Einleitung

Das nationale Investitionsprüfungsrecht ist im Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) geregelt. Vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen und europäischer Vorgaben wurden seit dem vergangenen Jahr mehrere Änderungen vorgenommen.

Erstes Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und anderer Gesetze

Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und anderer Gesetze wurde im Wesentlichen die seit 11. Oktober voll wirksame 2019 in Kraft getretene EU-Screening-Verordnung umgesetzt. Die Verordnung macht erstmals auf europäischer Ebene Vorgaben zur Investitionsprüfung. Der Bundestag hat das Gesetz am 18. Juni 2020 verabschiedet. Das Gesetz wurde am 16. Juli 2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und ist am 17. Juli 2020 in Kraft getreten.

Der Fokus der Neuregelungen liegt auf dem Prüfmaßstab: Bei der Prüfung kommt es nun darauf an, ob ein Erwerb zu einer „voraussichtlichen Beeinträchtigung“ der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit führt; bisher war eine „tatsächliche Gefährdung“ maßgeblich. Dadurch können kritische Unternehmenserwerbe vorausschauender geprüft werden.

Neben den Auswirkungen eines Erwerbs in Deutschland rücken auch Auswirkungen auf andere EU-Mitgliedstaaten sowie auf EU-Programme und -Projekte stärker in den Fokus der Prüfung. Darüber hinaus ist jeder meldepflichtige Erwerb für die Dauer der Prüfung schwebend unwirksam. Dadurch wird verhindert, dass die Erwerbsbeteiligten während der laufenden Prüfung vollendete Tatsachen schaffen und die Ziele der Investitionsprüfung unterlaufen.

Den Wirtschaftsbeteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme zum Gesetzentwurf gegeben. Die eingegangenen Stellungnahmen sind auf dieser Seite veröffentlicht.

Fünfzehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung

Zuvor wurde mit der Fünfzehnten Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (PDF, 64 KB) auf die Entwicklungen der Corona-Epidemie reagiert. Das Bundeskabinett hat die Änderung am 20. Mai 2020 beschlossen. Die Verordnung ist am 3. Juni 2020 in Kraft getreten. Der Fokus der Novelle liegt auf dem Gesundheitssektor. So werden Impfstoff- und Antibiotikahersteller, Hersteller von medizinischer Schutzausrüstung und Hersteller von Medizingütern zur Behandlung hochansteckender Krankheiten in die Liste der besonders sicherheitsrelevanten Unternehmen aufgenommen. Erwerbe dieser Unternehmen müssen seitdem dem Bundeswirtschaftsministerium gemeldet werden. Dies gilt auch für Anteilserwerbe ab einer Beteiligungsschwelle von 20 Prozent (bis zum Inkrafttreten der Siebzehnten Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung galt eine Schwelle von 10 %, s.u.).

Sechzehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung

Um die volle Teilnahme Deutschlands an dem neuen, EU-weiten Kooperationsmechanismus sicherzustellen, hat das Bundeskabinett am 7. Oktober 2020 die Sechzehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung beschlossen. Sie wurde am 28. Oktober 2020 im Bundesanzeiger veröffentlicht und ist am 29. Oktober 2020 in Kraft getreten. Sie wurde am 28. Oktober 2020 im Bundesanzeiger veröffentlicht (PDF, 2 MB) und ist am 29. Oktober 2020 in Kraft getreten. Die bereits durch die erste Novelle des Außenwirtschaftsgesetzes im Einklang mit der EU-Screening-Verordnung – geänderte Gesetzeslage wird damit verordnungsrechtlich nachvollzogen. Zum Prüfprogramm der Investitionsprüfung werden künftig auch voraussichtliche Beeinträchtigungen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit anderer EU-Mitgliedstaaten sowie im Hinblick auf bestimmte Projekte und Programme von Unionsinteresse gehören.

Siebzehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung

Die Siebzehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung wurde am 27. April 2021 vom Bundeskabinett beschlossen. Sie wurde am 30. April 2021 im Bundesanzeiger verkündet und ist am 1. Mai 2021 in Kraft getreten.

Mit der Änderungsverordnung wurde die im Jahr 2020 begonnene Überarbeitung des nationalen Investitionsprüfungsrechts abgeschlossen. Mit der Novelle fügt sich die nationale Investitionsprüfung nun vollständig in den neuen EU-Rechtsrahmen ein. Auch künftig wird die Bundesregierung nur ausnahmsweise eine ausländische Direktinvestition untersagen müssen. Die Prüfpraxis zeigt allerdings, dass einzelne Investitionen unsere Sicherheitsinteressen stark beeinträchtigen können. Mehrbelastungen für Investoren und Unternehmen wird es aber nur dort geben, wo diese aus Sicherheitsgründen geboten sind. Das finale Maßnahmenpaket stellt einen ausgewogenen Kompromiss zwischen sicherheitspolitischen Notwendigkeiten und unternehmerischen Interessen dar.

Kernelement der Novelle sind neue Meldepflichten für Investitionen in Hoch- und Zukunftstechnologiesektoren. Die EU-Screening-Verordnung hat diesen Weg bereits vorgezeichnet und den Fokus der Investitionsprüfung auf diese emerging technologies ausgeweitet. Dazu gehören u.a. Künstliche Intelligenz, Halbleiter, Quantentechnologie, Luft- und Raumfahrt oder Nukleartechnologie. Die 17. AWV-Novelle definiert die einzelnen Technologiebereiche sehr konkret. So sind sicherheitspolitisch weniger sensible Anwendungsfelder einzelner Zukunftstechnologien auch künftig nicht im Fokus der Investitionsprüfung. Dies gilt z.B. für Industrieroboter oder im Bereich des 3D-Drucks, bei dem vor allem die Nutzung metallischer oder keramischer Werkstoffe sicherheitssensibel ist.

Um dem erweiterten Prüfauftrag bei diesen Technologien nachkommen zu können, muss die Bundesregierung wissen, was vor sich geht. Daher werden die Meldepflichten für ausländische Direktinvestitionen auf die neu geschaffenen Fallgruppen ausgeweitet. Anders als beispielsweise im Bereich der besonders sicherheitssensiblen Kritischen Infrastrukturen greift aber die Meldepflicht – und die damit verknüpfte Prüfmöglichkeit – nicht bereits ab einem Anteilserwerb von 10 %, sondern erst ab 20 %. Davon profitieren insbesondere Start-ups und Finanzinvestoren.

Auch bei einem anderen Aspekt haben wir auf berechtigte Forderungen aus der Verbändebefassung reagiert: Die Investitionsprüfung greift nicht nur bei erstmaliger Beteiligung an einem Unternehmen, sondern auch bei darauffolgenden, aufstockenden Investitionen (sog. Hinzuerwerb). Die Prüfmöglichkeit von Hinzuerwerben wird nun jedoch gegenüber der aktuellen Prüfpraxis deutlich eingeschränkt: Künftig kann nicht mehr jeder Hinzuerwerb eine Investitionsprüfung auslösen, sondern nur noch solche Erwerbe, mit denen sich ein bestehender Anteilseigner weiteren gesellschaftsrechtlich maßgeblichen Schwellen annähert bzw. diese überschreitet. Das kann z.B. der Fall sein, wenn ein bisheriger Minder-heitsgesellschafter durch den Erwerb weiterer Anteile die Kontrolle im Unternehmen übernimmt.

Besonders kritisch sind häufig Erwerbsfälle mit Bezug zu Rüstungsgütern. Die – darauf bezogene – sog. sektorspezifische Prüfung, die bislang nur die Entwickler und Hersteller bestimmter Rüstungsgüter erfasste, wird daher auf alle Rüstungsgüter im Sinne des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste erweitert.

Die betroffenen Wirtschaftsbeteiligten und alle weiteren interessierten Kreise hatten zwischen dem 22. Januar 2021 und 26. Februar 2021 Gelegenheit, zur Änderungsverordnung Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen sind auf dieser Seite veröffentlicht.