikologisches Potential sowie
  • Möglichkeit der schnellen Anpassung an Resistenzentwicklungen.


Die potentiellen Nachteile sind:

  • eine oftmals geringere (da spezifischere) Wirksamkeit und
  • der erhöhte Entwicklungsbedarf für die Formulierung dieser Art von Pflanzenschutzmitteln

Regulatorische Herausforderungen

Die neue Wirkstoffart und das neue Wirkprinzip stellen das aktuell geltende System der Risikobewertung in der Europäischen Union vor eine Herausforderung. Die heute geltenden Anforderungen an einzureichende Studien wurden für chemisch-synthetische Wirkstoffe entwickelt. Es bedarf neuer passender Standards und Anforderungen, die die Neuartigkeit der Wirkstoffe berücksichtigen. Nur so kann sowohl dem Fortschritt der Forschung Rechnung getragen werden, als auch der sichere Einsatz von dsRNA in Pflanzenschutzmitteln in der Europäischen Union gewährleistet werden. In den USA liegen bereits Zulassungsanträge bei der zuständigen Behörde EPA vor und es ist mit einer baldigen Entscheidung zu rechnen.

Um die europäischen Anforderungen zukunftsfähig zu gestalten und Umwelt und Gesundheit zu schützen, steht das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) mit relevanten nationalen und europäischen Stakeholdern in ständigen Austausch.

Ausgabejahr 2023
Datum 09.11.2023

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