Es gibt viele Entwicklungsfelder

Interview der Bundestierschutzbeauftragten Ariane Kari mit der "Land & Forst"

Frage: Frau Kari, was sind Ihre Aufgaben als Bundestierschutzbeauftragte?

Ariane Kari: Der Tierschutz ist seit 20 Jahren als Staatsziel im Grundgesetz verankert, dennoch ist in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig passiert. Als Bundestierschutzbeauftragte ist es deshalb meine Aufgabe, den Tieren in der Bundespolitik eine Stimme zu geben. Ein fachlicher Schwerpunkt meines Teams und mir ist es, die derzeit laufenden Rechtsetzungsverfahren – konkret die Reformierung des Tierschutzgesetzes und der Tierschutznutztierhaltungsverordnung – für die Tiere zu begleiten.

Frage: Was ist Ihnen dabei besonders wichtig?

Ariane Kari: Tierschutz ist ein sehr weites und komplexes Feld. Es betrifft gleichermaßen den Umgang mit Tieren in der Landwirtschaft, zu Hause als Heimtiere oder in der Forschung. Mir ist es wichtig, alle Bereiche im Umgang mit Tieren zu erfassen und für jegliche Umgangsformen zwischen Menschen und Tieren den Tierschutz voranzubringen. Da gibt es keine Ausnahmen. Und die darf es auch nicht geben.

Frage: Welche Themen werden Sie als erstes angehen?

Ariane Kari: Im Tierschutz gibt es viele Entwicklungsfelder. Ich will drei Schwerpunkte setzen: Die erste Säule betrifft die Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit. Wissen schützt Tiere. Deshalb werden wir viele Informationen zu tierlichen Bedürfnissen über soziale Netzwerke zur Verfügung stellen. Um bessere Gesetze und Verordnungen für Tiere soll es in einer zweiten Säule gehen. Konkret werden wir uns dabei in die laufenden Rechtsetzungsverfahren einbringen. Und in einer dritten Säule soll es um eine vertiefte Schnittstelle zwischen Tiermedizin und Jura gehen. Das ist auch mein persönlicher Arbeitsschwerpunkt und hier sehe ich das größte Potential, um in allen Bereichen mehr für den Tierschutz zu tun. Dazu zählt die Landwirtschaft genauso wie die Forschung. Aber auch für Tiere, die menschliche Gefährten sind und im Umgang mit Wildtieren brauchen wir besseren Tierschutz. Ich will zum Beispiel eine bundesweite Jahrestagung für im Tierschutzrecht arbeitende Amtstierärzte und Juristen etablieren. In allen drei Säulen geht es auch um Netzwerkarbeit, denn gebündelte Stimmen werden besser gehört. Ich werde mich also viel mit den Akteuren austauschen.

Frage: Wie gehen Sie mit dem Thema Wolf um? Was sind hier Ihre Aufgaben?

Ariane Kari: Angriffe durch den Wolf gehen zweifellos mit erheblichem Tierleid einher und stellen eine große Belastung für die betroffenen Tierhalter dar. Große Beutegreifer gehören aber nun einmal zu einer gesunden Umwelt dazu. Es führt aber auch kein Weg an der Weidehaltung vorbei. Sie wird den Bedürfnissen der Weidetiere am gerechtesten. Daher muss das Zusammenleben mit dem Wolf geregelt werden. Auch hier werde ich die Politik beraten. Wenn wir mehr Tierschutz für Weidetiere wollen, dürfen wir aber auch nicht nur über den Wolf sprechen. Eine viel größere Anzahl von Tieren landen als Falltiere in sogenannten VTN-Betrieben (Anm. d. Red.: Verarbeitungsbetrieb tierischer Nebenprodukte) etwa aufgrund von Managementfehlern. Auch hierzu braucht es bei einer Novellierung des Tierschutzgesetzes und der Tierschutznutztierhaltungsverordnung dringend Änderungen.

Frage: Wo sehen Sie noch Verbesserungspotential im Tierschutz bei Nutztieren?

Ariane Kari: Im Tierschutz bei landwirtschaftlich genutzten Tieren gibt es erheblichen Handlungsbedarf. Denken Sie etwa an die vielen Schweine, die jährlich in Deutschland geboren werden und noch vor der Schlachtung verenden. Das sind 13,6 Millionen Tiere. Das entspricht in etwa jedem fünften lebend geborenen Schwein. Das sind die eben erwähnten Falltiere. Auch die Anzahl an Schweinen, die zwar geschlachtet werden, aber am Schlachtband als genussuntauglich aussortiert werden, ist gigantisch – allein 2022 waren das 14.400 Tiere. Ein weiteres massives Tierschutzproblem ist die einseitige Leistungszucht zum Beispiel von Kühen und Legehennen. Auch hier besteht Handlungsbedarf.

Frage: Was bedeutet das für die Landwirte?

Ariane Kari: Die angesprochenen Missstände im Tierschutz bei landwirtschaftlich genutzten Tieren müssen benannt und der Weg hin zu einer zukunftsorientierten Landwirtschaft geebnet werden. Dabei ist es die Aufgabe der Politik, Landwirtinnen und Landwirten die notwendige Planungs- und Rechtssicherheit zu geben und diese finanziell bei einem nachhaltigen Umbau der Tierhaltung in der Landwirtschaft zu unterstützen. Hier sehe ich als meine Aufgabe an, die Tierschutzaspekte bei der zukunftsfähigen Landwirtschaft einzubringen und zu vertreten. Ich will vermieden, dass höhere Standards mehr Geld kosten. Dieses Geld müssen die Landwirtinnen und Landwirte aber auch wieder erwirtschaften können, um es zum Wohle ihrer Tiere einzusetzen.

Quelle: Land und Forst vom 26. Oktober 2023

Fragen von Madeline Düwert

Erschienen am im Format Interview

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