Waldnaturschutz: Das europaweite Netzwerk "INTEGRATE"

Effektiven und effizienten Waldnaturschutz im Rahmen der nachhaltigen Waldbewirtschaftung voranbringen, das ist das Ziel des europaweiten Netzwerkes, das Deutschland und die Tschechische Republik gemeinsam angeschoben haben.

Europäisches Netzwerk "INTEGRATE" entwickelt sich erfolgreich

Vertreter der Forst- und Umweltpolitik sowie der Wissenschaft aus mittlerweile 16 europäischen Staaten sowie der Europäischen Kommission erarbeiten im 2017 gegründeten europäischen Netzwerk INTEGRATE Lösungen, wie der Natur- und Artenschutz in nachhaltig bewirtschafteten Wäldern weiter gestärkt und verbessert werden kann. Insbesondere die Vor- und Nachteile der Integration von Naturschutz im bewirtschaftetem Wald gegenüber einer kompletten Aufgabe der Nutzung und Stilllegung von Wäldern wird untersucht.

Naturschutz und Schutz der biologischen Vielfalt in der Waldbewirtschaftung

Hintergrund für die Arbeit des Netzwerks sind Berichte zu Gefährdungen von spezifischen Waldarten und Waldlebensräumen in Europa und zunehmende Forderungen, Wälder komplett aus der Bewirtschaftung herauszunehmen. Letzteres ist allerdings mit den vielfältigen weiteren Ansprüchen an die europäischen Wälder und mit den Zielen privater Waldeigentümer meist schwerlich in Einklang zu bringen. Auch die Notwendigkeit, die Wälder fit für den Klimawandel zu machen, ist bei forstwirtschaftlichen Entscheidungen abzuwägen.

Waldbewirtschaftung und Naturschutz schließen sich aber nicht aus: So belegen europaweite wissenschaftliche Studien im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), dass es auch in nachhaltig bewirtschafteten Wäldern möglich ist, Waldnaturschutz erfolgreich umzusetzen und die biologische Vielfalt zu erhalten und zu fördern. Im Rahmen dieser Studien wurden zahlreiche erfolgreiche Beispiele aus der Forstpraxis aus Deutschland und ganz Europa untersucht. Dass die Herausnahme von Wäldern aus dem aktiven Waldmanagement zwar eine mögliche aber eben nur eine von vielen Maßnahmen eines intelligenten Waldnaturschutzes der Zukunft ist, bestätigen auch zahlreiche Forschungsergebnisse aus Deutschland. So können durch die Erhaltung und gezielte Pflege kleinräumiger Elemente mit hohem Wert für den Waldnaturschutz wie Totholz, Habitatbäumen, Altbaumgruppen oder Trittsteinflächen auf der gesamten Waldfläche und nicht nur auf Teilflächen positive Veränderungen herbeigeführt werden.

Das Netzwerk INTEGRATE wird weiter den Erfahrungsaustausch über besonders gelungene Integration von Naturschutz in bewirtschafteten Wäldern in den europäischen Ländern fördern und so Wege aufzeigen, wie effektiver und intelligenter Waldnaturschutz effizient umgesetzt werden kann.

Aktuelle Informationen und Links:

Marteloskope: Übungsflächen für ökonomische und ökologische Folgenabschätzung bei der Waldbewirtschaftung

Förster stehen im Wald und schauen auf ein Tablet Integrate gestartet
Erfahrungsaustausch im Wald: Exkursion des europäischen Netzwerks in in den Kottenforst und an der Waldau © BMEL

Als Teil des Konzepts von INTEGRATE werden in repräsentativen Waldtypen Europas Flächen ausgewählt (so genannte Marteloskope), die als spezifische Anschauungs- und Trainingsobjekte dienen können. Dort sind alle Bäume mit ihren ökonomischen und ökologischen Werten, insbesondere ihren Mikrohabitaten, digital erfasst. Durch eine virtuelle Baumauswahl am Tablet-Computer können Wald- und Naturschutzexperten wie auch Vertreter von Interessengruppen verschiedene Bewirtschaftungseingriffe testen und dabei sowohl den ökonomischen Erlös als auch die ökologischen Folgen ihrer Entscheidung einschätzen lernen. Unterstützt werden diese Übungen durch eine moderne Software, welche es erlaubt, die Ergebnisse der jeweiligen Management-Entscheidungen unmittelbar vor Ort im Wald in Zahlen und Grafiken abzurufen. Die fachliche Diskussion dazu kann somit direkt "am Objekt" statt im fernen Sitzungssaal geführt werden. Die entsprechende Applikation für diese Software kann hier auf mobile Geräte mit Android Betriebssystem heruntergeladen werden.

Mittlerweile sind bereits 117 solcher Flächen in 16 europäischen Ländern eingerichtet (siehe Karte). Und es kommen kontinuierlich weitere Flächen aus diesen, wie auch neuen Ländern hinzu.

Die Marteloskop-Flächen haben sich für Schulungs- aber auch Demonstrationszwecke sehr bewährt. Forstpraktiker werden noch gezielter als bisher für ökologisch wertvolle Waldstrukturen sensibilisiert, um sie bei ihren künftigen Waldbewirtschaftungsentscheidungen besser berücksichtigen zu können. Naturschützer wiederum lernen, die Minimierung der wirtschaftlichen Folgen ihrer Forderungen und die gezielte Optimierung von Waldnaturschutzmaßnahmen mitzudenken. Insgesamt werden damit effiziente und effektive Naturschutzmaßnahmen gefördert, die gleichzeitig größere Akzeptanzchancen bei den Waldbesitzern haben.

Übung im Wald Übung im Wald
Übung mit Förstern, Natuturschutzvertretern, Walbesitzern und Forstunternehmnern im Marteloskop Falkenberg, Frankreich © Andreas Schuck

Einige Bundesländer, wie auch andere europäische Länder, führen regelmäßige Schulungen der Waldbautrainer mit ihren Förstern aber auch mit amtlichen Naturschützern durch. Weiter finden solche Übungen in Marteloskopen bei Universtätsstudenten, in forstlichen Ausbildungszentren aber auch bei Schülern und Bürgern großen Anklang.

Das Europäische Forstinstitut unterstützt das europäische Netzwerk Integrate wissenschaftlich und in seiner Funktion als Sekretariat. Weitere Informationen können Sie der Europäischen Netzwerk Integrate Webseite entnehmen.

Erschienen am im Format Artikel

Das könnte Sie auch interessieren

Veröffentlichungen des wissenschaftlichen Beirats für Waldpolitik (Thema:Wald)

Der vom BMEL berufene Wissenschaftliche Beirat hat bislang die nachfolgenden Dokumente veröffentlicht.

Mehr

EU-weit einheitliche Regelung für entwaldungsfreie Lieferketten (Thema:Wald)

Mit einem innovativen, weltweit einmaligen Ansatz verbindlicher, unternehmerischer Sorgfaltspflichten soll mit der neuen EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte das Ziel entwaldungsfreier Lieferketten sichergestellt werden. Um eine effiziente, praktikable und bürokratiearme Anwendung sicherzustellen, setzt sich das BMEL in Brüssel weiterhin für eine Verschiebung des Anwendungsstarts ein.

Mehr

Agrarproduktion ohne Waldzerstörung (Thema:Wald)

Bis zu 90 Prozent der globalen Entwaldung gehen laut der Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) auf Rodungen für die Landwirtschaft zurück. Betroffen sind vor allem Wälder in den Tropen. Die Nachfrage in wichtigen Konsumentenländern wie den USA und China aber auch der EU, insbesondere nach Palmöl, Soja und Kakao, gilt neben dem Eigenkonsum in den Erzeugerregionen als wichtiger Antriebsfaktor. Für einen erfolgreichen internationalen Waldschutz müssen Agrarrohstoffe möglichst nachhaltig produziert werden. Das heißt auch: ohne Waldflächen zu zerstören.

Mehr

Verwandte Themen