Im Fokus

Die EU­-Sanktionen umfassen vielfältige Bereiche. Finanzsektorsanktionen verwehren dem russi­schen Staat den Zugriff auf Reserven in der EU und schränken den Zugang des russischen Finanzsektors zum internationalen Finanzsystem ein. Exportverbote beschränken den Zugang zu modernen Technologien. Im­portverbote, etwa für Rohöl, reduzieren die russischen Einnahmen. Investitionsverbote beschränken den Kapital­zufluss unter anderem für den russischen Energiesektor. Weitere Beispiele sind Verbote im Verkehrsbereich wie die Sperrung europäischer Häfen für russische Schiffe, Maßnahmen gegen russische Desinformation oder jüngst das Verbot von Dienstleistungen für den Seetransport russischen Öls und russischer Ölprodukte, sofern Preisgrenzen überschritten werden.

Eine besondere Rolle spielt auch die persönliche Sanktions­listung von mehr als 1.300 russischen Personen und Orga­nisationen aus Politik, Militär, Wirtschaft und Desinforma­tion verbreitenden Medien. Rechtsfolge einer solchen Listung ist, dass vorhandene Vermögenswerte in der EU eingefroren werden. Sie dürfen nicht mehr als Einkom­mensquelle dienen, eine private Nutzung bleibt aber zu­lässig. Eine Yacht darf also weiterhin im Hafen liegen, aber nicht mehr verchartert werden. Eine Eigentumswohnung darf weiterhin bewohnt, aber nicht vermietet werden. Zu­dem dürfen gelisteten Personen keine Gelder oder wirt­schaftliche Ressourcen zufließen.

Umfangreiche Listungen von sogenannten „Oligarchinnen und Oligarchen“

Wirksam sind alle diese Sanktionen nur, wenn sie konse­quent umgesetzt werden. Die Verantwortung für die Um­setzung liegt in der EU bei den Mitgliedstaaten. Für die Behörden in Deutschland bedeutete dies Aufgaben in bislang nicht gekannter Dimension. Dies betraf insbeson­dere die Zahl der Listungen von sogenannten russischen „Oligarchinnen und Oligarchen“ und sonstigen Personen, die Präsident Putin nahestehen. Dabei geht es vor allem um Vermögenswerte wie Yachten, Flugzeuge, Immobilien oder Beteiligungen an deutschen Unternehmen, die weiterhin privat, aber nicht mehr zur Gewinnerzielung genutzt wer­den dürfen. Zugleich werden die Eigentums-­ und Kontroll­verhältnisse an solchen Vermögenswerten häufig in kom­plexen Strukturen verschleiert. Deshalb galt es, die Kontrolle im Einzelfall zu stärken und es nicht zu Sankti­onsverstößen kommen zu lassen. Die staatlichen Befug­nisse zur Ermittlung vorhandener Vermögenswerte muss­ten gestärkt werden.

Die Bundesregierung reagierte umgehend mit der Einset­zung einer Taskforce zur Durchsetzung der EU­-Sanktionen. Die Taskforce stand unter gemeinsamer Federführung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz sowie des Bundesministeriums der Finanzen. An ihr nahmen aus­gewählte Bundesministerien, Sanktions­ und Sicherheits­behörden und Vertreter der Bundesländer teil. Ziel war, eine effektive Durchsetzung der EU­-Sanktionen sicherzustellen. Dazu sollten auch Lücken im Rechtsrahmen identifiziert und geschlossen werden.

Das „Sanktionsdurchsetzungsgesetz I“ schließt kurzfristig Lücken

Als Ergebnis der koordinierten Anstrengung trat bereits im Mai 2022 das erste Sanktionsdurchsetzungsgesetz mit kurz­fristig umsetzbaren regulatorischen Maßnahmen in Kraft. Unter anderem wurden die zuständigen Behörden befugt, zur Eigentumsaufklärung Zeugen zu vernehmen, Beweis­mittel sicherzustellen, Wohnungen und Geschäftsräume zu durchsuchen, öffentliche Register einzusehen und aufge­spürte Vermögensgegenstände gegebenenfalls sicherzu­stellen. Zudem wurden die Möglichkeiten verbessert, Kon­ten abzufragen, Wertpapierdepots zu ermitteln und relevante Informationen zwischen den zuständigen Behör­den auszutauschen. Nicht zuletzt wurden gelistete Personen bei Strafandrohung verpflichtet, ihr Vermögen offenzule­gen. Die EU nahm diese deutsche Regelung im Juli 2022 zum Vorbild für eine EU­-weite Vermögensmeldepflicht für russische Oligarchinnen und Oligarchen.

Das „Sanktionsdurchsetzungsgesetz II“ schafft eine neue Durchsetzungsbehörde

Mit dem zweiten Sanktionsdurchsetzungsgesetz, das Ende 2022 in Kraft trat, wurden neue Strukturen für eine schlag­kräftige Sanktionsdurchsetzung geschaffen. Dazu wurden die Zuständigkeiten überarbeitet und eine neue „Zentral­stelle für Sanktionsdurchsetzung“ (ZfS) im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen eingerichtet. Die ZfS hat zum Jahresbeginn 2023 ihre Arbeit aufgenommen. Ein Aufbaustab leitet ihren weiteren Ausbau und kümmert sich beispielsweise um die Anwerbung zusätzlichen Personals.

Die neue Zentralstelle besitzt eine Doppelrolle. Sie über­nimmt die Überwachung und Durchsetzung der Personen­listungen. Zudem ist sie für die behördenübergreifende Koordinierung zuständig, etwa bei der Abstimmung zu Einzelfällen. Dafür stehen der Zentralstelle ein Verwaltungs­verfahren zur Vermögensermittlung und weitreichende Ermittlungs-­ und Sicherstellungsbefugnisse zur Verfügung. Zudem führt sie ein zentrales Register für sanktionsbefan­genes Vermögen, das die transparente Zuordnung verbes­sert. Eine neue, bei ihr angesiedelte Hinweisannahmestelle ermöglicht, noch schneller auf Hinweise zu Vermögen oder (bevorstehende) Sanktionsverstöße reagieren zu können. In bestimmten Fällen kann die ZfS auch Sonder­beauftragte für die Überwachung sanktionsnaher Unternehmen bestellen.

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Eine Vielzahl an Behörden setzt Saktionen durch

Daneben bleiben die Zuständigkeiten der Behörden, die schon bislang mit der Durchsetzung von EU­-Sanktionen betraut waren, bestehen. In Deutschland sind das auf Bun­desebene insbesondere das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), vor allem wenn es um die Ausfuhr von Gütern geht. Der Zoll überwacht unter anderem die Ein-­, Aus-­ und Durchfuhr sowie das Verbringen von Waren und unterstützt die Ahndung von Sanktionsverstößen. Die Bundesbank überwacht die Einhaltung von Finanzsanktio­nen. Auf Landesebene verfolgen Staatsanwaltschaften die oftmals strafbaren Sanktionsverstöße, ebenso die Gerichte sowie die Polizei­ und Ordnungsbehörden. EU­-Sanktionen werden im Zusammenspiel durchgesetzt: Verdächtige Aus­- und Einfuhren werden gestoppt, Ausnahmegenehmigungen erteilt bzw. verweigert und Sanktionsverstöße werden ge­ahndet.

Die Aufgabe der Sanktionsdurchsetzung ist aber nicht auf diese Behörden beschränkt. Auch eine Hafenbehörde setzt EU-Sanktionen durch, wenn sie einem russischen Schiff in Beachtung des Anlaufverbots in EU­-Häfen einen Liegeplatz verwehrt. Ebenso ein Grundbuchamt, das im Falle einer verbotenen Immobilientransaktion keine Eintragung im Grundbuch vornimmt. Letztlich kann – und muss – jede staatliche Stelle im Rahmen ihrer Zuständigkeit EU-Sank­tionen durchsetzen.

Sanktionen sind Teil der allgemeinen Rechtsordnung

Daraus folgt nicht, dass die staatlichen Stellen jeden Einzel­fall mittels eines Verwaltungsakts regeln. Die aus den über 40 EU­-Sanktionsregimen folgenden Verbote sind unmittel­bar in Deutschland geltendes Recht. Beispielsweise dürfen eingefrorene Vermögensgegenstände weder kommerziell genutzt noch verkauft werden, ohne dass dies gesondert angeordnet werden müsste. Gleiches gilt spiegelbildlich: Es gibt keine staatliche Stelle, bei der sich Personen oder Unternehmen einen „Sanktions-­Freibrief“ für ihr Handeln ausstellen lassen können. Bürgerinnen und Bürger – und auch Unternehmen – sind selbst dafür verantwortlich, die Rechtsordnung einzuhalten. Deshalb unterstützt das Bun­desministerium für Wirtschaft und Klimaschutz private Akteure regelmäßig mit der Veröffentlichung von Informa­tionen, etwa in Form von Fragen und Antworten zu den Russland­-Sanktionen (https://www.bmwk.de/Redaktion/ DE/FAQ/Sanktionen­Russland/faq­russland­sanktionen.html).

Transparenz auch bei der Geldwäschebekämpfung

Daneben verbessern die beiden Sanktionsdurchsetzungs­gesetze auch die Geldwäschebekämpfung. Die Durchset­zung personenbezogener Sanktionen gelingt besser, wenn Unternehmensanteile, Yachten, Kunstwerke oder Aktien­pakete ihren wirtschaftlich Berechtigten zugeordnet wer­den können. Umgekehrt werden Defizite der Bekämpfung von Geldwäsche und Finanzkriminalität von organisierten Kriminellen und Oligarchinnen und Oligarchen gleicher­maßen ausgenutzt, um Vermögen zu verschleiern.

Risiken bergen insbesondere Immobilientransaktionen. Das zweite Sanktionsdurchsetzungsgesetz schafft deshalb mehr Transparenz über die wirtschaftlich Berechtigten von Im­mobilieneigentum durch Verbesserungen des sogenannten „Transparenzregisters“. Aus dem gleichen Grund wurden die Transparenzanforderungen für Gessellschaften mit Sitz im Ausland verschärft, die Immobilien im Inland halten, und ein Verbot eingeführt, Immobilienkäufe etwa mit Bargeld, Kryptowerten oder Edelsteinen abzuwickeln.

Weitere gesetzliche Maßnahmen werden derzeit vorberei­tet, etwa eine Immobilientransaktionsdatenbank zur bes­seren Nachvollziehbarkeit von Veräußerungsketten oder weitere Befugnisse, wenn Eigentümerinnen und Eigentü­mer oder wirtschaftliche Hinterleute bewusst verschleiert werden.

Bekämpfung der Sanktionsumgehung – Intensive Kooperation auf internationaler Ebene

Gleichwohl versuchen gelistete Personen weiterhin, Schlupflöcher zur Vermögensverschleierung zu nutzen. Ebenso entfalten russische Importeure Umgehungsaktivi­täten. Auch über Drittstaaten, die keine Sanktionen gegen Russland verhängt haben, können EU­-Sanktionen unter­laufen werden. Exportsanktionen entfalten nur dann ihre volle Schlagkraft, wenn sie von einer möglichst großen Gruppe an Partnerländern mitgetragen oder zumindest respektiert werden. Außenhandelsdaten deuten allerdings darauf hin, dass gegenüber Russland sanktionierte Güter in erheblichem Maß aus der EU und damit auch aus Deutsch­land in bestimmte Drittländer ausgeführt und von dort nach Russland weiter exportiert werden.

Umgehungsaktivitäten stellt sich die Bundesregierung im Verbund der EU-Mitgliedstaaten sowie gemeinsam mit den G7-Staaten und weiteren Partnerländern konsequent ent­gegen. Die effektive Bekämpfung der Sanktionsumgehung wird im Mittelpunkt weiterer Sanktionsmaßnahmen ste­hen. Insbesondere soll Russland keine neuen Wege finden, um fortschrittliche Materialien, Technologien und militä­rische Ausrüstung zu erwerben, die es zur weiteren Ver­letzung des Völkerrechts verwenden kann. Das Bundesmi­nisterium für Wirtschaft und Klimaschutz hat am 22. Februar 2023 zehn Maßnahmen für eine effektivere Be­kämpfung der Sanktionsumgehung vorgeschlagen. Unter anderem sollen Exporte noch besser nachvollziehbar wer­den. Diese Vorschläge sind ein Teil der laufenden Arbeiten, in die sich auch die Partnerländer aktiv mit eigenen oder gemeinsamen Vorschlägen einbringen.

Innerhalb der G7 koordinieren die „Task Force Russian Elites, Proxies and Oligarchs“ (REPO) und ein neu einge­richteter „Enforcement Coordination Mechanism“ (ECM) die gemeinsamen Anstrengungen. Auf EU­-Ebene bildet die „Freeze and Seize Task Force“ das zentrale Forum zur Be­ratung und Koordinierung weiterer Maßnahmen. Auch hat die Europäische Kommission mit David O‘Sullivan einen EU­-Sanktionsbeauftragten benannt, der Anfang dieses Jah­res sein Amt angetreten hat. Er wird die Durchsetzung der EU­-Sanktionen vor allem gegenüber Russland international koordinieren.

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Gemeinsame Standards für die Bestrafung von Sanktionsverstößen in der EU

Zudem hat die Europäische Kommission im Dezember letz­ten Jahres vorgeschlagen, die Verletzung von EU­-Sanktionen unionsweit einheitlich als Straftat zu verfolgen. Dafür wur­de eine Richtlinie mit gemeinsamen Mindeststandards sowie Rahmenbedingungen für Strafverfolgung und justi­zielle Zusammenarbeit vorgelegt. In Deutschland werden Sanktionsverstöße schon jetzt als Straftat oder Ordnungs­ widrigkeit geahndet. Die gemeinsamen EU-Standards sollen die einheitliche und effiziente Sanktionsdurchsetzung unionsweit fördern.

Die Verhandlungen auf europäischer Ebene werden mit hoher Priorität geführt. Die Bundesregierung, die in den Verhandlungen durch das Bundesministerium für Wirt­schaft und Klimaschutz vertreten wird, bringt sich kon­struktiv in die Verhandlungen ein.

Sanktionsdurchsetzung dient der Behauptung von EU-Werten in der Außenpolitik

Mit ihren vielfältigen Bemühungen gewährleistet die Bun­desregierung in enger Abstimmung mit europäischen und internationalen Partnern eine effiziente Sanktionsdurch­setzung. Eine wirksame innerstaatliche Umsetzung ist Voraussetzung, damit Sanktionen ihr Ziel erreichen, die Anliegen und Werte der EU in der Außenpolitik zu fördern. Die gegen Russland verhängten Sanktionen schwächen die Einnahmebasis des russischen Staates und beschneiden die Möglichkeit zur Produktion und Nutzung von technologie­intensiven Gütern auch im Rüstungsbereich. Sie leisten damit einen Beitrag zur Verteidigung der europäischen Friedensordnung und unterstützen die Ukraine in ihrem Kampf für Freiheit und Selbstbestimmung.

KONTAKT

Dennis Bloch
Referat: EC2, Sanktionsdurchsetzung

schlaglichter@bmwk.bund.de