Aus "Berichte über Landwirtschaft"
Heft 2, Juni 2004

Stellungnahme zu den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik vom 26. Juni 2003

Wissenschaftlicher Beirat beim BMELV, Berlin

Der Wissenschaftliche Beirat hält den Luxemburger Beschluss zur Reform der EU-Agrarpolitik im Grundsatz für begrüßenswert. Der Beschluss trägt den neuen Rahmenbedingungen, hier unter anderem den WTO-Verhandlungen, sowie den veränderten gesellschaftlichen Anforderungen an den Agrar- und Ernährungsbereich Rechnung. Die Entkopplung der Direktzahlungen von der Produktion ermöglicht Wohlfahrtsgewinne und steigende Einkommen, wird aber auch einen verstärkten Strukturwandel auslösen. Der Beirat empfiehlt der Bundesregierung, von der Möglichkeit zur Teilentkopplung keinen Gebrauch zu machen und auf eine EU-weite Abschaffung dieser Möglichkeiten zu dringen. Der Beschluss, die Direktzahlungen von der Einhaltung von Mindeststandards zum Beispiel im Umwelt- und Tierschutz zu verknüpfen (Cross compliance), ist ordnungspolitisch bedenklich und birgt Risiken für die künftige internationale Wettbewerbsfähigkeit. Der Beirat hält eine Weiterentwicklung des Fachrechts sowie eine inhaltliche Anpassung und finanzielle Aufstockung der zweiten Säule der EU-Agrarpolitik für die bessere Lösung.

Beurteilung und Vermeidung von anthropogenen Boden(schad)verdichtungen

Dietmar Schröder und Raimund Schneider, Trier

Die moderne Großtechnik zieht Risiken der Bodenverdichtung nach sich und bietet Chancen zu deren Vermeidung. Auf Grund des Konkurrenzdruckes unter den Landmaschinenherstellern sowie unter den Bauern überwiegen derzeit die Risiken.

Das Bundes-Bodenschutzgesetz ist unwirksam, solange es keine klaren Begrenzungen der Lasteinträge vorgibt. Sowohl Hersteller wie Landwirte könnten sich mit Begrenzungen arrangieren, wenn Wettbewerbsgleichheit sichergestellt wird.

Als begrenzender, bodenschützender, leicht zu erhebender und überprüfbarer Indikator wird die Kontaktflächendruck-bezogene Radlast vorgeschlagen. Geräte, welche die entsprechenden Kriterien erfüllen, könnten mit der Plakette "entspricht gfP-gute fachliche Praxis" ausgezeichnet werden. Landwirte, die nur diese Geräte nutzen erfüllen die Anforderungen der "Guten fachlichen Praxis".

Um den geforderten Standard zu erreichen, müssen die Radlasten/Bunkerkapazitäten/Leergewichte reduziert werden. Derartige Begrenzungen sind auch aus Gründen einer ökologischen Flurgestaltung, Sicherung der Biodiversität und Biotopvernetzung erforderlich.

EU-weite Ex post-Evaluation der Gemeinschaftsinitiative LEADER II - Bewertung der Programme deutscher Bundesländer -

Manfred Geißendörfer und Otmar Seibert, Triesdorf

Die Gemeinschaftsinitiative LEADER II war eines der strukturpolitischen Instrumente der EU zur Förderung innovativer Entwicklungsvorhaben auf der Grundlage lokaler Partnerschaften. In Europa nahmen mehr als 1.000 Lokale Aktionsgruppen und Kollektive Aktionsträger mit unterschiedlichsten organisatorischen und inhaltlichen Konzepten an der Initiative teil. In Deutschland setzten 14 Länder mit eigenen Programmen und über 180 LEADER-Gruppen (LAG, KAT) die "neue Art der Strukturpolitik" um. Ziel der Initiativen war es, auf lokaler Ebene durch impulsgebende, innovative Maßnahmen wirtschaftliche, soziale, kulturelle und ökologische Entwicklungsfortschritte zu initiieren.

Mit LEADER II wurde der gebietsbezogene, partizipative und multisektorale Ansatz von LEADER I allgemeiner gefasst und der Schwerpunkt auf den innovativen Charakter der Vorhaben gelegt. Die Funktion als Experimentierstätte für die Entwicklung und Erprobung neuer integrierter und nachhaltiger Entwicklungsansätze wurde besonders betont. Die LEADER-Programme hatten einerseits einen sehr flexiblen Teil bei der Auswahl der förderfähigen Projekte. Andererseits scheint es auch einen unflexiblen Teil des Programms mit sehr aufwändiger Handhabung gegeben zu haben. Entscheidend war letztlich die Interaktion zwischen der Anwendung und dem Verständnis der LEADER-Methode innerhalb der Verwaltung und deren Wirksamkeit auf Ebene der LAG-Begünstigten. Von den beauftragten Administratoren in den Bewilligungsstellen ist diesbezüglich ein hohes Maß an "LEADER-Qualifikation" und die Bereitschaft zur Einbeziehung in lokale Arbeitsebenen zu fordern, um sach- und prozessdienliche Entscheidungen fällen zu können.

Hilfreich waren LEADER-Koordinatoren innerhalb der Verwaltung, die das Fördermanagement mit den zuständigen Fachabteilungen erleichterten. Die Fähigkeiten der "lokalen Akteure", neue Kompetenzen und Durchsetzungskraft zu erwerben, wurde insbesondere in den LEADER-Gebieten gestärkt, die sowohl über ein gut funktionierendes und kompetentes Regionalmanagement verfügten als auch einen entsprechenden Rückhalt in den wichtigsten Interessengruppen der Region hatten, zum Beispiel durch regionale Initiativ-Organisationen. Die gebildeten Organisations- und Kommunikationsstrukturen der LAG erleichterten zumeist die Beteiligung von Interessengruppen und Bevölkerungskreisen. Sofern es gelang, längerfristige Partnerschaften zu formen, bildeten sich daraus in einigen Gebieten auch produktive dauerhafte Netzwerke, die auch nach Ende der Förderung weiter arbeiteten und zu Motoren einer innovativen und eigenständigen Entwicklung oder der regionalen Kompetenzbildung wurden. Das Netzwerkmanagement solcher Partnerschaften kristallisierte sich als typische zusätzliche "Leistung" der LAG heraus, das Vorteile für die Wettbewerbsfähigkeit dieser Regionen bewirkt. Darüber hinaus ergaben sich in unerwartet hohem Maß auch quantifizierbare Wirkungen - häufig in Kombination mit anderen Struktur- oder Arbeitsmarktfördermaßnahmen - die den Erfolg von LEADER aus deutscher Sicht unterstreichen. Künftige Politiken für den ländlichen Raum könnten auf der Grundlage von LEADER II aufbauen und - wie es sich bereits in der GAK-Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes"-Neufassung abzeichnet - auf breiterer Basis fortgeführt werden.

Kosten des Naturschutzes in offenen Ackerlandschaften Nordost-Deutschlands - Auswertung des Forschungsprojektes "Erhaltung von offenen Ackerlandschaften auf ertragsschwachen Standorten durch extensive Bodennutzung" (EASE), gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung -

Ulrich Hampicke, Greifswald, Jens Holzhausen, Netzeband, Birgit Litterski und Wendelin Wichtmann, Greifswald

Ein dreijähriger Versuch in Nordostdeutschland wird ausgewertet, in dem extensiver Roggenanbau auf schwachem Standort zur Förderung erhaltenswerter Ackerbegleitvegetation und damit zur Wiederentwicklung früherer Biodiversität durchgeführt wird.

Schon in den ersten drei Versuchsjahren entwickelt sich die regions- und standorttypische Sandmohngesellschaft (Papaveretum argemones).

An Hand betriebsindividueller Daten und eigener Arbeitszeitmessungen werden die Kosten der Naturschutz-Varianten mit denen des integrierten Anbaus verglichen. Die Verfahrenskosten (Vollkosten abzüglich nicht zurechenbarer Gemeinkosten und Pachten) liegen um etwa 150 Euro pro Hektar und Jahr über den Markterlösen. Die Verfahrensleistung liegt um etwa 200 bis 250 Euro pro Hektar und Jahr unter der der standortsgemäßen herkömmlichen Ackernutzung.

Die Verfahrenskostenüberschüsse werden den Werten einschlägiger und seitens der EU stark geförderter Grünlandnutzungsverfahren mit hohem Naturschutzwert gegenübergestellt. Die extensive Ackernutzung außerhalb ackerbaulicher Gunstregionen erweist sich dabei als eine sehr kostengünstige Naturschutzmaßnahme. Über die im Versuch ermittelten Kostenvorteile hinaus sind weitere zu erwarten, sollte die Maßnahme in größerem Umfang Verbreitung finden.

Befragungen von Erholungssuchenden und anderen Personen bestätigen, dass die Wiederherstellung ästhetisch attraktiver Ackerlandschaften in einem gewissen Umfang auf hohe Akzeptanz und Zahlungsbereitschaft stößt und somit einen Wohlfahrtsgewinn darstellt.

Überlegungen zur Erschließung von Märkten und zur Erhöhung der Wertschöpfung für die Landwirtschaft vor dem Hintergrund der Entwicklung von Absatzmärkten und Konsumentenverhalten

Peter Wagner, Halle

Die Landwirtschaft als Primärsektor nimmt tendenziell eine immer schwächere Stellung in der "Mehrwertkette" ein. Vor dem Hintergrund des Wandels der Absatzmärkte und der Verbraucherseite wird versucht und mit einigen Beispielen untermauert, Wege aus dem Dilemma aufzuzeigen.

Die Absatzmärkte sind einerseits von einer immer dominanteren Rolle der Discounter mit entsprechendem Preisdruck geprägt. Andererseits spielen Sondereinkaufsstätten (zum Beispiel Wochenmarkt, Verkaufswagen, Erzeugerdirektverkauf) bei bestimmten Frischeprodukten eine wichtige Rolle. Hier herrscht nicht alleine das Preisdiktat. Der Beitrag zeigt diesbezüglich Entwicklung und aktuelle Situation auf.

Auf der Konsumentenseite stechen immer kleiner werdende Haushalte und der eindeutige Trend zu Convenience-Produkten ins Auge. Neben einer Verbrauchertypologie als Ausgangspunkt einer Marktsegmentierung werden die Ausgaben für Nahrungsmittel nach Haushaltstypen dargestellt. Darauf aufbauend werden verschiedene Möglichkeiten skizziert, wie die gefundenen Sachverhalte zugunsten der Landwirtschaft genutzt werden können. Dargestellt werden Chancen und Risiken die mit der Markenbildung gegenüber anonymen Massenprodukten verbunden sind. Ebenfalls wird auf die Rolle des Internet und seine Möglichkeiten für den Absatz von verbrauchernahen Endprodukte am Beispiel des "Austrian Country Market" eingegangen. Als drittes Möglichkeitsfeld wird auf die Erhöhung des Wertschöpfungsanteils für die Landwirtschaft eingegangen. Dies wird von den "New Generation Cooperatives", namentlich in den USA, erfolgreich praktiziert. Hierzu werden Voraussetzungen genannt und anhand von Beispielen illustriert. Immer spielt die Identifizierbarkeit der Produkte über den Erzeuger oder über eine Markenbildung eine zentrale Rolle. Eine starke Marktorientierung und eine bedingungslose Qualitätsproduktion ist Voraussetzung für erfolgreiche Strategien.

Aus der Analyse aller Beispiele wird deutlich, dass sie nur dann als Vorlage für eine erfolgreiche Eigeninitiative dienen können, wenn marktorientiertes und kaufmännisches Unternehmertum mehr als bisher in des Denken der Landwirte und ihrer Berater Einzug hält.

Standortentscheidung der Ernährungsindustrie in Ostdeutschland

Klaus Drescher und Susanne Halm, Kiel

Dem Zerfall der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Herbst 1989 folgte eine Periode der politischen und ökonomischen Umstrukturierung. Während der politische Umstrukturierungsprozess seinen Höhepunkt in der Wiedervereinigung fand, zog sich der Wandel von der Plan- zur Marktwirtschaft ein wenig länger hin.

Dieser Wandel wahr begleitet durch eine Vielzahl von Investition seitens westdeutscher Unternehmen, die den Markteintritt in Ostdeutschland durch Akquisition und Neugründung vorantrieben. Die Ernährungsindustrie hatte dabei eine führende Rolle inne. Die meisten Investitionsentscheidungen erfolgten aufgrund einer formalen Standortentscheidung, unabhängig der Rechtsform des Unternehmens oder der produzierten Produkte.

Hieraus erwachsen Fragen zu den Motiven der Expansion, zu den Faktoren der Standortentscheidung und den strategischen Implikationen der Entscheidungen. Der vorliegende Beitrag identifiziert die Motive, die hinter diesen Entscheidungen stand, als auch wird der Versuch unternommen, den Entscheidungsprozess zur Standortwahl genauer zu beleuchten. Weiterhin werden Unterschiede zwischen den einzelnen Sektoren des Ernährungsgewerbes offengelegt, und zwar nicht nur hinsichtlich Standortwahl, sondern auch bezüglich der Entscheidung Übernahme oder Neugründung. Der massive Eintritt von Unternehmen in einem überschaubaren Zeitraum und die Frage nach den Bestimmungsgründen, die mit diesem Eintritt verbunden sind, können wertvolle Informationen für die öffentliche Hand liefern.

Von Bauern und Fleischern - ein Vergleich der Ausstiegsmuster in schrumpfenden Sektoren -

Stefan Mann, Ettenhausen und Juliane Mante, München

Landwirte und Metzger in der Schweiz sind in schrumpfenden Sektoren tätig. Die Anzahl der Unternehmen hat in den letzten zwanzig Jahren in beiden Sektoren um 40 Prozent abgenommen. Es ist jedoch eine interessante Frage, ob die Bestimmungsgründe des Ausstiegs im Primärsektor die gleichen sind wie im Sekundär- und Tertiärsektor. Eine Regressionsanalyse zeigt, dass bei Landwirten ein größerer Teil der Betriebsaufgaben durch ökonomische Faktoren erklärt werden kann. Bei Metzgern ist der Gewinn des Unternehmens ein Kernfaktor für Strukturwandel, während für Landwirte Preise ein wichtiger Signalfaktor sind. Der Zinssatz beeinflusst den Strukturwandel in beiden Sektoren. Die Studie zeigt die Relevanz sektorspezifischer Forschung auf.

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