Fahren und gefahren werden – neue Mobilität in der Eifel

E-ifel mobil

Funktioniert Carsharing auch auf dem Land? Und wie muss ein solches Angebot ausgestaltet sein, damit es angenommen und genutzt wird? Diesen Fragen ging das Projekt E-ifel mobil nach – mit Erfolg. In zwei von fünf Modelldörfern kamen die Carsharing-Angebote so gut an, dass sie nach Projektende eigenständig weitergeführt wurden.

Die Eifel ist eine Mittelgebirge ganz im Westen Deutschlands. Wie in vielen ländlichen Regionen führt auch hier kein Weg am Auto vorbei. Zwar ist der öffentliche Personennahverkehr vergleichsweise gut entwickelt, aber für den Weg zur Arbeit, zum Einkaufen oder zu Freizeitaktivitäten müssen häufig weite Wege zurückgelegt werden. Wegen des bergigen Terrains ist das Fahrrad auch bei kürzeren Strecken häufig keine Alternative. So verfügen über 60 Prozent der Haushalte über mindestens zwei Pkws.

In dem vom Regionalmanagement der LEADER-Region Eifel initiierten Projekt "E-ifel mobil" wurde daher zwischen März 2013 und März 2015 in fünf Modelldörfern bzw. -dorfgemeinschaften in der Nordeifel (NRW) über eine Dauer von zwei Jahren erprobt, wie gemeinschaftlich genutzte Elektroautos und E-Bikes die Mobilität im ländlichen Raum verbessern können. Beteiligt waren Blankenheim-Freilingen sowie die Dörfergemeinschaft am Thürne aus dem Kreis Euskirchen, Hürtgenwald-Gey und Nideggen-Berg aus dem Kreis Düren sowie Simmerath-Eicherscheid aus der Städteregion Aachen.

Die Steuerung des Projekts lag bei der Lokalen Aktionsgruppe (LAG) der LEADER-Region Eifel. Das Projekt erhielt für die Finanzierung einer halben Personalstelle eine Unterstützung in Höhe von 66.000 Euro, davon 36.000 Euro EU-Mittel sowie 30.000 Euro Kofinanzierung der Kreise Düren und Euskirchen sowie der Städte-Region-Aachen, die auch fachliche Unterstützung leisteten. Zwei regionale Energieversorger, die "ene Energie Nordeifel GmbH" und die "EWV Energie- und Wasserversorgung GmbH" stellten für den Testzeitraum Elektrofahrzeuge zur Verfügung.

E-ifel mobil bringt Carsharing aufs Land

Carsharing-Angebote konzentrierten sich bislang vor allem auf städtische Gebiete. Mit dem Projekt E-ifel mobil wurde dieses Konzept erfolgreich an die Bedürfnisse der Menschen in ländlichen Regionen angepasst. Mit den Dorfauto- und Pedelec-Angeboten konnten – vor allem für Bürger ohne eigenes Auto, ohne Führerschein und für Haushalte ohne Zweit- oder Drittwagen – die Mobilitätsmöglichkeiten deutlich verbessert, das bürgerschaftliche Engagement gefördert und damit die Attraktivität der Dörfer und die Lebensqualität der Bürger gesteigert werden. Dabei zeigte sich, dass Carsharing dort zwar für kommerzielle Anbieter meist nicht lukrativ ist, es aber - wenn es von bürgerschaftlichen Initiativen organisiert wird - besonders reibungslos funktioniert, da die Nutzer sich persönlich kennen.

Als ein wesentlicher Erfolgsfaktor für ländliche Carsharing-Angebote erwiesen sich in den fünf Modelldörfern Engagement und Eigeninitiative der Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Einerseits ist es wichtig, dass die Bürger das Angebot selbst so ausgestalten, dass es passgenau auf den Bedarf vor Ort zugeschnitten ist. Andererseits braucht es engagierte Personen, die bereit sind, sich ehrenamtlich um die Organisation und Verwaltung des Dorfautos zu kümmern – eine durchaus zeitaufwändige Aufgabe.

Auch zeigte sich, dass eine Testphase wichtig ist, um im Vorfeld auszuloten, wie es um die Unterstützungsbereitschaft, den entstehenden Betreuungsaufwand und den Nutzerbedarf bestellt ist und was sich daraus für einen möglichen Dauerbetrieb ergibt. In zwei der fünf Modelldörfer ist die Überführung in den Dauerbetrieb gelungen: in der Dörfergemeinschaft am Thürne und in Hürtgenwald-Gey.

Erfolgreiche Überführung in den Dauerbetrieb: das thürneMobil

Die Dörfergemeinschaft am Thürne hatte schon während der Testphase einen eigenen Weg beschritten. Hier konnte das Dorfauto nicht nur selbst genutzt, sondern als sogenannter "Dorfhüpfer" auch samt Fahrer gebucht werden. Für die Älteren ein wichtiger Gewinn an Selbstständigkeit. Nach anfänglichem Zögern war der Dorfhüpfer am Ende der Testphase beinahe täglich ausgebucht. So war schnell klar, dass das Projekt verstetigt werden sollte.

Zumal im Laufe der Testphase offenkundig wurde, dass in allen Modelldörfern ein großer Bedarf an ehrenamtlichen Fahrdiensten für ältere Menschen besteht. Sie erleichtern Senioren die Teilnahme am sozialen Leben und verbessern die Identifikation mit dem Dorfauto. Gleichzeitig sorgen sie für eine bessere Auslastung des Fahrzeugs.

"Zunächst haben wir einfach mit Privatwagen weitergemacht", erinnert sich Ulla Corzelius an den März 2015 als mit dem Ende des E-ifel mobil-Projekts auch das für den Testzeitraum zur Verfügung gestellte Elektrofahrzeug abgegeben werden musste. Sie kümmert sich ehrenamtlich um die Koordination und Organisation des Fahrservice. Der firmiert inzwischen unter dem Namen thürneMobil, am erfolgreichen Dorfhüpfer-Konzept wurde aber festgehalten. Seit Dezember 2015 verfügt der Thürne-Verein auch wieder über ein Elektroauto zur gemeinsamen Nutzung – eine Dauerleihgabe der Regionalverkehr Köln GmbH (RVK). Der Verein muss lediglich für Versicherung und Wartung aufkommen.

"Bislang war das Auto sehr zuverlässig", berichtet Ulla Corzelius. "Es handelt sich aber um ein Elektroauto der ersten Generation. Daher ist die Reichweite eingeschränkt." Rund 70 Kilometer schafft das Auto mit einem Ladezyklus, der etwa fünf Stunden in Anspruch nimmt. "Nach Euskirchen und zurück kann das je nach Witterung schon knapp werden. Fahrten nach Rheinbach oder Bad Münstereifel sind aber ganz problemlos möglich", so Corzelius.

Finanzierung des Betriebs erfolgt über Spenden

Geladen wird das Fahrzeug dezentral bei den jeweiligen Fahrern. Die Stromkosten können sie sich erstatten lassen, was aber kaum in Anspruch genommen wird. Der Fahrservice ist generell kostenlos, Spenden sind aber gerne gesehen. "Die Finanzierung über Spenden läuft gut", sagt Ulla Corzelius. "Der eine gibt etwas mehr, der andere etwas weniger, aber insgesamt sind wir im Plus und können daher auch etwas für mögliche Reparaturen zurücklegen."

Derzeit gibt es einen Stamm von zwölf Fahrern. Anfragen können per Mail oder telefonisch an Ulla Corzelius gerichtet werden, die dann die Fahrer benachrichtigt. Wer die Fahrt übernimmt, erhält von ihr die Kontaktdaten des Interessenten, sodass Uhrzeit, Abholort, Fahrtziel und Aufenthaltsdauer vor Ort direkt zwischen Fahrer und Fahrgast abgestimmt werden können. "Meistens meldet sich direkt ein Fahrer oder eine Fahrerin, ohne dass ich noch einmal nachhaken muss, wer die Fahrt übernehmen könnte. Und abgesagt haben wir noch nie eine Fahrt", zieht Ulla Corzelius Bilanz.

Durchschnittlich wird das thürneMobil für etwa vier Fahrten pro Woche genutzt. Neuerdings gibt es neben Fahrten nach Bedarf auch regelmäßige Touren nach Rheinbach und nach Bad Münstereifel. Auch Kinder und Jugendliche können den Fahrservice in Anspruch nehmen. Bislang nutzen aber fast ausschließlich Seniorinnen und Senioren das Angebot. Und die haben das thürneMobil nach anfänglicher Skepsis begeistert aufgenommen, berichtet Ulla Corzelius: "Für unsere Senioren ist das ein echter Zugewinn. Auch weil eine Fahrt mit dem thürneMobil einfach viel persönlicher ist als eine Busfahrt."

Stand in der Testphase das Dorfauto auch noch als klassisches Carsharing-Angebot für Selbstfahrer offen, ist dieser Aspekt nun in der Dörfergemeinschaft am Thürne weggefallen, da die Nachfrage letztlich doch zu gering war.

Auch in Hürtgenwald-Gey ist die Verstetigung gelungen

Gruppenfoto mit Auto E-ifel mobil Dorfauto Gey
Schon in der Testphase war das Interesse am Dorfauto in Hürtgenwald-Gey groß © LAG der LEADER-Region Eifel

Ganz anders sieht das in Hürtgenwald-Gey aus, wo es ebenfalls gelungen ist, das Projekt zu verstetigen. Seit Februar 2015 ist dort das Dorfauto als Carsharing-Angebot für Selbstfahrer dauerhaft in Betrieb und steht nun auch den Bürgerinnen und Bürgern von drei Nachbarorten zur Verfügung. Es wird eigenwirtschaftlich betrieben und über Nutzungsgebühren finanziert. Träger des Dorfautos ist eine eigens gegründete Unternehmergesellschaft (UG). Koordination und Organisation erfolgen wie auch in der Dörfergemeinschaft am Thürne ehrenamtlich.

Die Nutzungsgebühren sind in drei Tarifgruppen gestaffelt. Während Viel-Fahrer eine Monatsgebühr in Höhe von 45 Euro bezahlen müssen, sind Wenig-Fahrer schon für 5 Euro dabei. Dafür zahlen sie eine höhere Gebühr pro Kilometer (20 Cent statt 10 Cent) und Stunde (2 Euro statt 50 Cent).

Bei der Anschaffung des Elektrofahrzeugs, das nun als Dorfauto genutzt wird, wählte die Unternehmergesellschaft einen kreativen Ansatz und machte sich den zwischenzeitlich sehr hohen regionalen Bekanntheitsgrad des Modellprojekts zunutze. Mithilfe einer Agentur gelang es, eine ausreichende Anzahl an Sponsoren zu finden, die über ihre Werbung auf dem Fahrzeug dessen Anschaffung finanzierten.

Ihr ursprüngliches Ziel, den ein oder anderen wenig genutzten Zweitwagen im Dorf überflüssig zu machen, haben die Hürtgenwalder so erreicht. In der Zwischenzeit haben mehrere Dorfbewohner ihren Zweitwagen abgeschafft.

Erschienen am im Format Good Practice

Adresse

Nettersheim
53947 Nettersheim, Nordrhein-Westfalen

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