Uns eint das Ziel, ausreichende und gesunde Ernährung für alle Menschen zu ermöglichen
Rede von Bundesminister Cem Özdemir auf der Agrarministerkonferenz des Global Forum for Food and Agriculture am 20. Januar 2024 in Berlin
Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede,
Es ist mir eine große Freude und Ehre, Sie alle heute hier begrüßen zu dürfen. Sie sind aus über 70 Ländern angereist, um heute hier zu sein. Uns alle verbindet ein gemeinsames Ziel: Dass jeder Mensch auf der Welt genug zu essen hat. Denn wir wissen, ohne Essen ist kein Leben, ohne Essen ist kein Frieden zu finden.
Essen, Nahrung, unsere Landwirtschaft beeinflussen uns als Individuen, als Gesellschaft. Die Art und Weise wie wir uns ernähren, wie wir Landwirtschaft betreiben, beeinflusst unser Klima. Wir sprechen darüber in verschiedenen Formaten: Gerade erst im Dezember, bei der COP, im UN-Welternährungsausschuss und bei vielen weiteren Gelegenheiten. Umso mehr freue ich mich, dass Sie alle gekommen sind, um auch beim Global Forum for Food and Agriculture, dem GFFA, dabei zu sein und mitzuwirken. Das GFFA ist die größte informelle Agrarministerkonferenz weltweit. Unser Ziel ist es, auch in schwierigen Zeiten im Dialog zu bleiben, diesen zu vertiefen. Das hat auch das letzte GFFA gezeigt, lieber Mykola Solskyi. Schön, dass du heute wieder hier bist. Unsere feste Solidarität ist deinem Land auch weiterhin gewiss!
Das GFFA ermöglicht Brücken zu bauen, zu festigen, Erfahrungen auszutauschen und voneinander zu lernen. Darauf bin ich stolz und weiß, dass das ohne Sie alle nicht möglich wäre.
Ich sagte es eben: Uns eint das Ziel, ausreichende und gesunde Ernährung für alle Menschen zu ermöglichen – wir wollen den Hunger bis 2030 beenden. Gleichzeitig erleben wir an vielen Orten dieser Welt eine ungeheure Polarisierung, Konflikte und Kriege mehren sich, die Klimakrise spüren wir alle sehr deutlich – viele von Ihnen mehr und massiver als wir in Europa. Kurzum, es ist nicht einfacher geworden dem Ziel, Zero Hunger, näher zu kommen.
Das zeigen uns auch die Zahlen: Nach wie vor leidet jeder zehnte Mensch auf der Welt Hunger. Die Halbzeitbilanz zur Umsetzung der Agenda 2030 und der Nachhaltigkeitsziele hat gezeigt, dass unsere Anstrengungen bislang nicht ausreichen. Wir haben also viel zu tun, müssen auf´s Tempo drücken. 2030 ist bereits in Sicht!
- Wir wissen auch, um unsere Welt zu bewahren und gleichzeitig zu einem zukunftssicheren Ort zu machen, müssen wir verändern.
- Wir müssen die Art und Weise, wie wir wirtschaften und bewirtschaften, anpassen.
- Wir müssen schützen, was uns nützt!
- Wir müssen die Teilhabe von Frauen, Mädchen, jungen Menschen, Kleinbäuerinnen und Kleinbauern endlich zur Selbstverständlichkeit werden lassen.
Entsprechend steht unser GFFA dieses Jahr unter der Überschrift "Ernährungssysteme der Zukunft: Gemeinsam für eine Welt ohne Hunger".
Die Maxime des Rechts auf Nahrung für alle Menschen ist nicht neu. Bereits vor 76 Jahren, im Jahr 1948, hat sich die Weltgemeinschaft stark gemacht für eine gemeinsame Politik gegen Hunger. Das Recht auf Nahrung fand Eingang in die Allgemeine Erklärung zu Menschenrechten der Vereinten Nationen.
Vor genau 20 Jahren, im Jahr 2004, verabschiedete die FAO die "Freiwilligen Leitlinien zur Unterstützung der schrittweisen Verwirklichung des Menschenrechts auf angemessene Nahrung im Rahmen der nationalen Ernährungssicherheit".
Das Recht auf Nahrung, meine Damen und Herren, ist der Dreh- und Angelpunkt der internationalen Zusammenarbeit meines Ministeriums – und der Schlüssel zur Bekämpfung des Hungers weltweit, davon sind wir überzeugt. Die eben erwähnten Freiwilligen Leitlinien der FAO dienen uns als Handbuch für eine gerechte und nachhaltige Weiterentwicklung unserer Agrar- und Ernährungssysteme. Das Ziel der Leitlinien ist klar: Eine Welt, in der auch die ärmsten und am stärksten benachteiligten Bevölkerungsgruppen gleichberechtigten und selbstbestimmten Zugang zu ausreichend und nahrhaften Lebensmitteln sowie den Produktionsressourcen, wie Böden oder Wasser haben.
Dass wir auf dem Weg zu einer Welt ohne Hunger Hindernisse überwinden müssen, wissen wir alle nur zu gut. Ich sprach eingangs davon. Umso mehr kommt es darauf an, dass wir diese Probleme zusammen angehen und den Weg als internationale Partner gemeinsam gehen – auch das wird in den Leitlinien hervorgehoben.
Das kann gelingen. Wir haben es bei der COP28 in Dubai vor wenigen Wochen erlebt. Zum ersten Mal bei einer COP wurde ein so starkes Augenmerk auf die Landwirtschaft- und Ernährungssysteme und ihre Verbindungen zum Klima gelegt. Und es gelang ein wichtiger Erfolg: 159 Regierungschefs und -chefinnen haben die Erklärung der Vereinigten Arabischen Emirate zu nachhaltiger Landwirtschaft, resilienten Ernährungssystemen und Klimaschutz unterzeichnet. Ich erwähne das, weil es zeigt, dass ein Großteil der Länder unserer Erde sich darüber einig sind, dass es auf die Transformation unserer Ernährungssysteme ankommt, um die Klimaziele zu erreichen und um alle Menschen ernähren zu können.
Genau das ist der Geist, an den wir mit unserem GFFA anknüpfen. In diesem Sinne haben die Unterhändler Ihrer Länder, Ihrer Organisationen das GFFA-Kommuniqué verhandelt. Ich danke allen Beteiligten, den engagierten Unterhändlern, den Organisatorinnen und Organisatoren dieses GFFA ausdrücklich dafür.
Ich kann Ihnen versichern: Der Inhalt des Kommuniqués wird weiter einfließen in internationale Prozesse, unsere Gespräche und wird Impulse setzen für die anstehende WTO-Ministerkonferenz, die G7- und G-20-Präsidentschaften, wenn wir dieses annehmen. Ich freue mich besonders, dass ihr, lieber Paulo Teixiera, während eurer G20-Präsidentschaft den Kampf gegen Hunger und Armut zur Priorität gemacht habt. Lieber Paulo Teixeira, ich bin sicher, ihr werdet eure Präsidentschaft gewinnbringend für die Ernährung und Landwirtschaft, für die Förderung des Rechts auf Nahrung nutzen. Und auch Italien, lieber Francesco Lollobrigida, gilt mein Dank, dass ihr die Diskussion zur Transformation der Agrar-und Ernährungssysteme bei den G7 weiterführt.
Ich freue mich auf unseren Austausch heute, die vertiefenden Diskussionen in den Break-Out-Sessions. Ich werde später auch mit Demonstrierenden sprechen, die hier vor den Toren der Messe stehen und für eine bäuerliche, umweltgerechte und sozial verträgliche Landwirtschaft bei uns und rund um den Globus protestieren. Für diese Proteste genauso wie für die ebenfalls verständlichen Proteste der deutschen Landwirtinnen und Landwirte in den vergangenen Wochen aufgrund haushaltsbedingter Einsparungen gilt: Offene, ernsthafte, konstruktive Gespräche über die Zukunft von Landwirtschaft und Ernährung sind wichtig – so wie wir sie in den vergangenen Tagen beim GFFA geführt haben und heute weiterführen werden. Ich weiß, es gibt viele Lösungsansätze zur Umsetzung des Rechts auf Nahrung, innovative Ideen, vielversprechende Forschung. Helmy Abouleish, Leiter von SEKEM, wird uns jetzt einige näherbringen – ich freue mich drauf.
Als Geschäftsführer von SEKEM haben Sie wegweisende Arbeit geleistet. Die SEKEM Initiative hat mithilfe nachhaltiger Landwirtschaft Wüste in produktives Land umgewandelt. Heute ist SEKEM eines der führenden Sozialunternehmen weltweit. Aber hören wir von ihm selbst.
Ort: Berlin