Reichweite von Neuordnungsverfahren

Die regelmäßige Modernisierung der Ausbildungsordnungen der dualen beruflichen Bildung stellt sicher, dass sich duale Ausbildungsgänge sowohl mit Blick auf übergreifende als auch berufsspezifisch erforderliche Kompetenzen auf der Höhe der Zeit befinden. Die Neuordnung der Ausbildungsordnungen leistet damit einerseits einen wichtigen Beitrag dazu, die duale Ausbildung gerade für junge Menschen zu einem attraktiven Bildungspfad zu machen. Sie sorgt andererseits aber auch dafür, dass die duale Ausbildung als zentrales Instrument der Gewinnung gut qualifizierten Fachkräftenachwuchses aus Arbeitgebersicht gestärkt wird. Moderne und zeitgemäße Ausbildungsgänge sind insoweit nicht zuletzt ein wichtiger Baustein zur Gestaltung der Transformationsprozesse.

Die Überarbeitung bzw. Modernisierung von Ausbildungsordnungen oder die Verordnung eines gänzlich neuen dualen Ausbildungsberufs geschieht bei entsprechendem Bedarf grundsätzlich auf Antrag der und in enger Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern, die den jeweiligen branchenspezifischen Sachverstand aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmersicht in die Verfahren einbringen. Vor dem Hintergrund der laufenden großen Transformationsprozesse, hin zu einer nachhaltigen und stärker digitalisierten Wirtschaft, liegt es nahe, dass sich das geforderte Kompetenzprofil innerhalb bestehender Berufe stark verändert und zunehmend sowohl Modernisierungsbedarfe im Rahmen bestehender Berufe als auch Bedarfe bzgl. der Schaffung neuer Berufe entstehen. Das Ordnungsgeschäft steht im Kontext der Transformationsprozesse daher zunehmend im Fokus, was sich nicht zuletzt in einer Zunahme der Ordnungsverfahren in den vergangenen Jahren zeigt.

Das BMWK verantwortet dabei als Verordnungsgeber im Einvernehmen mit dem BMBF 302 der derzeit 328 dualen Ausbildungsberufe und damit den weit überwiegenden Anteil derselben.

Die nachstehenden grafischen Auswertungen verdeutlichen einerseits, welche Reichweite Neuordnungsverfahren in Bezug auf die damit erreichten Auszubildenden haben (Wie viele Auszubildende beginnen im neugeordneten Beruf ihre Ausbildung?). Sie zeigen andererseits aber auch, welche Ausbildungsordnungen im Hinblick auf ein bestimmtes Referenzjahr bereits seit längerer Zeit nicht neugeordnet wurden. Für die gewählten Referenzjahre 2000, 2010 und 2020 wird hierbei jeweils ein Ausschnitt von 30 Berufen gezeigt, deren Ausbildungsordnungen seit Längerem nicht modernisiert wurden (wobei die Auswahl dieser „Top-30-Berufe“ ausschließlich auf der jeweiligen Ausbildungsstärke beruht).

Bilanz der Betrachtung für das Referenzjahr 2000:

Abbildung 1

Abbildung 2


Das Tortendiagramm (Abbildung 1) verdeutlicht anschaulich, wie durch die kontinuierliche Neuordnung seit dem Jahr 2000 der Großteil aller Auszubildenden von modernisierten Ausbildungsordnungen profitiert hat. In den seit dem Jahr 2000 novellierten bzw. sich gerade in Neuordnung befindlichen Ausbildungsberufen werden demnach mehr als 95 Prozent aller Auszubildenden ausgebildet.1 Mit anderen Worten: Rund 82 Prozent aller Auszubildenden absolvieren ihre Ausbildung aktuell in einem Ausbildungsberuf, dessen Ausbildungsordnung zuletzt im Jahr 2000 oder später modernisiert wurde. Weitere rund 13 Prozent werden zeitnah von überarbeiteten Ausbildungsordnungen profitieren. Das Balkendiagramm (Abbildung 2) zeigt korrespondierend hierzu, dass nur sehr wenige ausbildungsstarke Ausbildungsberufe zuletzt vor dem Jahr 2000 modernisiert wurden. Betrachtet man zudem die von den länger nicht novellierten Berufen umfassten inhaltlichen Tätigkeiten, so kann nur für wenige der gelisteten Berufe von einer hohen Relevanz für die digitale oder die grüne Transformation ausgegangen werden. Am ehesten lässt die kombinierte Betrachtung von Ausbildungsstärke sowie in der Ausbildung vermittelter Inhalte eine relativ hohe Relevanz der Berufe Verwaltungsfachangestellter/-e, Gärtner/-in, Landwirt/-in sowie Forstwirt/-in vermuten.

Bilanz der Betrachtung für das Referenzjahr 2010:

Abbildung 3

Abbildung 4


Bei Betrachtung des Referenzjahres 2010 ergibt sich eine Zahl von 78 Prozent aller Auszubildenden, die entweder in einem Beruf mit einer seither novellierten Ausbildungsordnung ausgebildet werden oder in einem Beruf, dessen Ausbildungsordnung sich derzeit in Neuordnung befindet (Abbildung 3). Im Verhältnis zum Referenzjahr 2000 zeigt die Liste der seit Längerem nicht modernisierten Ausbildungsberufe (Abbildung 4) einige Veränderungen. Als transformationsrelevanter Beruf sticht hier zusätzlich beispielsweise der Beruf des/der Mechatronikers/in für Kältetechnik ins Auge, der eine wichtige Rolle im Bereich der Wärmepumpentechnologie spielt und der zuletzt 2007 novelliert wurde. Durch eine gemeinsame Prüfung der konkreten Ausbildungsinhalte durch Handwerksvertreter und BMWK konnte bzgl. dieses Berufs ein akuter Modernisierungsbedarf auf Ebene der Ausbildungsordnung allerdings negiert werden – die Ausbildungsordnung ist so strukturiert, dass sich mit ihr transformationsrelevante Inhalte grundsätzlich ausreichend gut vermitteln lassen.

Bilanz der Betrachtung für das Referenzjahr 2020:

Abbildung 5

Abbildung 6


Zieht man als Referenzjahr das Jahr 2020 heran, so zeigt sich, dass immerhin noch rund 29 Prozent aller Auszubildenden von seither neugeordneten Ausbildungsordnungen profitieren. Weitere rund 13 Prozent werden in Berufen ausgebildet, deren Ausbildungsordnungen aktuell überarbeitet werden (Abbildung 5). Hieran lässt sich ablesen, dass zuletzt besonders viele ausbildungsstarke, zugleich aber auch transformationsrelevante Ausbildungsberufe novelliert wurden bzw. gerade novelliert werden, wie etwa die 19 Berufe des Bauhauptgewerbes. In der Liste der 30 ausbildungsstärksten Berufe, die zuletzt vor 2020 modernisiert wurden (Abbildung 6), finden sich durchaus zahlreiche ausbildungsstarke Ausbildungsberufe, die aufgrund ihrer inhaltlichen Ausrichtung auch als transformationsrelevant angesehen werden müssen. Allerdings wurden etwa die elektrotechnischen Berufe erst im Jahr 2018 sehr umfassend neugeordnet und -strukturiert. Zahlreiche Berufe des Handwerks, die sich in der Auflistung finden, wurden erst kürzlich in einer gemeinsamen Betrachtung von Handwerk und BMWK auf Modernisierungsbedarfe hin untersucht, so etwa der Beruf des/der Anlagenmechanikers/in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, der/die Metallbauer/in, der/die Dachdecker/in oder der/die Land- und Baumaschinenmechatroniker/-in. Zum Teil sind hier Neuordnungsverfahren in Planung.

Fazit

Die Auswertung zeigt zum einen, dass die enge Zusammenarbeit von Sozialpartnern und Verordnungsgeber im Bereich der Neuordnung von Ausbildungsordnungen grundsätzlich gut funktioniert und Modernisierungsbedarfe in den Ausbildungsordnungen in aller Regel erkannt werden. Der weit überwiegende Teil der Ausbildungsberufe wird so in regelmäßigen Zeitabständen novelliert. In einer Vielzahl der Fälle entsprechen die modernisierten Ausbildungsberufe auch den als tendenziell transformationsrelevant einzustufenden. Zum anderen zeigt die statistische Auswertung allerdings auch, dass durchaus ausbildungsstarke Ausbildungsberufe existieren, deren Ausbildungsordnungen seit zum Teil vielen Jahren nicht neugeordnet wurden und bei denen gerade vor dem Hintergrund ihrer potenziellen Relevanz für die laufenden Transformationsprozesse eine genaue Überprüfung auf Modernisierungsbedarfe sinnvoll erscheint.

 
1 Die Zahl der Auszubildenden je Ausbildungsberuf wurde für die Zwecke der Darstellung aus dem Durchschnitt der im jeweiligen Beruf in den Jahren 2022 und 2023 abgeschlossenen Ausbildungsverträge errechnet. Die Anzahl der Auszubildenden je Ausbildungsberuf basiert auf der Erhebung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), Anzahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge 2023 und 2022 nach Geschlecht auf der Ebene der Erhebungsberufe, https://www.bibb.de/de/179174.php.